
Die Ära Trump: Chancen und Risiken für Amerika und die Welt (Anzeige)
von Ansgar Graw
Wenn Titanen toben, taumelt das Universum: Die beiden vielleicht mächtigsten Männer der Welt, der amerikanische Präsident Donald Trump und der reichste unter den Reichen, Elon Musk, haben auf Angriff geschaltet. Sie beschimpfen einander, drohen einander, demütigen einander.
Zwar tauchten am Donnerstagnachmittag Washingtoner Zeit von beiden deeskalierende Tweets auf, es handele sich nur um einen Scherz – doch die Entfremdung ist angesichts der Härte ihrer Schlagabtausche erkennbar echt, Verletzungen werden nachwirken, selbst wenn man jetzt die wechselseitigen Attacken beenden sollte.
Des Präsidenten Wort, dass er "sehr enttäuscht von Elon" sei, gehört da noch zu den harmloseren Volten in ihrem Zweikampf. Ebenso wie der Konter des Abtrünnigen, der im vergangenen Jahr weit über eine Viertelmilliarde Dollar in Trumps Wahlkampfkasse pumpte: "Ohne mich hätte er die Wahl verloren."
Inzwischen fragte Musk auf seinem Kurznachrichtendienst X, ob es nicht Zeit sei, eine neue politische Partei in Amerika zu gründen, die jene "80 Prozent in der Mitte" repräsentieren. Bis Freitagmorgen, 8.30 Uhr deutscher Zeit, hatten 4,3 Millionen User abgestimmt und zu 81 Prozent für "Ja" optiert.
Noch am 31. Mai pries Trump im Oval Office seinen scheidenden Top-Berater beim Abschied nach 130 Tagen des kettensägenartigen Abholzens von tatsächlicher und vermeintlicher Überbürokratisierung, weil der Multimilliardär "einen kolossalen Wandel in den alten Geschäftspraktiken in Washington" herbeigeführt habe. "Dies wird sein letzter Tag sein, aber nicht wirklich, denn er wird immer bei uns sein und uns auf unserem Weg helfen", flötete Trump in den sozialen Medien. "Elon ist großartig!"
Und der so gepriesene, als Tesla-Chef noch bis zum vergangenen Sommer Hoffnungsträger der um das Weltklima besorgten amerikanischen Linken, beschied sich und seiner Agentur zur Steigerung der Regierungseffizienz bei dieser Veranstaltung: "Ich denke, das DOGE-Team leistet unglaubliche Arbeit" und es werde "auch weiterhin unglaubliche Arbeit leisten".
Doch Freundschaft und Rivalität gingen bei den beiden Männern Hand in Hand. Das begann spätestens im vergangenen Dezember, als Demokraten sehr geschickt Elon Musk als "unseren Schattenpräsidenten" bezeichneten und suggerierten, eigentlich sei es gar nicht Trump, der die Richtung der Politik bestimme.
Trump ging prompt in die Falle. Am Vorweihnachtstag erklärte er der Konferenz AmericaFest in Phoenix, Musk könne ihn ja überhaupt nicht als Präsident ablösen, weil der gebürtige Südafrikaner mit amerikanischem Pass nicht in den USA geboren sei und damit die wichtigste Voraussetzung für dieses Amt nicht mitbringe. So als trenne Musk von der Amtsübernahme nur eine Passage in der US-Verfassung.
Die Beziehung blieb äußerlich intakt. Als "First Buddy", als erster Kumpel, rangierte Musk und war im Präsidenten-Anwesen Mar-a-Lago wie im Oval Office präsenter als die First Lady. Doch die Sorge, Musk könne mehr Scheinwerferlicht abbekommen als er selbst, der Präsident, hat Trump mutmaßlich nie mehr ganz losgelassen.
Für jedermann sichtbar wurde der Streit erst vor fünf Tagen, nachdem der Präsident binnen weniger Stunden und ohne Zeit für die Abgeordneten, die 1000 Seiten zu lesen, sein Haushaltsgesetz durch das Repräsentantenhaus gepresst hatte.
Trump hatte das Gesetz in seiner typischen Manier "Big Beautiful Bill" getauft. Musk hingegen bezeichnete das "große schöne Gesetz" in seinem Kurznachrichtendienst X als eine "widerliche Abscheulichkeit".
Das "BBB"-Gesetz sieht massive Steuererleichterungen für Wohlhabende vor, was nach der Berechnung von Ökonomen das Staatsdefizit massiv erhöhen wird. Gern retweetete Musk ein Video des libertären republikanischen Senators Rand Paul, der im Trump-nahen Sender Newsmax signalisierte, dass er im Senat dagegen stimmen werde: "Ich würde dafür stimmen, wenn wir echte Ausgabenkürzungen bekämen. Doch dieses Gesetz ist die größte Schuldenerhöhung in der US-Geschichte – 5 Billionen Dollar." Das überparteiliche Haushaltsbüro des Kongresses (Congressional Budget Office) schätzt die Steuerausfälle etwas moderater auf 3,7 Billionen Dollar.
Im Gegenzug will Trump Kürzungen bei Medicaid, der Gesundheitsversorgung für Geringverdiener, und bei der Lebensmittelhilfe für Bedürftige vornehmen. Laut dem Haushaltsbüro würde das zu Einsparungen von rund eine Billion Dollar führen, was ein Defizit von 2,7 Billionen Dollar beließe – plus die Beschneidung der Sozialhilfen für Millionen von Bedürftigen.
In seinem eigenen sozialen Netzwerk Truth Social sinnierte Trump derweil, der "einfachste Weg, Geld in unserem Haushalt zu sparen", sei die Streichung von staatlichen Subventionen und Verträgen für Musks Elektroautos und sein Raumfahrtprogramm SpaceX. "Ich war immer überrascht, dass Biden es nicht getan hat", fügte der Präsident hinzu – binnen weniger Stunden stürzte die ohnehin gebeutelte Tesla-Aktie um 14 Prozent.
Musks Antwort auf X: "Angesichts der Aussage des Präsidenten über die Kündigung meiner Regierungsverträge wird @SpaceX sofort mit der Außerdienststellung seines Dragon-Raumschiffs beginnen." Die Dragon transportiert Nasa-Astronauten und Versorgungsgüter zur Internationalen Raumstation. Kurz darauf allerdings versicherte Musk, er werde die Dragon im Einsatz belassen.
Rasch sammelten sich die jeweiligen Hilfstruppen um die beiden Alpha-Männer. Trumps einstiger Chefstratege Steve Bannon, als völkisch philosophierender Nationalist eingefleischter Gegner des global operierenden Musk, forderte am Donnerstag eine "formelle Untersuchung" von Musks Einwanderungsstatus, "da ich der festen Überzeugung bin, dass er ein illegaler Einwanderer ist und sofort aus dem Land abgeschoben werden sollte".
In der Tat gibt es Hinweise, dass Musk einst mit einem Studentenvisum von Kanada aus einreiste und illegal eine Firma in den USA gründete. Bannon forderte außerdem eine Untersuchung von Musks Drogenkonsum und insinuierte, der Unternehmer mit umfangreichen geschäftlichen Aktivitäten in China könne Peking über militärische Pläne des Pentagon informiert haben.
Und dann versuchte Musk sich wirklich in Regionen unterhalb der Gürtellinie: "Zeit, die richtig große Bombe platzen zu lassen", schrieb er am Donnerstag: "@realDonaldTrump ist in den Epstein-Akten. Das ist der wahre Grund, warum sie nicht veröffentlicht wurden. Schönen Tag noch, DJT!"
Der Vorwurf, Trump stehe in einer Verbindung zu Jeffrey Epsteins Partys für Superreiche mit minderjährigen Prostituierten, ist brisant – aber uralt. Vergangenes Jahr hatte bereits ein Gericht eine lange Liste von lebenden wie bereits verstorbenen Prominenten veröffentlicht, die aus unterschiedlichen Gründen in den Unterlagen des Finanziers auftauchten, der sich 2019 im Gefängnis das Leben nahm.
Dazu gehören Cate Blanchett, Leonardo DiCaprio, Cameron Diaz, Bruce Willis, Star-Wars-Schöpfer George Lucas, Supermodel Naomi Campbell, der Magier David Copperfield, der Astrophysiker Stephen Hawking, Michael Jackson und eben auch Donald Trump. Zudem zirkuliert seit langem ein Videoschnipsel von einer Trump-Party 1992 mit vielen schönen jungen Frauen und Epstein als Gast.
Was also erleben wir gerade? Musk hat, wohl auf der Suche nach der Nähe des Präsidenten, lange die merkantilistische Zollpolitik von Trump unterstützt. Dabei ist Musk ein Anhänger der Marktwirtschaft und des globalen Freihandels – während Trump auf Protektionismus setzt und den Staat zum Oberaufseher des Marktes machen will. Diese Einsicht kann der Unternehmer nun wohl nicht mehr verdrängen.
Der Streit, der angeblich nur ein Scherz war, kam plötzlich. Aber er kommt nicht überraschend. Zwei Egos von diesen Dimensionen sind kaum fürs "Wir" geschaffen. Zwischen Präsident und Unternehmer ist keine Freundschaft entstanden, sondern eine Kumpanei auf Zeit. Mit kurzem Verfallsdatum.
Dieser Beitrag erschien durch Kooperation mit "The European".