Schlusslicht Deutschland: Diese Zahl zeigt den Verlust von Wohlstand im Land
Die deutsche Wirtschaft steckt fest. Ein Experte fordert nun eine drastische Wende: Mehr Arbeit, weniger Teilzeit – nur so könne Deutschland aus der Krise herauskommen.
Paris – Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) senkte am Montag (17. März) mit Verweis auf den US-Handelskrieg ihre globale Wachstumsprognose. Auch die Experten des Ifo-Instituts sehen diesen Trend – und reduzierten ihre Prognose für die Entwicklung in Deutschland im laufenden Jahr sogar auf ein Wachstum von nur 0,2 Prozent. Deutschland arbeite zu wenig, meint der Chef des ifo-Instituts, Clemens Fuest.
Arbeitet Deutschland zu wenig? Ifo-Institut plädiert für weniger Teilzeit
Der Rückzug der USA aus Europa und ihr Protektionismus bedeuteten, dass Deutschland „erheblich ärmer“ sei, als es das sonst wäre, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest. „Das bedeutet, dass uns nichts davor bewahren kann, entweder den Gürtel enger zu schnallen oder mehr zu leisten.“ Nur mit Schulden lasse sich das Problem jedenfalls nicht aus der Welt schaffen, sagte der Experte mit Blick auf das vom Bundestag verabschiedete Schuldenpaket von Union und SPD. „Wegen des Rückzugs der USA müssen wir mehr für Verteidigung investieren. Wir haben dadurch weniger Ressourcen für die Dinge, die wir eigentlich wollen“, kommentierte Fuest laut Focus.

Mehr arbeiten ist laut Fuest also die Lösung. „Über mehr Freizeit kann man nur bei steigendem Wohlstand reden“, meint Fuest und betonte, dass in keinem anderen Industrieland der Welt so wenig gearbeitet werde wie hierzulande. Wie OECD-Daten zeigen, kommt die Bundesrepublik auf etwa 1300 geleistete Arbeitsstunden pro Jahr. Globaler Spitzenreiter ist Kolumbien mit 2.300 Stunden, wobei der Schnitt der 27 EU-Länder bei rund 1.500 Arbeitsstunden pro Jahr liegt. „Wir müssen zurück zur Vollarbeit und den Trend zur Teilzeit stoppen“, fordert Fuest, der sich seit Jahren auch gegen eine Vier-Tage-Woche ausspricht.
Was gegen die Arbeitsthese sprechen könnte: Produktiver mit weniger Arbeit?
Ein Faktor, der Deutschlands Abschneiden in der OECD-Statistik erklären könnte, sind auch die hierzulande besseren Arbeitsschutzvorschriften. Sie spielen laut OECD eine wichtige Rolle bei der Vermeidung langer Arbeitszeiten, die sich auch negativ auf die Gesundheit und das Wohlbefinden auswirken können. Ein Blick auf die Grafik legt nahe, dass Arbeitsschutz bei den Spitzenreitern Kolumbien, Costa Rica oder Korea weniger hoch geschrieben wird, als bei den Schlusslichtern Österreich, den Niederlanden und Deutschland.
Im Koreanischen existiert mit „Kwarosa“ sogar ein Wort für „Tod durch Überarbeitung“. Womöglich nicht das ideale Vorbild. Zudem bedeutet Arbeitszeit nicht gleich Produktivität. So stellte beispielsweise eine Untersuchung in 60 britischen Firmen fest, dass Beschäftigte mit kürzerer Arbeitszeit mehr pro Stunde schaffen, weniger gestresst und seltener krank sind. 56 der 61 teilnehmenden Unternehmen gaben nach der Studie sogar an, eine Vier-Tage-Woche beibehalten zu wollen.
Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft versucht dagegen zu halten. „Beschäftigte in normaler Vollzeit fühlen sich weder körperlich noch emotional häufiger erschöpft, noch bewerten sie ihre Arbeit schlechter als Teilzeitkräfte“, heißt es in dem Fazit. Alledings könnte das womöglich nicht für die jüngere Generation gelten: Junge Menschen haben laut einer Untersuchung des Instituts für Generationenforschung ein höheres Stressempfinden als der Schnitt der Gesellschaft.
Meine News

Fachkräftemangel durch mehr Zuwanderung bekämpfen
Fuest, laut einem akademischen Ranking einer der Top Zehn Prozent der Ökonomen weltweit, warnt davor, dass die sinkende Arbeitszeit in Deutschland den herrschenden Fachkräftemangel noch befeuert. Es müsse sich lohnen, mehr zu arbeiten, fordert Fuest aber. Zudem sei eine bessere Kinderbetreuung nötig, um den Trend zur Teilzeitarbeit zu stoppen, so der Experte. Laut Daten der Bundesagentur für Arbeit leisteten Frauen im Jahr 2023 durchschnittlich 24 Prozent weniger Stunden Erwerbsarbeit als Männer.
Ifo-Chef Fuest sieht neben mehr Arbeitszeit auch die Zuwanderung als eine der Säulen im Kampf gegen den Fachrkäftemangel. Auch andere Ökonomen beurteilen das so. Die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, schätzt, Deutschland brauche 1,5 Millionen Zuwanderer pro Jahr. Denn in einem anderen Ranking ist Deutschland weltweiter „Spitzenreiter“: Im Fachkräftemangel in der Energie-Branche und im Gesundheitswesen, wie die Daten der Personaldienstleistungsunternehmen Manpower zeigen.