„Thema, das alle angeht“: Wolfratshausen will den Klimawandel bekämpfen - Zeit für eine Bilanz

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„Thema, das alle angeht“: Eine Stadt will den Klimawandel bekämpfen - Zeit für eine Bilanz

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Bürgermeister Klaus Heilinglechner (linkes bild) und Umweltreferent Hans Schmidt (rechts, mit Plakat) ziehen Bilanz zum Klimanotstands-Beschluss © Archivbilder

Vor etwa fünf Jahren beschloss der Stadtrat: Alles muss sich dem Klimanotstand unterordnen. Was hat sich geändert?

Wolfratshausen – Die Initiatoren erhofften sich eine starke Signalwirkung und eine zukunftsweisende Entscheidung. Kritiker hielten das Ansinnen für einen Schaufensterantrag ohne konkrete Auswirkung. So oder so: Vor fünf Jahren hat die Stadt Wolfratshausen den Klimanotstand ausgerufen. Damit verbunden waren mehrere einzelne Beschlüsse. Unsere Zeitung hat bei Bürgermeister Klaus Heilinglechner und dem Umweltreferenten des Stadtrats, Dr. Hans Schmidt, nachgefragt: Was hat der Beschluss tatsächlich gebracht? Die Meinungen gehen in einigen Punkten auseinander. In der Frage nach der Wichtigkeit der Maßnahmen herrscht jedoch Einigkeit.

Was ist passiert seit 2019?

Rathauschef Klaus Heilinglechner stimmte 2019 gegen den Notstand – so wie alle Mitglieder der Fraktion der Bürgervereinigung zu diesem Zeitpunkt. Die Ablehnung begründete die BVW damit, dass es auch ohne einen Notstandsbeschluss möglich sei, konsequenten Klimaschutz zu betreiben. „Eine Beurteilung, ob es sich um einen Schaufensterbeschluss handelt, obliegt mir nicht“, sagt Rathauschef Heilinglechner auf Nachfrage unserer Zeitung. Das müssten die Antragssteller selbst bewerten.

„Thema, das alle angeht“ Eine Satdt will den Klimawandel bekämpfen: Zeit für eine Bilanz

Die Stadt habe aber einiges in puncto Klimaschutz angeschoben in den vergangenen Jahren. Zu den Erfolgen der eigens gegründeten Klimanotstandsgruppe zählt Heilinglechner Studien zum Potenzial von Photovoltaik auf städtischen Gebäuden auf – eine Anlage wurde bereits errichtet, einige sind geplant. „Laufend“ würden städtische Liegenschaften energetisch saniert, etwa mit einer Pelletheizung, die für das Quartier an der Bahnhofstraße um die ehemalige Landwirtschaftsschule gebaut wurde. Es gibt Fördermittel zum Ausbau von PV-Anlagen und für mehr nachhaltige Mobilität.

Auch unabhängig von der Gruppe, die aus Stadträten aller Fraktionen besteht, gebe es Fortschritte: Schon zuvor wurde die Erstellung des Solarpotenzial-Katasters und des Energienutzungsplans in Auftrag gegeben. Er nennt die kommunale Wärmeplanung, den Beitritt in ein Energieeffizienznetzwerk und die laufende Untersuchung von Fernwärmemöglichkeiten als weitere Positivbeispiele.

Grünen-Politiker ist noch nicht zufrieden: „Vorgabe nur begrenzt umgesetzt“

Dr. Hans Schmidt ist noch nicht zufrieden mit den Bemühungen der Stadt. Im Beschluss 2019 wurde wortwörtlich gefordert: „Alle zukünftigen Beschlüsse des Stadtrats und alles zukünftige Verwaltungshandeln sollte sich an dieser Aufgabe orientieren.“ Sein Fazit: „Die Vorgabe wurde nur begrenzt umgesetzt.“ Die Arbeit der Verwaltung sei durch die Corona-Pandemie stark eingeschränkt worden, die städtische Umwelt- und Energiemanagerin zudem lange ausgefallen. „Es hat Jahre gedauert, bis die Ergebnisse der Prüfung der städtischen Dächer für Photovoltaik vorlag, und wir warten noch immer auf die Studie zum Sturzflutrisikomanagement. Nur kleinere Straßenbegleitflächen wurden insektenfreundlich gemacht, wenige Bäume nachgepflanzt, eine Baumschutzverordnung im Stadtrat abgelehnt und die stromfressende Eiszeit verlängert.“ Lichtblicke für Schmidt waren Fördermaßnahmen für Balkonkraftwerke und Stromspeicher sowie für Lastenräder und der Bebauungsplan für eine Freiflächen-PV-Anlage, die auf den Weg gebracht wurde.

Verkehrspolitik in Wolfratshausen: Autofahren – und sonst?

An der Einstellung zum Umweltschutz gibt es aber noch Ausbaupotenzial. Das zeige sich in der Verkehrsplanung: „Noch immer wird der motorisierte Individualverkehr bevorzugt“, sagt Schmidt. Durch größere und mehr Parkplätze zum Beispiel oder die Verkehrsführung wie am Edeka an der Sauerlacher Straße. „Das zeigt, dass die Planer die Verkehrssicherheit für Fußgänger und Radfahrende, für Schüler und ältere Menschen nicht im Blick hatten.“ Die Stadt werde „gleichbleibend schlecht“ im Fahrradklima-Test benotet. Das zeige, „dass die Stadt noch viel tun muss“, wenn sie weiterhin etwa als fahrradfreundliche Kommune gelten möchte. Ein nachhaltig angelegtes, klimafreundlicheres Mobilitätsmanagement vermisst Schmidt. Das sei „nur in der geänderten Stellplatzsatzung sichtbar, die Mobilitätskonzepte bei größeren Bauvorhaben belohnt und in der Förderung von Lastenrädern“.

Bürgermeister Klaus Heilinglechner erklärt: „Die neue Stelle im Bereich Mobilitätsmanagement ist seit April 2023 besetzt.“ Er hat schon Erfolge auf diesem Gebiet beobachtet. „Car- und Bike-Sharing-Angebote werden immer weiter ausgebaut. Auch die Ladeinfrastruktur für Elektromobilität wachse – „es gibt inzwischen 15 Ladestationen im Stadtgebiet“. Eine Umfrage unter Nutzern des Stadtbusses soll Ergebnisse bringen, wie das öffentliche Angebot verbessert werden kann.

Anreize für Bürger - reicht der Aufwand?

„Klimaschutz ist ein Thema, das alle angeht. Insofern ist Mithilfe von allen gefragt“, erklärt der Bürgermeister. Die Stadt sei deshalb offensiv, wenn es darum geht, die Wolfratshauser einzubinden. Es gebe eine ganze Reihe von Veranstaltungen zu der Thematik. Etwa am Tag der Städtebauförderung, auf der Iloga, in der Europäischen Mobilitätswoche, an Schnuppertagen und im Klimafrühling. Im Rathausheftchen „Wolfratshausen Aktuell“ gebe es immer wieder Artikel zum Klimaschutz. Die genannten Fördermaßnahmen seien ebenfalls Anreize für die Bürger.

Hans Schmidt nennt außerdem eine gemeinsame Veranstaltung mit dem Wolfratshauser Future-Bündnis und die Dachgestaltungssatzung, „die vorschreibt, dass Flachdächer begrünt und mit PV zu planen sind“. Dass die Bürger stärker eingebunden werden, hält der Umweltreferent dennoch für wichtig. „Die Stadt hat es in der Hand, die Bereitschaft in der Bürgerschaft zu schaffen und für die Notwendigkeit einer Energie- und Wärmewende im privaten und gewerblichen Bereich, indem sie viel offensiver dafür wirbt und selbst Vorbild ist.“

Kooperationen im Klimaschutz

„Die Stadt ist nur mit einem niedrigen einstelligen Prozentsatz am gesamten Energieverbrauch in Wolfratshausen beteiligt“, weiß Grünen-Politiker Schmidt. Deshalb brauche es Anstrengung, um einen Wandel zu unterstützen – etwa durch Vorgaben bei der Bauplanung oder finanzielle Unterstützung. „Im Mobilitätssektor kann sie allerdings über die Steuerung des fließenden und ruhenden Verkehrs und eine Stadtgestaltung zugunsten des nicht motorisierten Verkehrs und der Verweilqualität viel erreichen.“

Schmidt fordert ein offensiveres Vorgehen – auch bei eigenen Projekten: „Es fehlt das eindeutige Vorbild der Stadt als Voraussetzung für das Handeln der Bürgerschaft.“

Rathauschef Klaus Heilinglechner betont, dass es mehrere Kooperationen gibt. „Die Stadt allein verfügt nicht über genügend Kapazität, daher besteht eine enge Zusammenarbeit mit Partnern.“ Er nennt etwa die Energiewende Oberland, die 17er-Oberlandenergie, Stadtwerke, die Hochschule Landshut, andere Kommunen, den Landschaftspflegeverband und die zuständigen Förster als Partner.

Was fehlt der Stadt für mehr Konsequenz?

Um den Klimaschutz noch konsequenter vorantreiben zu können, vermisst der Umweltreferent belastbare Daten. „Der letzte Umwelt- und Energiebericht hat den Stand 2019. Der Stadtrat entscheidet also ohne Datengrundlage zu den städtischen Immobilien.“ Außerdem sei vieles eine Frage der Ernsthaftigkeit und der Einstellung: „Es fehlt an Bewusstsein dafür, dass Nichthandeln deutlich höhere gesamtgesellschaftliche Kosten verursacht.“ Klimaschutz müsse „wirklich Chefsache sein, Prioritäten in der Verwaltung müssen gesetzt werden, um Hitzetote zu vermeiden und die Bevölkerung vor den Folgen von Starkregen, Hagel und Überschwemmungen zu schützen“.

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Der Bürgermeister sieht bereits vieles in der Kommune auf dem richtigen Weg. „Das Engagement der Stadt im Klimaschutz hat über die letzten Jahre stetig zugenommen.“ Heilinglechner setzt etwa auf eine Vertiefung der bereits bestehenden Kooperationen und Partnerschaften. Zudem sei konsequenterer Klimaschutz mit mehr Personal im Rathaus möglich – „wobei auch hier ausgebaut wurde – mit dem Ausbau des Referats 05 können mehr Themen parallel bearbeitet werden“. Das „Umweltteam“ im Rathaus bestehe aus 3,5 Stellen. Würde es mehr Fördergelder von Bundes- und Landesregierung geben, sei es zudem möglich, mehr Projekte und Aktionen zu finanzieren.

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