Milliarden-Kosten, kaum Auslastung - „Im Kern funktionieren nur zwei“: Die große Bilanz zu Deutschlands LNG-Terminals
Es war im Februar 2022 das Gebot der Stunde: Nachdem Russland mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine begann, setzte auch die Sorge um die Energieversorgung in Deutschland ein. Nachdem Russland die Gaslieferungen eingestellt wurden, mussten Alternativen her - und zwar schnell. Drei Jahre später stellt sich nun die Frage: Hat sich das gelohnt?
Rückblick: Abhängigkeit von russischem Gas und Diversifizierung
Kurzer Rückblick: Zum Zeitpunkt des russischen Einmarschs in der Ukraine stammte fast die Hälfte unserer Gasimporte aus Russland, seither sind die direkten Gaslieferungen Russlands an Deutschland unterbrochen. Unsere Gasimporte sind seither leicht gesunken: Im Januar 2022 importierte Deutschland monatlich rund 77 Terrawattstunden (Twh) an Gas, derzeit sind es etwa 72 Twh.
Vor allem für die Industrie war der Gasbezug wichtig, 60 Prozent unseres Verbrauchs gingen auf ihr Konto. Der Rest wurde von Privathaushalten und kleinen Gewerben genutzt, hier hauptsächlich zum Heizen. Ein geringer Anteil fand den Weg in die Stromerzeugung.
Um nach Beginn der Ukraine-Invasion vom russischen Gas loszukommen, forcierte die Bundesregierung einen schnellen Ausbau schwimmender LNG-Terminals: Große Tankerschiffe, an die Gastanker andocken, um verflüssigtes Erdgas über Gasleitungen ans Festland zu transportieren. Der Vorteil bei solchen Terminals ist, dass wir damit nicht auf Pipelines (wie aus Russland) angewiesen sind, sondern Lieferungen per Tanker aus anderen Ländern empfangen können.
Zu den größten Lieferanten nach Kriegsbeginn zählten Belgien, die Niederlande, Norwegen und die USA.
Sinkende Auslastung bei deutschen LNG-Terminals
Aus Sicht der Bundesregierung waren die Terminals also notwendig, um die Grundversorgung zu gewährleisten - das gilt vor allem für die Gasversorgung, die zu einem Drittel über LNG gedeckt werden sollte. Der Wirtschaftsverband Fuels und Energie e.V, ein Interessensverband der Mineralölindustrie, zählt derzeit fünf Terminals, von denen drei in Betrieb sind:
- Wilhelmshaven I
- Brunsbüttel
- Mukran (auf der Insel Rügen)
Geplant ist außerdem ein weiteres Terminal in Wilhelmshaven; in Stade wurde 2024 ein Terminal fertiggestellt, das derzeit aber nicht in Betrieb ist. Alle Terminals dürfen ab 2044 nur noch grünen Wasserstoff transportieren, da Deutschland bis spätestens 2045 klimaneutral sein soll.
Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH), hat die Auslastung für das vergangene Jahr und für 2023 überprüft:
- Sowohl 2023 als auch 2024 wurden knapp 6,9 Milliarden Kubikmeter Erdgas importiert. Das würde den Gesamtverbrauch der Industrie für etwa 37 Tage decken.
- LNG machte acht Prozent unserer Gesamtgasversorgung aus, das gilt sowohl für 2023 als auch 2024.
- Von unseren LNG-Importen stammen 86 Prozent aus den USA.
- Die Auslastung der Terminals schwankte stark im Vergleich zum Vorjahr: Während das Wilhelmshavener Terminal 2024 zu 64 Prozent ausgelastet war, waren das im Vorjahr noch 81 Prozent. In Brunsbüttel kletterte die Auslastung leicht nach oben, von 47 Prozent auf 49 Prozent. Und auf Rügen fiel die Auslastung um drei Prozentpunkte auf 8 Prozent.
Insgesamt, so die Rechnung von Zerger, ist die Auslastung unserer Terminals von 46 Prozent auf 40 gefallen.
Kosten: 9 Milliarden Euro bis 2038
Der Auslastung stehen die Kosten gegenüber: Bis 2038 werden uns die LNG-Terminals 9,7 Milliarden Euro kosten - ursprünglich war die Bundesregierung von 6,56 Milliarden ausgegangen. Dass es nun doch teurer als geplant wird, hängt damit zusammen, dass mehr Infrastruktur an Land gebaut werden musste und die Betriebskosten gestiegen sind. Der größte Kostenfaktor ist allerdings die verlängerte Charterdauer: Zwei Terminals werden 15 statt der ursprünglichen zehn Jahre in Betrieb sein.
Zusätzlich fallen 641 Millionen Euro an, um den Ausbau neuer Gasleitungen zu finanzieren. Und wird das geplante stationäre Terminal in Brunsbüttel wirklich gebaut, kostet das nochmal eine Milliarde Euro. Haben wir unseren Bedarf nach LNG also überschätzt? Sind die weiteren geplanten Terminals unnötig?
Experte: Brauchen keine weiteren Terminals
Zerger sieht das so. Eine vollkommene Auslastung wäre ohnehin nicht zu erwarten gewesen, so der Umwelthilfe-Vertreter. Auslastungen von 64 Prozent wie in Wilhelmshaven seien durchaus marktüblich, das sei vergleichbar mit Terminals in den Niederlanden oder Belgien. “Im Kern funktionieren aber nur zwei Terminals: Wilhelmshaven und Brunsbüttel”, sagt Zerger zu FOCUS online Earth. “Der Rest hat wie Rügen keine Nachfrage oder funktioniert gar nicht. Daran kann man schon ablesen, dass weitere Terminals nicht gebraucht werden.” Die Pläne sehen weitere Regasifizierungsschiffe in Wilhelmshaven und Stade vor - völlig unnötig, findet der DUH-Experte.
Dass die Bundesregierung nach Kriegsbeginn, inmitten der Sorgen und Unsicherheit um unsere Energieversorgung, eine schnelle, tragbare Lösung wollte, ist verständlich. Kein Regierungsvertreter will sich vorwerfen lassen, am Ende zu wenig getan zu haben. Nur: fast drei Jahre später ist die Situation anders, der Markt hat sich stabilisiert. Der Bedarf an LNG kann also jetzt neu eruiert werden.
“Und dieser Bedarf ist eben nicht, vier LNG-Tanker zu betreiben und weiterhin auf Erdgas zu setzen, meint Zerger. “Unsere Forderung ist es, dass die Projekte auf den Prüfstand kommen. Wir sollten uns fragen, ob sie wirklich notwendig sind und was klimapolitisch überhaupt noch verträglich ist.”
Sind die Terminals am Ende sogar gut fürs Klima?
Doch aus Sicht der Bundesregierung sind die LNG-Terminals gar kein Hindernis für Klimaschutz und Energiewende - im Gegenteil. Die Terminals sowie die sonstige errichtete Infrastruktur "sollen langfristig der Anlandung von Wasserstoff einschließlich dessen Derivate dienen", sagt Stephan Gabriel Haufe, Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums, zu FOCUS online Earth. "Die Standorte leisten damit in der Zukunft einen wichtigen Beitrag zur Versorgung Deutschlands und Europas mit grüner Energie und ihre Errichtung ist somit als doppelte Investition anzusehen: für die kurzfristige und mittelfristige Gasversorgung und die langfristige Wasserstoffversorgung."
Der Bau der Terminals mache die Erreichung der deutschen CO2-Ziele daher sogar wahrscheinlicher, argumentiert der Sprecher. Das wäre auch nötig: Denn bereits 2045 will Deutschland klimaneutral sein, also bereits in 20 Jahren. Dann muss mit Gas endgültig Schluss sein - egal, ob es vom Schiff oder aus der Pipeline kommt.