Atomausstieg: Untersuchungsausschuss nähert sich dem letzten Akt

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Das war‘s: Seit 15. April 2023 wird in Isar 2 sowie den anderen beiden verbliebenen deutschen Reaktoren keine Atomenergie mehr erzeugt. © Armin Weigel/dpa

Nach knapp sechs Monaten nähert sich der Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg seinem Ende. Doch Klarheit herrscht in einigen Punkten immer noch nicht.

An markigen Worten mangelte es nicht. Von „alternativen Fakten“, also knallharten Lügen, sprach Unions-Fraktionsvize Jens Spahn, Parteifreunde geißelten eine ideologiegetriebene Politik der Ampel-Koalition. Der Ausstieg aus der Atomenergie und seine turbulenten letzten Kapitel im Herbst und Winter 22/23 beschäftigen die Politik bis heute. Nun steigt der letzte Akt.

Seit Juli befasst sich ein Untersuchungsausschuss mit der Entscheidung, die letzten drei deutschen Reaktoren – Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 – im April 2023 endgültig abzuschalten, trotz des Krieges in der Ukraine, gestiegener Energiepreise und Zweifeln an der Versorgungssicherheit in Deutschland. Es sei zu prüfen, kündigte damals der CSU-Energiepolitiker Andreas Lenz an, ob „kritische Stimmen systematisch unterdrückt“ worden seien.

Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg: Thema ist politisch aufgeladen

Sechseinhalb Monate sind seitdem vergangen, fast 40 Zeugen befragt, doch viel mehr Klarheit herrscht auch heute nicht, wenn die letzten Befragungen anstehen. Der Ausschussvorsitzende Stefan Heck (CDU) betont zwar, die Anhörungen hätten „keine Beweise“ erbracht, dass die Prüfung in den Ressorts von Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) tatsächlich ergebnisoffen verlaufen sei. Umgekehrt gilt allerdings das Gleiche. Es gibt auch keine handfesten Belege für eine Voreingenommenheit der Entscheider.

Als der Ausschuss sich im Sommer formierte, war ein Vorziehen der Bundestagswahl noch nicht abzusehen, doch schon damals war das Thema parteipolitisch aufgeladen. Auslöser war ein Bericht des Magazins Cicero im April 2024, wonach sowohl im Wirtschafts- als auch Umweltministerium interne Bedenken gegen den endgültigen Ausstieg aus der Atomenergie abgeblockt worden seien. Nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine und seinen energiepolitischen Auswirkungen war der für Ende 2022 vorgesehene Schritt wieder infrage gestellt worden, nicht nur von der Union, sondern innerhalb der Regierung auch von der FDP. Im Oktober 2022 entschied Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die letzten Reaktoren dreieinhalb Monate länger laufen zu lassen. Seit 15. April 2023 produziert Deutschland endgültig keine Atomenergie mehr.

Bundesregierung will an grünem Stahl festhalten

Die Bundesregierung hat mit Unverständnis auf die Kritik der Union an der Förderung der klimafreundlichen Herstellung grünen Stahls reagiert. „Das Ziel, grünen Stahl herzustellen, das sollte man nicht leichtfertig aufgeben, und den Klimaschutz sollte man auch nicht leichtfertig in Frage stellen“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Dies sei „ein Weg, der jetzt konsequent weitergegangen werden muss, um die Stahlproduktion in Deutschland, in Europa, auch im Zeitalter des Klimaschutzes möglich zu machen“. CDU-Chef und Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz hatte am Montag dem schnellen Umstieg auf so genannten grünen Stahl eine Absage erteilt. Merz verwies auf den Mangel an Wasserstoff, außerdem sei grüner Stahl immer noch deutlich teurer als „konventionell erzeugter“ Stahl. Mit Blick auf den Klimaschutz insgesamt forderte Merz: „Diese ideologischen Festlegungen in der Energiepolitik, die müssen wir beseitigen.“ Mit seinen Äußerungen hatte der CDU-Chef scharfe Kritik von Politik und Wirtschaft provoziert.

Letzter Tag im Untersuchungsausschuss: Scholz und Habeck stehen Rede und Antwort

Selbst in der streiterprobten Ampel ist die Atomkraft eines der besonders kontroversen Themen gewesen – und ist es noch immer. Das zeigte sich auch gestern, als Lemke, der frühere Finanzminister Christian Lindner (FDP) sowie Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) vor dem Untersuchungsausschuss aussagten. Die Umweltministerin betonte, „die Gewährleistung der nuklearen Sicherheit“ sei „nicht verhandelbar“ gewesen. Letztlich sei es damals um eine von zwei Möglichkeiten gegangen, wenn man die Reaktoren länger in Betrieb hätte halten wollen. Eine mehrjährige Verlängerung sei wegen fehlender Kontrollen nicht zur Debatte gestanden. Die Betreiber hätten für diesen Fall die Verantwortung für Kosten und Risiken an den Staat übertragen wollen. Weil zudem die genutzten Brennstäbe erschöpft gewesen seien, habe sie auch einen mehrmonatigen Streckbetrieb abgelehnt – der dann aber doch kam.

Das letzte Kapitel des Untersuchungsausschusses wird heute geschrieben. Dann sagen mit Scholz und Habeck die beiden ranghöchsten Regierungsvertreter aus. Mit ihnen liegt die Zahl der Befragungen bei knapp 40, das ist eine Menge (zumindest für die neuwahlbedingt verkürzte Laufzeit des Ausschusses), aber auch nicht außergewöhnlich viel. Anders wäre es gewesen, hätte die Union ihre ursprünglichen Vorstellungen umgesetzt. Im Oktober umfasste die Liste der von ihr benannten Zeugen noch über 500 Namen.

So ist das bei Untersuchungsausschüssen. Sie dienen der Wahrheitsfindung, aber immer auch der parteipolitischen Konfrontation und nicht zuletzt der Außenwirkung. Stefan Heck, der Vorsitzende, formulierte dann auch bereits vor den letzten Aussagen seine Botschaft: „Alle, die an entscheidender Stelle tätig waren, sind einen klaren Anti-Atomkurs gefahren.“ (Marc Beyer)

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