„Typisches Vorgehen hirnloser Diktatoren“: Forscher geht mit Trumps Harvard-Politik hart ins Gericht
US-Präsident Trump will ausländischen Studenten das Studium an der Harvard-Universität verbieten. Alzheimer-Forscher Prof. Christian Haass aus Icking referiert diese Woche in Harvard – und verurteilt Trumps Vorgehen auf das Schärfste.
Icking/Harvard – Seit der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, ausländischen Studenten das Studium an der Harvard-Universität verbieten zu wollen, steht die Welt der Wissenschaftler Kopf. Der Ickinger Prof. Christian Haass, einer der weltweit renommiertesten Alzheimer-Forscher, startete nach seiner Doktorarbeit in Biochemie an der Bostoner Universität als Post-Doktorand einst seine wissenschaftliche Karriere. Diese Woche gastiert er dort als Referent. Vor seinem Abflug sprach er mit unserer Zeitung. Für Trumps Vorgehen findet er deutliche Worte.
Referiert in Harvard: Ickinger Alzheimer-Forscher über Trumps Vorgehen
Herr Professor Haass, Sie gingen 1990 als Post-Doktorand nach Harvard, hatten von 1992 bis 1995 dort auch eine Professur. Wie würden Sie die damalige Situation an der Uni beschreiben?
Ausländische Wissenschaffende wurden mit offenen Armen empfangen, die Elite-Universitäten weltweit haben um uns konkurriert. Die Internationalität war unglaublich bereichernd. Ich habe damals so viel über andere Kulturen gelernt, es war wunderbar. Und es herrschte die absolute wissenschaftliche Freiheit. Niemand hat uns bevormundet, niemand hätte auch nur im Traum daran gedacht, ganze Wissenschaftsgebiete zu verbieten.
Und wie sieht die aktuelle Situation aus?
Eine einzige Katastrophe. Trump bezeichnet Harvard-Professoren als „woke, extreme left, idiots and bird brains“. Nun startet er seinen Rachefeldzug gegen Intellektuelle, indem er Harvard nicht nur die Finanzierung massiv reduziert, sondern auch Steuervergünstigungen, die Stiftungen erleichtern, streicht. Als ob all diese vermutlich verfassungswidrigen Dummheiten nicht schlimm genug sind, sollen auch internationale Studierende der Universität verwiesen werden. Sie müssen sich praktisch über Nacht eine neue Universität suchen, oder sie verlieren ihr Aufenthaltsrecht. Kaum zu glauben, diese Studierenden haben sich als die besten Köpfe international für ein Studium an der Harvard Universität qualifiziert. Ihre Eltern haben sich oft in gewaltige Schulden gestürzt, um diesen jungen Ausnahmetalenten eine der besten Ausbildungen der Welt zu ermöglichen. Das alles interessiert den mächtigsten Mann der Welt nicht. Er muss enorme Angst vor kritisch denkenden Menschen haben – ein typisches Symptom hirnloser Diktatoren. Wir kennen das ja nur zu gut aus unserer eigenen Geschichte.
Oberbayerischer Forscher über die Konsequenzen von Trumps Politik
Wie Sie sagen, ist die wissenschaftliche Forschung in den USA bislang geprägt von Internationalität. Welche Konsequenzen hat Trumps aktuelle Politik?
Es wird einen Exodus vieler Wissenschaftler geben. Sie werden sich neue Orte suchen, an denen sie frei forschen können. Forschungsfreiheit ist ein großes Gut und gehört zur Grundausstattung der Demokratie. Amerika wird nicht nur viele herausragende Forschende verlieren, sondern gleichzeitig für den Nachwuchs eine Karriere als Forscher unattraktiv machen. Wer will schon sein Leben der Forschung widmen, wenn der oberste Staatenlenker nach Gutdünken Forschungsthemen verbietet, laufende Forschungsanträge willkürlich streicht und aktiv eine Stimmung der Angst verbreitet? Selbst alteingesessene, etablierte Harvard-Professoren und Professoren anderer Eliteschulen schweigen lieber, um sich nicht den Zorn des Präsidenten zuzuziehen. Einziger Lichtblick: Vielleicht können wir einige der besten Köpfe für unsere Universitäten gewinnen? Wir haben gerade ein Exzellenzcluster erhalten und können hier in Zusammenarbeit mit der NOMIS Stiftung Postdoktoranden auf sehr gut dotierte und längerfristige Stellen berufen. Wir werden diese höchst attraktiven Stellen ganz gezielt in den USA ausschreiben.
Was könnte noch passieren?
In den USA wird nicht nur der beste Forschungsstandort der Welt durch eine korrupte Staatsführung zerstört, sondern der Boden für die Übernahme durch die Konkurrenz bereitet. China wird nicht lange warten und die Führungsmacht der USA in der Forschung übernehmen. Was das für die amerikanische Wirtschaft, für Innovationen und vielleicht auch für unser aller Freiheit bedeutet, brauche ich nicht weiter zu erklären.
(Übrigens: Alles aus der Region gibt‘s jetzt auch in unserem regelmäßigen Wolfratshausen-Geretsried-Newsletter.)
„Forschung funktioniert nur international“
Sie sind sehr gut vernetzt mit Ihren Kollegen in Harvard und vielen anderen Standorten. Wie offen und ehrlich gehen die amerikanischen Forscher mit der von Trump propagierten Parole „America first“ um? Freuen sie sich vielleicht sogar über weniger Konkurrenz aus dem Ausland?
Nein, Forschung funktioniert nur international. Alle meine amerikanischen Kollegen sehen mit Entsetzen, dass ihnen der Draht zu ihren Kollegen im Ausland abgeschnitten wird und auch der internationale Nachwuchs, der schon immer für die gewaltige Forschungskraft der amerikanischen Elite-Universtäten gesorgt hat, versiegt. Was Trump und Genossen offenbar nie verstanden haben, ist die unglaubliche Internationalität der Labors bei Harvard. Als ich dort arbeitete, kamen die Wissenschaffenden aus aller Welt, amerikanische Postdocs waren in der Minderheit. Und: Wir ausländischen Forscher haben uns selbst bezahlt. Fast alle kamen mit Stipendien aus ihren Heimatländern. Die USA bekamen die besten Köpfe kostenlos. Aber das scheinen der US-Präsident und seine Mitstreiter nicht zu verstehen. Man fragt sich wirklich, wo da die bird brains sind.
Sie hatten Ihr Sabbatical ans Ende Ihrer beruflichen Laufbahn gehängt und wollten 2026 unter anderem drei Monate in Harvard verbringen. Welche Konsequenzen hat das Verbot von ausländischen Studenten in Boston für Sie persönlich?
Ich werde da nicht hingehen. Ich möchte es nicht riskieren, von einem erratischen Diktator über Nacht vor die Tür gesetzt zu werden. Der große Reiz der Internationalität geht verloren, und in einer Stimmung von Angst und Willkür kann Forschung nicht gedeihen. Ich werde in meinem Vortrag am Donnerstag meine Kollegen mit einer flammenden Bitte zum Widerstand gegen diese unsinnige und korrupte Politik aufrufen. Ich kann nur sagen: Wehret Euch der Anfänge! Die Geschichte hat nur zu oft gezeigt, was passiert, wenn nicht rechtzeitig couragiert eingegriffen wird. Wo Kunst und Wissenschaft bevormundet wird, kündigt sich das Ende freiheitlicher Demokratien an.