Attacke auf Scholz und Habeck: Lindner holt vor Bundestagswahl Kanzler-Zitate aus 2022 hervor

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Beim Untersuchungsausschuss im Bundestag teilte Christian Lindner am Abend seine Sicht des Atomausstiegs. Habeck und Scholz machte er enorme Vorwürfe.

Berlin – Während die Bundestagswahl immer näher rückt, werden Debatten im politischen Berlin weiter in jenem rauen Ton geführt, der sich seit dem Ende der Ampel-Koalition etabliert zu haben scheint. Zutage trat der am Mittwoch jedoch aus etwas anderem Anlass als dem gewohnten: Im Rahmen des Untersuchungsausschusses zum Atomausstieg. Hintergrund ist, dass die Bundesregierung 2022 infolge der Energiekrise durch Ukraine-Krieg entschieden hatte, die bundesweit letzten drei Atomkraftwerke doch noch länger als geplant am Netz zu lassen.

Der Atomausstieg verschob sich damit vom 31. Dezember 2022 auf den 15. April 2023. Prüfen sollte der Untersuchungsausschuss nun, ob die Laufzeitverlängerung der drei letzten deutschen Kernkraftwerke unvoreingenommen geprüft wurde. Nachdem am Mittwoch zunächst der noch amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) als Zeugen auftraten, teilten am Abend auch Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ihre Sicht der Dinge mit. Doch das blieb nicht ohne Zündstoff.

Lindner kritisiert Habecks Grüne bei Ausschuss zu Atomausstieg

Ende Februar 2022, nur drei Tage nach Beginn des Ukraine-Kriegs, hatte Habeck versprochen, eine potenzielle Laufzeit-Verlängerung der drei verbliebenen Kernkraftwerke ergebnisoffen zu prüfen: „Es gibt keine Denkverbote“, sagte Habeck am 27. Februar 2022 im ARD-Bericht aus Berlin. Dass sich das von Habeck geführte Wirtschaftsministerium und das Umweltministerium unter Lemke nur kurz darauf, am 7. März 2022, auf das genaue Gegenteil einigten, sorgte besonders bei CDU und CSU für Misstrauen. Als Resultat stand der Antrag auf eben jenen Untersuchungsausschuss.

Im Rahmen des Untersuchungsausschusses im Bundestag erinnerte sich Lindner am Abend an die Entscheidungsfindung des Atomausstiegs im Sommer 2022. Und macht seinen Ex-Ampel-Partnern schwere Vorwürfe.
Christian Lindner (FDP) beim Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg © picture alliance/dpa | Carsten Koall

Vor ihm nun zeigte sich Lindner am Abend so gesprächsbereit wie angriffslustig: Während der Ex-Bundesfinanzminister ansetzte, die Entscheidungsfindung der Ampel-Koalition zur verlängerten Laufzeit der verbliebenen drei Atomkraftwerke aus seiner Sicht zu schildern, holte er dabei rasch zu einem kritischen Rundumschlag gegen die Grünen beim damaligen Atomausstieg aus. Als 2022 um den Atomausstieg gerungen wurde, seien die Ampel-Regierungspartner nach monatelanger Krisenbekämpfung schlicht an einem Punkt angekommen, an dem die Regierungsarbeit kompliziert wurde, beschreibt Lindner die damalige Gemengelage.

„Die bei anderen Themen bestehende Bereitschaft, undogmatische Entscheidungen zu treffen, stieß beim Thema Kernkraft an seine Grenzen“, sagte Lindner mit Blick auf die Grünen, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet. Rückblickend seien parteipolitische und taktische Erwägungen bedeutender gewesen, als Lindner es damals wahrzunehmen glaubte.

Lindner bemängelt im Untersuchungsausschuss falsche Darstellungen Habecks zum Atomausstieg

Wegen der durch den Ukraine-Krieg und Sanktionen gegen Russland losgetretenen Energiekrise stiegen die Preise auf den Rohstoffmärkten in Europa in den ersten Monaten 2022 rasant an. Aus diesem Grund hätte der Ex-Bundesfinanzminister damals die Position vertreten, möglichst viele eigene Kapazitäten zur Stromerzeugung am Netz zu halten. „Wir hätten jedes Kraftwerk weiterbetreiben müssen, das günstigeren Strom als die teuren Gaskraftwerke geliefert hat“, wird Lindner vom Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zitiert.

Deshalb habe er sich zum damaligen Zeitpunkt dafür eingesetzt, die drei letzten Atomkraftwerke „Emsland“, „Isar 2“ und „Neckarwestheim 2“ mit neuen Brennstäben auszustatten. Daneben habe er auch als Option erwogen, die schon Ende 2021 vom Netz genommenen Weiler „Brokdorf“ und „Gundremmingen C“ zu reaktivieren, um die Auswirkungen der Energiekrise abzumildern.

Beim Wirtschaftsministerium sei das aber von Beginn an auf Widerstand gestoßen. „Entgegen der guten Zusammenarbeit in anderen Bereichen mussten wir als Finanzministerium unsere Beteiligung aktiv einfordern“, erinnert sich Lindner. Anschließend habe er die Vollständigkeit von Habecks Schilderungen zu Beratungen mit Energieversorgern angezweifelt, weil sie mitunter nur wenig plausibel gewirkt hätten. Auch deshalb hätte Lindner selbst das Gespräch mit Energieversorgern suchen müssen, doch die daraus gewonnenen Erkenntnisse „wichen teilweise deutlich von den Darstellungen des Wirtschaftsministeriums ab“, führte er aus.

Beim Ausschuss zum Atomausstieg: Lindner holt Scholz-Zitat von 2022 hervor

So hätte sich herausgestellt, dass Brennstäbe für einen AKW-Weiterbetrieb entgegen Habecks Aussagen doch preisgünstig hätten bereitgestellt werden können, was für zusätzliches Misstrauen an den Darstellungen des Grünen-Politikers gesorgt hätte. Deshalb, so Lindner, habe er auf ein Gespräch mit Habeck, Bundeskanzler Scholz und den Kraftwerksbetreibern gedrängt. Bei jenem Gespräch jedoch habe Scholz „teilweise überrascht“ reagiert, betont Lindner. „Interessant, was man hier so erfährt“, habe Scholz dabei konkret gesagt.

Nachdem sich in einem „intensiven Verhandlungsprozess“ auf einen Weiterbetrieb der drei Meiler um wenige Monate geeinigt wurde, ließ die formale Finalisierung des Beschlusses Lindner zufolge aber noch auf sich warten. Grund dafür sei Lindner zufolge eine „komplexe“ politische Lage der Grünen angesichts ihres nahenden Bundesparteitags im Oktober 2022 gewesen. Deshalb sei, so Lindner, eine Finalisierung nach dem Grünen-Parteitag vereinbart worden.

Weil die politische Lage wegen des im Oktober 2022 anstehenden Bundesparteitags der Grünen „komplex“ gewesen sei, habe man vereinbart, die formale Finalisierung der Einigung erst nach Abschluss des Delegiertentreffens vorzunehmen, berichtet Linder. Und dann macht der FDP-Politiker Bundeskanzler Scholz einen herben Vorwurf: „Nach meiner Erinnerung hat der Bundeskanzler in Aussicht gestellt, seine Richtlinienkompetenz zu nutzen, um die Kommunikation zu erleichtern.“ Hat Scholz das eigene Machtwort zum Atomausstieg also nur inszeniert, um Habeck politischen Druck zu ersparen? Ein schwerer Vorwurf Lindners, der sowohl Habeck als auch Scholz im verkürzten Wahlkampf einiges an Glaubwürdigkeit einbüßen lassen könnte. (fh)

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