AfD verschärft Kurs: Höcke will Bündnis mit Russland – Chrupalla spielt mit Nato-Ausstieg
Das außenpolitische Programm der AfD für die Bundestagswahl ist noch nicht beschlossen. Am Wochenende widersprachen zwei Spitzenpolitiker der offiziellen Linie.
Berlin – Führende AfD-Politiker haben sich am Wochenende für eine Distanzierung Deutschlands von den USA und eine Annäherung an Russland positioniert. Am Sonntag (15. Dezember) bekannte, AfD-Bundesparteichef, Tino Chrupalla, dass Russland den Ukraine-Krieg gewonnen habe und Deutschland aus der Nato aussteigen solle, wenn das Bündnis nicht willens sei, Russlands Interessen zu akzeptieren.
Der Thüringer Landeschef Björn Höcke forderte auf dem Landesparteitag am Samstag (14. Dezember) ein Wirtschaftsbündnis mit Russland. Beide Forderungen sind schärfer, als die entsprechende Passage aus dem Wahlprogramm für die Bundestagswahl, das im Januar offiziell beschlossen werden soll.

Chrupalla und Höcke widersprechen AfD-Entwurf für Bundestagswahl-Programm
Im Entwurf des AfD-Wahlprogramms heißt es: „Bis zum Aufbau eines unabhängigen und handlungsfähigen europäischen Militärbündnisses bleiben die Mitgliedschaft in der Nato sowie eine aktive Rolle Deutschlands in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zentrale Elemente unserer Sicherheitsstrategie.“ Der Parteitag muss dieser Passage Anfang Januar noch zustimmen.
AfD-Chef Chrupalla über Ukraine-Krieg: „Russland hat diesen Krieg gewonnen“
Chrupalla sagte am Sonntag der Tageszeitung Welt: „Bislang ist Europa gezwungen, die Interessen Amerikas umzusetzen, das lehnen wir ab.“ Eine Verteidigungsgemeinschaft müsse „die Interessen aller europäischen Länder akzeptieren und respektieren - also auch die Interessen von Russland“, sagte er. „Wenn die Nato das nicht sicherstellen kann, muss sich Deutschland überlegen, inwieweit dieses Bündnis für uns noch nutzbringend ist.“
Weiter forderte er von der Bundesregierung, sie möge einen militärischen Sieg Russlands gegen die Ukraine anerkennen: „Russland hat diesen Krieg gewonnen“, sagte er. „Die Realität hat diejenigen eingeholt, die angeben, die Ukraine befähigen zu wollen, den Krieg zu gewinnen.“ Die Bundesregierung müsse „endlich zu dem Punkt kommen, den Krieg beenden zu wollen“.
AfD-Thüringen beschließt antiamerikanische Resolution und will Annäherung an Russland
Der rechtsextreme Thüringer Landeschef Höcke schwor seinen Landesverband auf eine noch deutlich russlandfreundlichere Politik ein: „Rußland versteht sich als Gegenentwurf zur universalistischen Hegemonie der nichteuropäischen Weltmacht USA“, las Höcke bei einem Landesparteitag in Arnstadt aus einer Resolution vor.
Meine news
Die rund 300 Mitglieder nahmen die Resolution an. „Von der guten Beziehung Deutschlands und Europas zu Rußland hängt der Friede in Europa ab“, steht darin - jedoch kein Wort dazu, dass Russland die Ukraine völkerrechtswidrig angegriffen hat. Stattdessen: „Seit fast drei Jahren führen die Ukraine und Rußland Krieg gegeneinander.“ Kritiker warfen der AfD spätestens seit Beginn des Ukraine-Krieges eine prorussische Position in dem Konflikt vor. Bereits zuvor reisten immer wieder AfD-Politiker nach Russland oder auf die besetzte ukrainische Halbinsel Krim, um dem autoritären Regime danach ein gutes Zeugnis auszustellen.
Höcke träumt vor Bundestagswahl vom Wirtschaftsbündnis mit Russland
In seiner Rede sprach Höcke von einem, „Europa, dessen Wirbelsäule von Paris über Berlin nach Moskau verläuft“. Er bezog sich nach eigenen Angaben dabei auf früheren französischen Staatsmann Charles de Gaulle. Er finde dessen Traum von einer „eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft, die von Lissabon bis Wladiwostok reicht“, attraktiv, so Höcke.
Russlands Präsident Wladimir Putin lobte im Mai die von Moskau geführte Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU), als Gegenentwurf zur, ihren Grundsätzen nach, liberalen Europäischen Union (EU). Die EAWU ist eine Freihandelszone aus Russland, Armenien, Belarus, Kasachstan und Kirgisistan. Sie ist wirtschaftlich deutlich schwächer als die EU, Russland gilt in ihr klar als Hegemon.
Höckes Einfluss auf die AfD könnte nach Bundestagswahl weiter wachsen
Höckes Verhältnis zur Bundespartei gilt als kompliziert, auch angespannt. Eine angeblich erwogene Bundestagskandidatur verwarf Höcke zuletzt. Auf der Thüringer Landesliste, die am Wochenende gewählt wurde, stehen nun jedoch einige seiner Verbündeten, berichtete der Fachdienst table.media. Im Vergleich zur letzten AfD-Landesgruppe könne Höcke so an Einfluss gewinnen. In aktuellen Umfragen zur Bundestagswahl steht die AfD bei etwa 18 Prozent und wäre damit zweitstärkste Kraft hinter der Union mit etwa 32 Prozent und vor der SPD mit etwa 16 Prozent.
AfD Thüringen gilt als rechtsextrem – Höcke wegen Nazi-Parole verurteilt
Der Thüringer AfD-Landesverband gilt dem Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem. Das „völkisch-nationalistische Ziel eines ethnisch-homogenen Staatsvolkes“ sei der ideologische Unterbau des Landesverbandes, schrieb der Thüringer Verfassungsschutz in seinem Bericht 2023. Höcke selbst wurde zuletzt zweimal wegen der Verwendung einer Nazi-Parole verurteilt. Er berief gegen beide Urteile. (kb mit dpa und afp)