"Sie kassieren doppelt": So zocken Mieter aus Göttinger Plattenbau Geld vom Amt ab

Der Plattenbau in der Groner Landstraße 9 in Göttingen gilt als einer der schlimmsten Wohnblöcke Deutschlands. Hohe Müllberge im Hof und in den Fluren, kaputte Fahrstühle und eingetretene Türen gibt es dort zu sehen. Ein Video soll sogar zeigen, wie Bewohner aus einem Fenster nach Ratten angeln.

Allerdings passiert dort noch etwas anderes: das Abzocken von Miete. Und das Jobcenter macht mit, weil die Alternativen noch schlimmer wären.

Mieter verprassen Geld vom Amt, statt zu bezahlen - über 850.000 Euro Mietschulden

Normalerweise versuchen Vermieter zu erreichen, dass das Geld vom Amt direkt bei Ihnen ankommt. "Damit ich die Miete vom Jobcenter direkt bekomme, lasse ich mir vom Mieter üblicherweise eine Abtretungserklärung unterschreiben", sagt Sebastian Fesser, der in der Groner Landstraße 9 Wohnungen vermietet, zu "Bild". Das Problem: Mieter können eine solche Erklärung einseitig widerrufen - und tun das auch.

"Dann ist das Amt verpflichtet, den Mietbetrag aufs Konto des Mieters zu überweisen", erklärt Fesser und sagt, was danach passiert. "Nicht selten verprassen die Empfänger dieses Geld, ohne es an den Vermieter weiterzuleiten."

Dass dieser Trick im Göttinger Problem-Plattenbau häufiger angewendet wird, bestätigt Hausverwalter Dominik Fricke. Er verwaltet 316 Wohnungen dort, von denen rund die Hälfte leersteht. "Von 161 Mietern haben 145 Mietschulden. Schätzungsweise 40 davon kassieren Mietgeld vom Jobcenter, leiten es aber nicht weiter", sagt er zu "Bild". Die Höhe der unbezahlten Mietschulden aus den vergangenen beiden Jahren betrage bereits mehr als 850.000 Euro.

"Sie kassieren doppelt": Mieter aus Göttinger Plattenbau zocken das Amt ab

Das ist aber noch nicht das Ende der Dreistigkeit. Sobald die Räumung droht, stehen einige der Sozialhilfe-Empfänger wieder beim Jobcenter auf der Matte. "Meist bekommen sie dann ein zinsloses Darlehen, um die Mietschulden zu tilgen und nicht wohnungslos zu werden", berichtet Vermieter Fesser. "Sie kassieren also doppelt."

Das Jobcenter bestätigt dieses Vorgehen. "Bestehen Mietschulden, können diese unter gewissen Voraussetzungen zur Abwendung einer drohenden Wohnungslosigkeit als Darlehen übernommen werden", heißt es von dort. 

Das ist aber traurigerweise sogar die bessere Alternative. Neue, günstige Unterkünfte für Sozialhilfe-Empfänger sind Mangelware. Das Amt gibt den säumigen Zahlern dann lieber noch einmal Geld.