„Mörder wollen ihre Spuren verwischen“: Nawalnys Team sucht verzweifelt nach seinem Leichnam
Der Leichnam von Alexej Nawalny bleibt für dessen Angehörige verschwunden. Sie lassen die Öffentlichkeit am Verwirrspiel der Behörden teilhaben.
Salechard – Den Tod von Alexej Nawalny hat sein Team, rund einen Tag nachdem er in einer sibirischen Strafkolonie gestorben sein soll, bestätigt. Nun stehen die Angehörigen aber vor einem großen Rätsel: Wo ist die Leiche des weltweit bekannten Kreml-Kritikers? Die haben sie nach eigenen Angaben noch immer nicht zu Gesicht bekommen. Und die Hoffnung schwindet, dass sich das bald ändern wird.
Nawalny-Leiche verschwunden: Sprecherin äußert sich auf X zur Suche – auf Russisch und auf Englisch
Via X (vormals Twitter) hält Kira Jarmysch, die als Nawalnys Sprecherin auftritt, die Öffentlichkeit bei der Suche auf dem Laufenden – auf Russisch und auf Englisch. Die Schriftstellerin fordert in einem der Posts auch unmissverständlich, „dass die Leiche von Alexej Nawalny unverzüglich seiner Familie übergeben wird“.
Doch bislang würden die Behörden die Familie ins Leere laufen lassen. So habe ihnen ein Mitarbeiter der Strafkolonie mitgeteilt, dass die Leiche in der nordsibirischen Stadt Salechard untersucht werde. Als einer der Anwälte und Nawalnys Mutter das dortige Leichenschauhaus aufgesucht hätten, sei dieses jedoch geschlossen gewesen. Am Eingang fand sich demnach immerhin eine Telefonnummer, die der Jurist wählte. Um zu erfahren, dass er schon der siebte Anrufer sei und sich die Leiche nicht im Inneren befinde.

Verwirrspiel um Nawalnys Leiche: „Tun alles, um den Körper nicht herausgeben zu müssen“
Derweil habe ein anderes Mitglied des Anwaltsteams die Ermittlungsbehörden aufgesucht. Dort habe es geheißen, dass die Todesursache nicht geklärt sei und eine erneute histologische Untersuchung durchgeführt wurde. Dabei werden Gewebeproben oder auch komplette Organe entnommen und eingehender überprüft.
Die Ergebnisse sollen demnach nächste Woche veröffentlicht werden, doch daran glaubt Jarmysch nicht: „Es ist offensichtlich, dass sie lügen und alles tun, um den Körper nicht herauszugeben.“
Nawalnys Leiche und Putin: Soll nach Tod des Kreml-Kritikers etwas verborgen werden?
Einen Beweis dafür führt sie auch an: Später sei ihnen vom Untersuchungsausschuss gesagt worden, dass die Angehörigen die Leiche nicht vor dem Abschluss der Ermittlungen bekommen würden. Dabei seien die Anwälte noch eine Stunde zuvor darüber informiert worden, dass die Ermittlungen zu dem Schluss gekommen seien, es hätten keine Hinweise auf eine Straftat gefunden werden können.
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„Sie lügen buchstäblich immer, lassen uns im Kreis drehen und verwischen ihre Spuren“, wirft Jarmysch den Behörden vor. Es wirkt also wie ein perfides Verwirrspiel, das die Behörden mit den Angehörigen zu treiben scheinen.
Damit drängt sich auch dem neutralen Beobachter mehr und mehr der Eindruck auf, hier soll etwas verborgen werden. Und der Blick geht unweigerlich in Richtung Kreml und damit zu Wladimir Putin. Denn in Russland hat der Präsident im Grunde überall seine Hand drauf und seine Finger im Spiel. Auch Nawalnys Witwe Julija Nawalnaja, die in die Fußstapfen ihres Mannes treten könnte, sieht die Verantwortung beim schier unantastbaren Präsidenten.
Nawalny und die Todesursache: Strafkolonie soll von plötzlichem Todessyndrom gesprochen haben
Auch Iwan Schdanow, Anwalt und Direktor von Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung, äußerte sich auf dem Social-Media-Dienst von Elon Musk. Demnach sei ihnen von der Strafkolonie mitgeteilt worden, dass die Leitung die Leiche so schnell wie möglich herausgeben wolle. Doch nun wolle der Untersuchungsausschuss genau das nicht tun.
Zudem sei Nawalnys Mutter und dem Anwalt beim Besuch der Strafkolonie bereits gesagt worden, dass der Oppositionspolitiker am plötzlichen Todessyndrom gestorben sei. Laut dem Portal healthline handelt es sich dabei um einen Überbegriff für verschiedene Herzsyndrome, die plötzliche Ereignisse wie einen Herzstillstand oder eben den Tod verursachen können.
Offiziell hieß es in den ersten Stellungnahmen, Nawalny habe sich im Anschluss an einen Spaziergang im Lager unwohl gefühlt und sei zusammengebrochen. Rettungsmaßnahmen seien eingeleitet worden, blieben jedoch erfolglos.
Suche nach Nawalnys Leiche: Pathologe soll bei Anruf von Journalist einfach aufgelegt haben
Alles andere als auskunftsfreudig soll sich derweil der Pathologe des zuständigen Krankenhauses in Salechard verhalten haben, als ein Reporter des unabhängigen russischen Medienunternehmens Mediazona anrief. Auf die Frage, wo sich die Leiche von Nawalny befinde, habe der Facharzt einfach aufgelegt.
Auf dem Telegram-Kanal „Nawalnys Team“ finden die Betreiber besonders deutliche Worte und lassen keine Zweifel daran, dass nach ihrer Einschätzung an dem Tod nichts normal ist: „Offensichtlich wollen die Mörder ihre Spuren verwischen, indem sie Alexejs Leiche nicht herausgeben und sie sogar vor seiner Mutter verstecken.“
Zugleich werden Nawalnys Anhänger dazu animiert, weiter zu Protesten auf die Straße zu gehen – auch wenn schon Hunderte Demonstranten verhaftet worden sein sollen. „Nawalnys Team“ verspricht, die für einen Protest verhängten Geldstrafen zu übernehmen.
Die Hoffnung dahinter ist klar: Die Behörden sollen nicht zur Ruhe und die Wahrheit umso schneller ans Licht kommen. (mg)