Dass eine Landesregierung unter Beteiligung der Grünen eine Beschränkung des Ausbaus von Windrädern verhindern will, klingt ungewöhnlich. Genau das ist in Nordrhein-Westfalen aber passiert: Dort hat der Landtag in Düsseldorf am Donnerstag mit den Stimmen der schwarz-grünen Regierungsmehrheit ein sogenanntes Genehmigungsmoratorium für Windkraftanlagen außerhalb bestimmter Planungszonen beschlossen. Der Bau von insgesamt 1400 Windkraftanlagen soll somit verhindert werden.
Wilder Westen bei der Windkraft
Dabei haben sich CDU und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag den Bau tausender neuer Windräder zum Ziel gesetzt. Warum jetzt also diese Einschränkung? Die Anlagen sollen zukünftig nur noch in sogenannten Vorranggebieten entstehen. Das Problem: Diese Anlagen werden erst bis Ende des Jahres rechtswirksam ausgewiesen. Bis dahin herrscht Wilder Westen beim Windkraft-Ausbau – über den sich viele Bezirke in NRW heftig beschweren.
Bereits im letzten Jahr hatte Schwarz-Grün zweimal versucht, das Landesrecht entsprechend abzuändern, musste aber jeweils eine Schlappe vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hinnehmen. Die Begründung: Nur der Bund dürfe die Regeln ändern.
Die „Lex Sauerland“
Und genau dieser Bund hilft jetzt aus: Am Freitag haben SPD und Grüne zusammen mit der Union im Berliner Bundestag eine Reform des sogenannten Bundes-Immissionsschutzgesetzes beschlossen. Damit soll der Bau von Windrädern außerhalb der sogenannten Vorranggebiete empfindlich erschwert werden – außer die angrenzenden Gemeinden wünschen den Bau ausdrücklich. Vor allem CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte sich für die Reform eingesetzt – in seinem Wahlkreis im Sauerland gab es besonders viele Beschwerden. Kritiker verspotteten die Reform daher auch als „Lex Sauerland“.
Weil die Reform aber nur einen Teil der 1400 Wildwuchs-Windräder stoppen würde, geht der NRW-Landesregierung die Hilfe aus Berlin nicht weit genug – daher das sechsmonatige Komplett-Moratorium. „So gelingt es, Akzeptanz zu erhalten und die Energiewende voranzubringen“, sagte Christian Untrieser, der energiepolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag. Und Grünen-Energiesprecher Michael Röls-Reitmann betonte in einer Stellungnahme die Rechtssicherheit, die es nun für die geplanten Vorranggebiete gebe.
„Rechtlich dünnes Eis“
Mit dem NRW-Alleingang sind jedoch viele unglücklich – die Energiebranche, aber auch Forstverbände. Viele Waldbesitzer sind auf die Einnahmen von Windkraftprojekten mittlerweile angewiesen. „Flächeneigentümer und Investoren haben im Vertrauen auf die bisherigen gesetzlichen Rahmenbedingungen vielerorts bereits erhebliche vor allem finanzielle Vorleistungen erbracht“, sagt Max von Elverfeldt, Vorsitzender des Verbands Familienbetriebe Land und Forst NRW. „Diese Vertrauensbasis darf nicht zerstört werden.“
„Damit verspielt die Landesregierung viel Vertrauen und begibt sich erneut auf rechtlich dünnes Eis“, kritisiert Hans-Josef Vogel, Vorsitzender des Landesverbands Erneuerbare Energie (LEE NRW). „Die Landesregierung ist mit ihrem Vorhaben, einfach pauschal alles abzulehnen, was nicht Eingang in die bisherigen Regionalplanungsentwürfe gefunden hat, bereits zweimal krachend vor Gericht gescheitert. Jetzt versucht sie es ein drittes Mal und zieht dafür wieder die gleiche Begründung heran.“
Unglückliche SPD
Die SPD hält das NRW-Moratorium angesichts des Kompromisses im Berliner Bundestag für unnötig. „Die Einigung, wie sie zwischen den Bundestagsfraktionen CDU/CSU, Bündnis 90/die Grünen und SPD gefunden wurde, wird unterwandert und in Frage gestellt, wenn die Landesregierung im Nachgang nun zusätzlich ein Moratorium für Windenergie verfolgt“, sagt Nina Scheer, energiepolitische Sprecherin der SPD im Bundestag.
Städte- und Gemeindebund begrüßen die Regel wiederum, genau wie der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) NRW. Bei der alten Regelungslücke drohte der Naturschutz „zum Verlierer zu werden“, hieß es in einer Mitteilung.