Ingenried: Geplanter Solarpark spaltet das Dorf
Es knarzt im Gebälk des sonst eigentlich stabilen Dorffriedens in der Gemeinde Ingenried. Grund ist der geplante Solarpark. Deshalb bekam dieses Thema auch einen eigenen Tagesordnungspunkt bei der Bürgerversammlung.
Ingenried – Bürgermeister Georg Saur hatte schon gewusst, warum er die diesjährige Bürgerversammlung in der Mehrzweckhalle mit einer Abhandlung zum Thema Demokratie einleitete. Immer wieder betonte er die Wichtigkeit von Toleranz, Respekt, freier Meinungsäußerung, Bürgerbeteiligung und dass man sich „immer auf Augenhöhe begegnen“ sollte. Um das wichtige Gut der Demokratie zu schützen.
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Wie sehr diese Themen gerade die Bürger in Ingenried und auch den Gemeinderat samt Bürgermeister beschäftigen, wurde im zweiten Teil der Bürgerversammlung deutlich. Zuvor informierte das Ingenrieder Gemeindeoberhaupt die rund 120 Anwesenden über Projekte und die Jahresrechnung des vergangenen Jahres. Und er präsentierte die anstehenden Investitionen.
Detaillierter Plan fürs Bürgerhaus
Großes Thema war hier das Bürgerhaus, das noch heuer in Planung gehen soll (wir berichteten). Detailliert stellte Saur einen Plan vor, wie das Großprojekt mit geschätzten Kosten von 4,7 Millionen Euro von der Gemeinde finanziert werden könnte. Dazu hatte er die Erträge des Windrads eingerechnet, das Ende 2026 abbezahlt ist. Und mögliche Mieten, denn im Bürgerhaus soll nicht nur die Gemeindekanzlei eine neue Heimat finden, sondern auch Gewerbe, und es soll bezahlbarer Wohnraum entstehen.
Die europaweite Ausschreibung sei vor zwei Wochen abgelaufen, jetzt müsse man mit den Ergebnissen arbeiten. Die optimistisch geplante Zeitschiene sieht vor, dass Ende Mai Verhandlungsgespräche stattfinden, Ende Juni soll die Vergabe der Planungen über die Bühne gehen, im Dezember die Baugenehmigung erfolgen. Und im Mai nächsten Jahres soll Baubeginn sein. „So Gott will“, fügte der Bürgermeister an.
Gewerbegebiet wird erweitert
Sicher hingegen ist, dass das Gewerbegebiet „Am ehemaligen Bahnhof“ erweitert wird: Um 20 000 Quadratmetern mit Platz für fünf neue Gewerbe. In der Fläche sind bereits Ausgleichsflächen enthalten.
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Auf etwas mehr Fläche, nämlich insgesamt 18 Hektar, soll die geplante Freiflächen-Photovoltaik-Anlage entstehen (wir berichteten). Diese ist aufgeteilt in vier Einzelflächen, wobei die kleinste davon, mit ca. 1,5 Hektar, die ein Privatmann neben dem bereits bestehenden Solarpark der EVA errichten will, nicht auf Widerstand stößt.
Dem Bürgermeister gehört eine der Flächen
Die anderen Flächen hingegen schon. In das Thema führte der zweite Bürgermeister Siegfried Magg ein, denn der erste Bürgermeister Georg Saur ist bei diesem Thema befangen. Denn: Ihm gehört eine der Flächen.
„Das Thema beschäftigt uns seit 14 Monaten, und die Diskussionen waren oft nicht angenehm“, gab Magg zu. Der Unmut, der im Laufe der Zeit in der Bevölkerung aufkam, gipfelte laut Magg auch in persönlichen Anfeindungen. Es formierte sich eine „Kritiker-Gruppe“, wie sie sich selbst nennt, die in der Folge sogar schon Unterschriften im Dorf sammelte. Gegen den Solarpark. 257 Stimmen kamen dabei zusammen, bevor die Gruppe nach einem Gespräch mit Gemeinderatsmitgliedern versprach, diese Aktion erst einmal zu unterlassen.
Alle Bürger mitnehmen, ist das Ziel
„Keiner will einen dauerhaften Streit“, ist sich Magg sicher. Auch deshalb sei dieser Punkt auf die Tagesordnung gehoben worden, um allen Beteiligten die Chance zu geben, sich zu äußern. Darunter auch Benjamin Hofbauer von der Firma „dHb Solar“, die an dem Projekt mit etwa 25 Prozent beteiligt wäre und dieses federführend leiten würde.

Hofbauer betonte noch einmal, dass man „alle Bürger mitnehmen“ wolle. Sei es durch eine direkte Bürgerbeteiligung – bei einer geschätzten Investitionssumme in Höhe von 16 Millionen Euro wäre da viel Luft –, oder auch durch ein sogenanntes Anwohnerstrom-Modell, bei dem die Bürger den erzeugten Strom direkt aus dem Solarpark beziehen könnten – 20 Prozent unter dem regulären Marktpreis.
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„So viele Menschen wie möglich sollen sich an der Wertschöpfung im Ort beteiligen können“, versprach er. Um weitere Vorbehalte der Bevölkerung auszuräumen, hatte er zudem Grafiken im Gepäck, die die Optik der Freiflächen-PV-Anlagen in der Landschaft simulierten.
Eigenes Umspannwerk und Speicher
Als er bei der wohl umstrittensten Fläche am „Bidinger Weg“ im Hinblick auf das Panorama meinte: „Da geht der Park doch unter“, erntete er aus den Kritiker-Reihen spöttisches Gelächter.
Unbeirrt zeigte Hofbauer die Zukunftschancen des Solarparks auf: Mit einem eigenen Umspannwerk und einem Speicher von 30 Mega-Watt (MW) könne man nicht nur Netzstabilität bieten, man könne auch die Stromversorgung selbst steuern. Und irgendwann auf Wärme- oder Wasserstoffproduktion erweitern.
Maximale Transparenz
Georg Saur, der als nächstes an die Reihe kam, abwechselnd in seiner Rolle als Bürgermeister, aber auch als eines von acht Mitgliedern der neu gegründeten „Energiegemeinschaft Ingenried GmbH &Co. KG“, wehrte sich erst einmal gegen den Vorwurf der mangelnden Transparenz: „Seit einem Jahr wurde das Thema immer wieder in den öffentlichen Gemeinderatssitzungen besprochen, und auch in den Gemeindenachrichten habe ich regelmäßig darüber berichtet.“ Zudem sei ja noch gar nichts endgültig beschlossen, man stehe erst am Anfang. Allein das Standortkonzept liege vor und der Aufstellungsbeschluss. Aber: „Ich persönlich fände es schade, wenn bei der Energiewende nichts vorwärts geht. Zudem könnten wir durch den Solarpark Geld für die Gemeinde generieren.“

Auch die Gegner, die als letzte zu Wort kamen, wollten mit Gerüchten aufräumen: Ihre Kritik richte sich nicht an die Grundstücksbesitzer oder gar den Bürgermeister, deren möglicher Profit sei „legitim“. „Uns geht es um unser Dorf, um unsere Heimat“, stellte Florian Fischer klar.
Kritiker befürchten Zerstörung des Landschaftsbildes
In ihren Augen würde durch den Bau der Freiflächen-PV-Anlagen das Landschaftsbild zerstört. Zudem würde wichtige landwirtschaftliche Fläche versiegelt, die momentan zur Produktion für Kuhfutter diene. Die „Kritiker-Gruppe“ plädiere dafür, erst einmal alle Dächer mit PV-Anlagen zu bestücken, auch die Gebäude der Gemeinde.
Und wenn schon Freiflächenanlagen, „dann doch auf gemeindlichem Grund, dann hat die Gemeinde auch finanziell mehr davon“. Fischer zeigte sich besorgt darüber, dass das Projekt gerade die Gemeinschaft im Dorf spalte, und möchte dem entgegenwirken: Mit einem Bürgerentscheid. „Dann wissen wir, was die Mehrheit will.“
„Der Dorffrieden ist das Wichtigste“
Siegfried Magg, der auch in gewisser Weise als Mediator in dieser Sache fungiert, stellte abschließend noch einmal klar, dass „der Dorffrieden das Wichtigste ist“. Und: „Wir stehen noch ganz am Anfang der Planung und sind froh, wenn Ihr Euch einbringt“, richtete er das Wort an die Solarparkgegner. Denn alle Änderungswünsche würden eingearbeitet werden. „Im Optimalfall gehen wir den nächsten Schritt gemeinsam“, hofft Magg auf eine Beilegung des Konflikts.
Die anschließende Fragerunde wurde sehr sachlich geführt. Oft handelte es sich um technische Fragen, wie beispielsweise die Vermarktung des Stroms oder die Vorgehensweise bei der Verlegung von Leitungen. Das stimmte die Anwesenden optimistisch, dass bald wieder eitel Sonnenschein in der Gemeinde Ingenried herrscht. Ob dieser dann in ein Netz eingespeist wird, wird die nähere Zukunft zeigen.
Weitere Themen und Fragen in der Bürgerversammlung
Ein großes Ärgernis in der Gemeinde Ingenried sind die Raser im Ort. Gleich mehrere Bürger meldeten sich zu Wort, dass die Situation an einigen Straßen dringend verbessert werden muss, „bevor etwas passiert“. Das Verkehrskonzept, das der Gemeinderat erst kürzlich beschlossen hat, soll laut Saur in den nächsten Monaten umgesetzt werden. Problem: Mehr als eine 30er-Zone mit dem dazugehörigen Schild ist wohl nicht drin. „Bei uns müssen auch die Polizei und das Landratsamt mitspielen, und die sehen gerade nicht viel Handlungsbedarf“, meinte das Gemeindeoberhaupt seufzend. Man wolle aber erfragen, ob eventuell ein Blitzer an den gefährlichen Stellen aufgestellt werden könne.
Beim Thema „Asyl“ plädierte ein Bürger für den Umbau des „Gasthof Sonne“ und des angrenzenden „Brugger-Anwesens“ durch das Landratsamt, wie dieses bei der letzten Sitzung in Aussicht gestellt hatte (wir berichteten).
„Momentan warten wir auf den Plan des Landratsamtes mit den Wohnmodulen neben der Mehrzweckhalle“, erklärte Saur die Priorisierung des Gemeinderats.