Militär-Experten Masala und Neitzel gegen Freiwilligkeit bei Wehrpflicht
„Wir müssen die Wehrpflicht wieder einführen“, sagte der Militärhistoriker der Universität Potsdam, Neitzel, im "ntv-Salon". Es gehe dabei nicht um das Wiedereinsetzen der alten Wehrpflicht, also darum, alle jungen Männer eines Jahrgangs einzuberufen. Denn dies wären einfach zu viele. Aber fünf Prozent eines Jahrgangs, so Neitzel, sollten zur Bundeswehr beordert werden – nach dem schwedischen Modell.
Auf freiwilliger Basis, wie nun im Koalitionsvertrag festgehalten, werde das nicht gelingen, „das muss man ganz einfach so sagen“, sagte Neitzel. „Diese Sache mit der Freiwilligkeit, die die SPD das da reingeschrieben hat - da musste ich mich erst mal ärztlich versorgen lassen.“
Es sei bedauerlich, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius bereits in der letzten Legislaturperiode daran gescheitert sei, die Einführung der Wehrpflicht nach dem schwedischen Modell auf den Weg zu bringen. Schuld daran sei Olaf Scholz gewesen. „Weil Bundeskanzler Scholz es offensichtlich besser weiß und sagte: 'Wir haben kein Personalproblem.' Das war gelogen. Der Mann hat, leider, muss man sagen, dem Land schweren, schweren Schaden zugefügt. Denn wir haben einfach ein Jahr Zeit verloren." Neitzel geht davon aus, dass Pistorius für Scholz "zu erfolgreich" wurde und deshalb ausgebremst werden sollte. "Das war in einer politischen Logik wichtiger, als zu sagen: right or wrong, my country - wir müssen diese Zeitenwende umsetzen'.“

„Jetzt ist die SPD offenbar ein Sicherheitsrisiko"
Warum die SPD im Koalitionsvertrag die Freiwilligkeit bei der Wehrpflicht eingefügt habe, sei ihm unklar, sagte Neitzel weiter. „Dieser Vorschlag geht ja hinter Boris Pistorius zurück. Und er saß mit im Verhandlungsteam. Da sieht man, wie die SPD tickt.“ Ohne Pflicht funktioniere das schwedische Modell schlicht nicht, so Neitzel, „und wer das nicht begreift, sollte auch kein Regierungsamt übernehmen“. Abschließend kommentierte Neitzel: „Jetzt ist die SPD offenbar ein Sicherheitsrisiko.“
Der Politologe Carlo Masala wies darauf hin, dass mit der Freiwilligkeit bei der Wiedereinsetzung der Wehrpflicht die erwünschte und notwenige Truppenstärke nicht erreicht werde. „Wir kriegen die Lücke zwischen 183.000 Soldatinnen und Soldaten, die aktuell dienen, und den 203.000, die eigentlich dienen sollten, jetzt schon seit zehn Jahren nicht geschlossen“, sagte Masala. Wenn man bedenke, dass nach dem Nato-Treffen im Juni noch einmal neue Anforderungen an die Bundeswehr gestellt würden, werde diese Lücke noch größer. „Das heißt, Pi mal Daumen, noch mal 30.000 Männer und Frauen mehr.“
„Nein, es passiert erst mal gar nichts“
Daher müsse die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte nun dringend „vollumfänglich hochgezogen werden“, sagte der Professor der Bundeswehr-Universität in München. Wichtig dazu sei vor allem auch das Selbstverständnis der Truppe. „Der Mindset in der Truppe muss sich ändern, der ist nicht auf Landesverteidigung und Bündnisverteidigung eingestellt“, so Masala. Gleichzeitig müsse die Truppe so ausgerüstet werden, „dass sie wirklich alles hat, was sie braucht, um sich im Ernstfall verteidigen zu können“.
Masala und Neitzel sprachen sich dafür aus, die Reform der Bundeswehr und die Verteidigungsfähigkeit des Landes zu einer Aufgabe des ganzen Kabinetts zu machen. „“Ein Verteidigungsminister ist immer nur einer von 16 oder 17 Kabinettsposten“, sagte Neitzel. Die Bundeswehr sei aber sehr komplex und der Verteidigungsminister brauche immer Unterstützung anderer Ressorts. „Das ist wirklich eine Kabinettsaufgabe“, pflichtete Masala bei.
„Sie brauchen die Unterstützung des Justizministers. Sie brauchen die Unterstützung des Arbeitsministers, der Bauministerin“, ergänzte Neitzel. Deswegen sei es sinnvoll, nach britischem Vorbild ein „Subcommittee“, einen Unterschuss im Kabinett zu bilden. Dort könnten dann „fünf, sechs, sieben Minister, darunter der Verteidigungsminister, die Aufgabe haben: ‚Löst das. Macht die zehnte Panzerdivision kriegstüchtig‘.“ Die Politik müsse dringend ins Handeln kommen, so Neitzel. Denn Worte reichten nicht. „Das ist ein Problem von Politik. Die sagen ‚Zeitenwende‘ und denken, jetzt ist es geschehen. Nein, es passiert erst mal gar nichts.“