Stellen Sie sich vor, Sie könnten nicht nur wissen, wie lange Sie leben, sondern auch, wie lange Ihr Körper vital bleibt. Genau das verspricht die neue Kennzahl Musclespan – sie zeigt, in welchem biologischen Zustand sich Ihre Muskulatur befindet und damit, wie alt Ihr Körper wirklich ist.
Was steckt hinter "Musclespan"?
Bisher kannte man vor allem zwei Begriffe in der Langlebigkeitsforschung:
- Lifespan, also die Lebensdauer
- Healthspan, die Zeit, in der wir gesund leben.
Musclespan geht noch einen Schritt weiter: Er beschreibt die Dauer, in der Ihre Muskulatur stark, funktionsfähig und aktiv bleibt.
Das Konzept stammt aus der modernen Longevity-Forschung und wurde insbesondere durch Ärztinnen wie Gabrielle Lyon populär gemacht. Der Gedanke: Muskelmasse allein reicht nicht. Entscheidend ist, wie lange Sie diese Kraft tatsächlich nutzen können. Musclespan ist damit eine Art "biologischer Muskel-TÜV" – ein Maß für Ihr funktionales Alter.
Warum Musclespan entscheidend für Ihre Langlebigkeit ist
- Muskeln sind mehr als Kraft
Unsere Skelettmuskulatur ist ein aktives Stoffwechselorgan. Sie produziert Myokine – Botenstoffe, die Entzündungen regulieren, den Blutzucker stabilisieren und sogar das Gehirn beeinflussen. Gut trainierte Muskeln wirken daher wie eine biologische Schutzschicht gegen Alterung. - Schutz vor Gebrechlichkeit
Mit zunehmendem Alter verliert der Körper Muskelmasse – und zwar bereits ab dem 30. Lebensjahr. Wer diesen Prozess frühzeitig stoppt, verlängert seine aktive Lebensphase erheblich. Studien zeigen: Muskelkraft ist einer der besten Prädiktoren für ein langes, unabhängiges Leben. - Der stille Rückgang beginnt früh
Oft merken wir den Verlust erst, wenn es zu spät ist. Sinkende Griffkraft, langsameres Gehen oder Schwierigkeiten beim Aufstehen sind Warnsignale, dass Ihr Musclespan schrumpft. Frühzeitiges Training kann diesen Verlauf bremsen oder sogar umkehren. - Ein individueller Gesundheitskompass
Musclespan liefert eine personalisierte Perspektive: Statt sich an Durchschnittswerten zu orientieren, misst man den eigenen Verlauf – wie stark und wie beständig Sie Ihre Muskulatur über die Jahre erhalten.
Das Konzept Musclespan ist allerdings noch jung. Wissenschaftlich gibt es bislang keine einheitliche Messmethode. Ob über Krafttests, Muskelquerschnitt, Proteinstoffwechsel oder mitochondriale Leistungsfähigkeit – verschiedene Ansätze führen zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Zudem hängt die Muskelgesundheit von zahlreichen Faktoren ab: Ernährung, Hormone, Schlaf, Entzündungsstatus, Mikronährstoffversorgung und Training. Musclespan ist also kein isolierter Wert, sondern ein Spiegel Ihres gesamten Lebensstils.
Es gibt verschiedene Wege, um den eigenen Musclespan einzuschätzen und über die Zeit zu verfolgen.
Zwei Tests können Sie einfach zuhause machen:
- Die Muskelkraft können Sie ganz einfach über die Griffkraft messen: Dazu können Sie einen einfachen "Drucktest" mit einem Tennis- oder Stressball durchführen. "Drücken Sie ihn so lange, bis der Griff ermüdet. Ein guter Richtwert wäre, 15 bis 30 Sekunden lang einen maximalen Druck auf etwas wie einen Tennisball ausüben zu können“, sagt Joshua Davidson, Kraft- und Konditionsforscher gegenüber der BBC. Wenn Sie sich die Werte notieren, können Sie Ihre Griffstärke im Laufe der Zeit verfolgen. In klinischen Studien verwenden Forscher dafür ein Hand Dynamometer oder Handkraftmessgerät – ein Gerät, das Sie so fest wie möglich drücken, um die von den Muskeln in Ihrer Hand und Ihrem Unterarm erzeugte Kraft zu messen. Die Messungen sing etwas genauer und online erhältlich.
- Ein Indikator kann auch der VO2max-Wert sein: Das V steht dabei für Volumen und O2 für Sauerstoff. Der VO2max-Wert gibt an, wie viel Sauerstoff Ihr Körper beim Training verbraucht. Ein höherer Wert bedeutet, dass Herz und Lunge die Muskeln effektiver mit Blut versorgen und die Muskeln effizient Sauerstoff aus dem Blut gewinnen und nutzen. Viele Fitnesstracker zeichnen den Wert mittlerweile mit auf. Alternativ lässt sich einfach mit einem Cooper-Test die Ausdauerleistung und damit den VO2max-Wert messen. Viel genauer sind die Ergebnisse jedoch, wenn Sie einen VO2max-Test in einem Sportlabor durchführen lassen.
Wie Sie Ihren Musclespan aktiv verlängern
- Krafttraining priorisieren: Regelmäßiges, progressives Training mit Gewichten oder dem eigenen Körpergewicht ist der wichtigste Faktor für langfristige Muskelgesundheit.
- Protein clever verteilen: Täglich 1,2 bis 2,0 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht unterstützen die Regeneration und den Erhalt von Muskelgewebe.
- Schlaf und Erholung ernst nehmen: Muskeln wachsen in der Regeneration. Wer schlecht schläft oder ständig unter Stress steht, hemmt die Muskelproteinsynthese.
- Werte regelmäßig tracken: Griffkraft, Körperzusammensetzung und Trainingsfortschritte geben Hinweise auf Ihren individuellen Musclespan – und helfen, frühzeitig gegenzusteuern.
Schlüssel zur gelebten Longevity
Musclespan verändert, wie wir über das Altern denken. Statt nur das biologische Alter oder Blutmarker zu betrachten, rückt die funktionelle Leistungsfähigkeit in den Mittelpunkt.
Wer heute in seine Muskulatur investiert, investiert in Zukunftsfähigkeit – in Lebensqualität, Selbstständigkeit und Vitalität. Denn Musclespan ist letztlich nichts anderes als gelebte Langlebigkeit: die Fähigkeit, das Leben lange mit Kraft zu umarmen.
Nils Behrens ist Chief Brand Officer bei Sunday Natural, Host des Podcasts "Healthwise" und Dozent an der Hochschule Fresenius. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.