„Deindustrialisierung“ Deutschlands droht: Firmen verlieren wegen Arbeitskosten an Boden

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Die Produktivität der deutschen Industrie ist noch immer hoch. Doch das reicht nach Ansicht von Experten nicht aus, um den Standort Deutschland zu sichern. Sie fordern Reformen.

Köln – Hohe Arbeitskosten schwächen die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen in Deutschland. Das ist das Ergebnis einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. „Der Fachkräftemangel treibt die Löhne weiter nach oben, die Kosten am Standort Deutschland dürften in den kommenden Jahren weiter steigen“, warnte IW-Ökonom Christoph Schröder. Sozialreformen seien unvermeidlich, um den Industriestandort Deutschland zu erhalten. Sonst rutsche dieser „Schritt für Schritt in die Deindustrialisierung“.

Die Wirtschaftsfachleute schauten sich für die Untersuchung die Lohnstückkosten an. Diese Kosten werden berechnet, indem die gesamten Arbeitskosten inklusive der Bruttolöhne und des Arbeitgeberanteils an Sozialbeiträgen durch die Anzahl der produzierten Einheiten dividiert werden. Lohnstückkosten sind damit ein wichtiger Gradmesser für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. 

Lohnstückkosten in Deutschland liegen ein Fünftel über den anderen Industriestaaten

Die Lohnstückkosten sind in Deutschland traditionell hoch und lagen im Jahr 2024 den Angaben zufolge 22 Prozent über dem Schnitt von 27 Industriestaaten. „Das bedeutet: Um eine Einheit zu produzieren, mussten deutsche Unternehmen gut ein Fünftel mehr für Löhne und Gehälter zahlen. Höher waren die Kosten nur in Lettland, Estland und Kroatien“, teilte das als arbeitgebernah geltende IW mit.

Das Institut befeuert damit die Debatte um hohe Lohn- und Arbeitskosten in Deutschland. Was Arbeiternehmer in Deutschland verdienen sollen, ist immer wieder Anlass für heftige Kontroversen, wie sich beispielsweise bei der jüngsten Auseinandersetzungen um den Mindestlohn zeigt. Dabei ist Deutschland ein Hochlohn-Land. Laut dem Statistischen Bundesamt lagen die Kosten für eine Arbeitsstunde in 2024 bei 43,40 Euro in Deutschland. Der europaweite Vergleichswert betrug hingegen 33,50 Euro.

Produktivität Deutschlands vergleichsweise hoch

Unter anderem die Autoindustrie klagt über das hohe Lohnniveau. Dabei sind hohe Lohnkosten nicht per ein Manko. Vielmehr lautet die Faustformel, dass Länder mit hohen Arbeitskosten auch eine besonders hohe Produktivität haben und damit im internationalen Wettbewerb mithalten können. Für Deutschland gilt: Im Vergleich mit 27 Industriestaaten kommt die Bundesrepublik bei der Produktivität laut IW auf Platz Sieben und musste sich in der Gruppe der großen Industriestaaten nur den USA geschlagen geben. Anderseits zeigt der direkte Vergleich zwischen beiden Ländern erhebliche Unterschiede: In den USA sind die Arbeitskosten zwei Prozent geringer als in Deutschland, die Produktivität jedoch 44 Prozent höher.

Als weiterer wichtiger Maßstab gilt auch die Bruttowertschöpfung. Sie benennt den im Produktionsprozess geschaffenen Mehrwert einer Ware. Diese Kennzahl ging im Ausland sechs Prozent nach oben, in Deutschland hingegen um drei Prozent nach unten. Das IW hat dafür eine Erklärung: Viele deutsche Unternehmen hätten ihren Technologievorsprung eingebüßt. Das habe zur Folge, dass sie seltener die Preise diktieren könnten. Umso gravierender schlügen damit die hohen Standortkosten zu Buche.

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