Kläranlage Schongau ist Vorreiter in Sachen Energie

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Blick von oben auf die Kläranlage in der Rösenaustraße: Das Mitarbeiterteam ist ständig dabei, nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen. © Hans-Helmut Herold

Die Abwasserreinigung ist mit der größte Energieverbraucher der Stadt. Die Kläranlage ist aber völlig autark, es wird sogar mehr Strom erzeugt, als man selbst benötigt. Wie das funktioniert, und was dafür in den vergangenen Jahren alles getan wurde, zeigte sich bei einer Veranstaltung im Rahmen des „Klimafrühlings“.

Schongau – Wie so eine Kläranlage funktioniert – eine ungefähre Vorstellung hat vermutlich jeder. Vorklärbecken, Faulturm, Nachklärung, Schlammtrocknung – im Sachkundeunterricht der 3. Klasse Grundschule ist dies großes Thema. Was man aber in Schongau, teils auf recht unkonventionellem Wege, auf die Beine gestellt hat, um die Kläranlage technisch zu optimieren, diese Einblicke konnten Besucher nun im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Klimafrühling Oberland“ bekommen.

Allein die Firma Emter leitet so viel Abwasser ein wie sonst 3000 bis 4000 Einwohner

Florian Hiemer, Technischer Leiter der Stadtwerke, und Abwassermeister Georg Mödl informierten die Besucher zunächst einmal in einem sehr kurzweiligen Vortrag über alles Wissenswerte rund um die Anlage in der Rösenaustraße. Rund 18 000 Einwohner sind an die Abwasserreinigung angeschlossen, die Abwässer kommen auch aus Hohenfurch, Schwabniederhofen, Altenstadt und Schwabbruck. Zwei der größten Abwasserlieferanten: die Deponie der EVA in Erbenschwang und die Firma Emter auf Altenstadter Flur. Diese Firma mache die Abwassereinleitung in einer Größenordnung von 3000 bis 4000 Einwohner aus.

Begonnen hatte man in Schongau 1960 mit einem sehr einfachen Klärwerk mit nur einem Faulturm. 1975 kam ein zweiter Faulturm hinzu samt der Möglichkeit der biologischen Reinigung. Seit 1990 funktioniert die zusätzliche chemische Phosphatfällung. „Wir hatten manchmal so viel Schaum in der Kläranlage, dass der Schneepflug fahren musste“, berichtete Mödl. 2002 folgte eine weitere Erweiterung mit Stickstoff-Elimination.

Gebläse die größten Energieverbraucher

Seit dieser Zeit ist viel passiert: Die größten Energieverbraucher seien die Gebläse, die Sauerstoff in die Klärbecken brächten, so Mödl. An dieser Stellschraube habe man ständig gedreht. Insgesamt konnte der spezifische Stromverbrauch der Anlage seit 2009 fast halbiert werden auf aktuell knapp 23 kWh pro Einwohner im Jahr.

Führten durch das Klärwerk und beantworteten alle Fragen: Abwassermeister Georg Mödl (links) und Florian Hiemer (ganz rechts).
Führten durch das Klärwerk und beantworteten alle Fragen: Abwassermeister Georg Mödl (links) und Florian Hiemer (ganz rechts). © Hans-Helmut Herold

„Wir versuchen seit 20 Jahren, überall besser zu werden“, so Mödl. Die Optimierungen basierten vielfach auf eigenen Ideen und würden auch in Eigenleistung umgesetzt. Das Schongauer Klärwerk verfügt etwa über eine eigene, gut ausgestattete Werkstatt, sodass Reparaturen ohne Fremdfirmen möglich seien. „Wir brauchen keinen externen Berater, da sind wir auch stolz drauf“, so der Abwassermeister. Wobei man ständig im Austausch stehe mit Betreibern anderer Kläranlagen, wovon alle profitierten. „Das spart den Gemeinden viel Geld“, ist Hiemer überzeugt. „Man berichtet über seine Fehler, und den gleichen Fehler muss ein anderer nicht noch einmal machen“, so Mödl.

Biogas, das im Faulturm entsteht, betreibt Blockheizkraftwerk

Die Energiegewinnung erfolgt im Klärwerk Schongau über Biogas – bis zu 39 Grad warmes Klärgas, das im Faulturm entsteht, betreibt ein Blockheizkraftwerk – und das sogar mit Überschuss. Eine Win-Win-Situation ergibt sich seit der Verwendung von sogenannter Spülmilch, einem Abfallprodukt, das bei der Schongauer Firma Hochland entsteht und nun in der Kläranlage den Zersetzungsprozess befeuert. „Ein Leckerli für die Bakterien im Faulturm“, wie es Mödl nannte.

3,7 Kubikmeter Spülmilch erzeugen pro Tag 222 Kubikmeter Klärgas. Mit dieser Menge Klärgas lassen sich 444 kWh Strom pro Tag und 800 kWh Wärme erzeugen. Im Vergleich hierzu entstehen aus einem Kubik Rohschlamm in einem Klärwerk ohne diese Sonderbehandlung nur etwa acht bis zehn Kubikmeter Klärgas.A

Abfallprodukt „Spülmilch“ von Hochland erzeugt hunderte Kubikmeter Klärgas pro Tag

Der Eigenstromanteil der Anlage konnte durch die Nutzung der Spülmilch auf 98 Prozent erhöht werden – ohne Solaranlage gerechnet. Im Sommer habe man mehr Strom, als man verbrauchen könne. Alle Heizungen wurden abgeschaltet, was zwischen 4000 und 6000 Liter Heizöl im Jahr spart plus Propangas – „für Investitionskosten, die kaum der Rede wert waren“, so Hiemer.

Längst rentiert hat sich auch die solare Klärschlammtrocknung: „Klärschlammschwein Nepomuk“, ein Minibagger, wälzt binnen einer Stunde den Klärschlamm in einer 500 Quadratmeter großen Halle komplett um. Dem Schlamm werde fast ohne Energieaufwand das Wasser entzogen. Das Verfahren ist effektiv, und das Restprodukt, das entsorgt werden muss, entsprechend leicht. 600 Tonnen Gewicht werden pro Jahr eingespart. Der trockene Klärschlamm wiederum wird bei der Altenstadter Entsorgungsfirma Emter noch thermisch verwertet.

Weitere Verbesserungen können nun nicht mehr so einfach angepackt werden

Im Vergleich mit anderen bayerischen Kläranlagen steht Schongau sehr gut da, was jüngst auch bei der Untersuchung zum Energienutzungsplan betont wurde. Weitere Verbesserungen könnten nun aber nicht so einfach angepackt werden. Ein dringendes Thema sei das Fremdwasser in den Kanälen. „Daran arbeiten wir noch“, so Hiemer. Und Mödl wünscht sich für die Zukunft vor allem eins: Die vierte Reinigungsstufe so rasch wie möglich umzusetzen, um auch die Medikamentenrückstände aus dem Abwasser zu eliminieren. Mödl: „Wir könnten das anpacken in Schongau, aber das wird seitens der Regierung leider noch nicht angegangen.“

Einer der größten Energieverbraucher im Landkreis ist die Schongauer Firma UPM. Auch diese öffnete die Türen im Rahmen des Klimafrühlings, was auf großes Interesse stieß.

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