Rubio, Hegseth, Lighthizer, Musk - Was Donald Trump erste Personalentscheidungen für Deutschland bedeuten
Wenn es um Donald Trump und die Wahrheit geht, muss man zwei Dinge unterscheiden: Was der Republikaner sagt, muss nicht wahr sein. Aber was er ankündigt, tut er auch, wie die Erfahrung aus seiner ersten Amtszeit nahelegt – „America first“ und „Make America great again“ werden die Fixsterne in seinem außenpolitischen Universum bleiben, in dem daneben manche Kometen mit unberechenbaren Flugbahnen und schwarze Löcher zu erwarten sind.
Wir wissen wegen Trumps Umgang mit der Wahrheit nicht, ob der President-elect kurz nach seinem Wahltriumph über Kamala Harris mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin unter anderem über den Ukraine-Krieg telefoniert hat, wie unter anderem die „New York Times“ unter Berufung auf zwei anonym gehandhabte Quellen behauptet.
Das würde passen zu Trumps Ankündigung im Wahlkampf, binnen 24 Stunden nach seinem Wahlsieg würde er den Krieg Russlands gegen die Ukraine beenden. Doch der Kreml dementiert ein solches Gespräch entschieden und Trump selbst schweigt.
Sollte es das Telefonat gegeben haben, wäre es ungesetzlich gewesen, weil die bis heute gültige „Stellungnahme für den Generalstaatsanwalt“ des US-Außenministeriums vom November 1937 im Absatz I, 2, klar aussagt, dass „der Präsident als Regierungschef der alleinige Sprecher der Nation im Bereich der Außenbeziehungen ist“. Präsident ist aber bis zur Inauguration von Trump am 20. Januar Joe Biden.
Bedenklich ist: Viele westliche Beobachter glauben eher Putin als Trump
Trump lässt sich von solchen Details und Vorschriften nicht aufhalten, und sollte es das Gespräch, in dem er Präsident Putin unter Hinweis auf die eigenen Truppen in Europa vor einer Eskalation im Ukraine-Krieg gewarnthaben soll, wirklich gegeben haben, wäre daraus kaum objektiver Schaden entstanden.
Bedenklich ist hingegen, dass viele westliche Beobachter subjektiv geneigt sind, in dieser Aussage-gegen-Aussage-Situation dem Kreml eher zu glauben als dem künftigen Führer der freien Welt. Das zeigt die angeschlagene Reputation des Republikaners und wird die USA international nicht stärken.
Zwischen derlei Konfusion und Nebel zeichnen sich gleichwohl erste Akzentuierungen der Trump’schen Außenpolitik ab. Schon in seiner ersten Amtszeit (in den USA entsprechend der Reihenfolge aller Präsidenten bezeichnet als „Trump 45“) hat der Präsident aus seiner Geringschätzung gegenüber jeder Form von Multilateralismus, ob in Form der Vereinten Nationen oder der Nato oder EU-Außenhandelsstrukturen, kein Geheimnis gemacht und bilaterale Beziehungen favorisiert.
Das dürfte sich unter „Trump 47“ fortsetzen – aber diese Tendenz ist kein Alleinstellungsmerkmal des vorigen und nächsten Präsidenten. Auch Jimmy Carter (internationale Arbeitnehmerorganisation ILO), Ronald Reagan (Unesco), Bill Clinton (Unido) oder George W. Bush (keine Ratifizierung von Kyoto und des Rom-Statuts zum Internationalen Strafgerichtshof) haben sich internationalen Strukturen verweigert, um möglichst viel an nationaler Souveränität zu bewahren.
Gelegentlich beschworene oder von ihm selbst angekündigte Worst-Case-Szenarien wie etwa ein Austritt der USA aus der Nato dürfte es aber auch unter Trump nicht geben. Positiv an „Trump 47“ ist ja: Der Wahlkampf ist für ihn nach dieser zweiten Legislatur vorüber, er kann gar nicht erneut für das Weiße Haus kandidieren und gelegentliche Warnungen, er wolle die Demokratie in den USA abschaffen, sind recht abwegig – schon wegen der Stärke der amerikanischen Institutionen und dem Freiheitswillen der amerikanischen Bevölkerung.
Verteidigungsminister: Pete Hegseth
Konkretere Hinweise auf Trumps künftige Außenpolitik ergaben sich aus seinen Berufungen für Ämter in der Administration. Das beginnt mit Pete Hegseth als künftigem Verteidigungsminister.
Der Harvard-Absolvent, Ex-Infanterie-Offizier der U.S. Army National Guard mit Irak-, Afghanistan- und Guantánamo-Einsätzen sowie Fox-News-Moderator hat sich intensiv für die Belange der Veteranen eingesetzt.
Er propagiert einen entschiedenen Kurs der USA in Sachen einer muskulösen Sicherheitspolitik und ist bekannt für konservative politische Ansichten, samt Ablehnung der „Critical Race Theory“, laut der die amerikanische Gesellschaft strukturell rassistisch sei.
„China baut eine Armee auf eigens um Amerika zu besiegen“, sagte Hegseth wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl in einem YouTube-Talk mit Shawn Ryan. Und amerikanische Militärs würden im Konfliktfall wenig zu tun wagen aus der Angst heraus, „Grenzen zu überschreiten“.
Außenminister: Marco Rubio
Den floridianischen Senator Marco Rubio will Trump zum Außenminister machen. Rubio, dessen Eltern Kuba 1956 verließen, also während der Batista-Diktatur und vor Fidel Castros Machtübernahme, gehört zu den Falken in der China-Politik und ist damit auf Trumps Linie.
Rubio ist seit langem ein lautstarker Kritiker der Menschenrechtsbilanz Chinas, des Agierens Pekings im Südchinesischen Meer und der Einflussnahme im Ausland. Rubios Amtszeit im Ausschuss für Auswärtige Beziehungen des Senats war geprägt von Forderungen nach verstärkter Unterstützung für Taiwan, Sanktionen gegen chinesische Beamte, die an Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind, und der Stärkung von Bündnissen in der indopazifischen Region.
Seine Ernennung deutet auf eine Außenpolitik hin, die Chinas globalen Ambitionen begegnet und demokratische Bewegungen weltweit unterstützt.
Aber während Trump wiederholt Bewunderung für Putins Entschlossenheit geäußert hat, lässt Rubio große Skepsis gegenüber Russland erkennen.
Im September versicherte der Senator, er sei „nicht auf Russlands Seite“. Gleichwohl sehe „die Realität so aus, dass der Krieg in der Ukraine mit einer Verhandlungslösung enden wird“. Doch jedes Abkommen müsse „für die Ukraine vorteilhaft“ sein, so dass der Staat seine „eigene Souveränität behält und nicht zu einem Satellitenstaat oder Marionettenstaat wird, der ständig von den Russen als Geisel gehalten wird“.
Das klingt nicht nach einer sofortigen Beendigung der amerikanischen Unterstützung für Kiew – aber doch nach starkem Drängen auf einen Kompromissfrieden, der für die Ukraine schmerzliche Konsequenzen haben dürfte. Hinweisen aus dem Trump-Lager zufolge könnte das mindestens einen Verzicht Kiews auf die Krim und für 20 Jahre auf einen Nato-Beitritt bedeuten. Mindestens ...
Handelsbeauftragter: Robert Lighthizer
Robert Lighthizer soll, wie schon unter „Trump 45“, erneut US-Handelsbeauftragter werden. Der Rechtsanwalt aus Ohio macht aus seiner protektionistischen Grundhaltung keinen Hehl, befürwortet ein „strategisches Decoupling“ von China als „oberste Priorität“ und war maßgeblich an der Aushandlung des Phase-1-Handelsabkommens mit Peking beteiligt.
Er setzt sich nachdrücklich dafür ein, die amerikanische Industrie vor seiner Meinung nach unfairen Handelspraktiken zu schützen. Das bezieht er – mit weniger aggressiven Formulierungen – auch auf die Europäische Union und hier insbesondere auf vier Ländern mit einem Außenhandelsplus gegenüber den USA: Irland, Frankreich, Italien und Deutschland.
Nationaler Sicherheitsberater: Mike Waltz
Der Kongressabgeordnete Michael „Mike“ Waltz aus Jacksonville in Florida soll Trumps Nationaler Sicherheitsberater werden. Waltz, ehemaliger Offizier der Green Berets, stammt aus einer Soldatenfamilie und hat es über die Gründung einer Beratungsfirma für Sicherheitsfragen zum Multimillionär gebracht.
Der selbst ernannte „Krieger-Diplomat“ gilt ebenfalls als „Falke“ und sieht die Vereinigten Staaten in einem „Kalten Krieg mit der Kommunistischen Partei Chinas“. Im Vorfeld der Olympischen Winterspiele in Peking 2022 hatte er unter Hinweis auf die Verletzung der Menschenrechte der Uiguren in der Provinz Xinjiang einen Boykott gefordert.
Department für Regierungseffizienz: Elon Musk
Abzuwarten ist, wie Elon Musk mit der Politik des Präsidenten klarkommen wird. Im Wahlkampf hat der reichste Mensch der Welt Trump mit Millionenspenden und persönlichen Auftritten massiv unterstützt.
Gemeinsam mit dem Bio-Tech-Unternehmer Vivek Ramwasamy, der sich selbst um die Nominierung als republikanischer Präsidentschaftskandidat beworben hat, soll der visionäre Mega-Unternehmer und Eigentümer der Kurznachrichtenplattform X (vormals Twitter) ein „Ministerium für Effizienz in der Regierung“ (DOGE) leiten und den Staat verschlanken – da mag als Vorbild Argentiniens libertärer Präsident Javier Milei dienen.
Doch Musks Unternehmen, insbesondere Tesla und SpaceX, sind auch in China ausgesprochen aktiv. Die Gigafactory von Tesla in Shanghai ist ein wichtiger Bestandteil der globalen Produktion und China einer der größten Märkte von Tesla.
Wie wird Musk die gegensätzlichen Interessen seiner Geschäftsvorhaben und die harte Politik der Trump-Regierung gegenüber China in Einklang bringen?
Diese ersten Personalentscheidungen von Trump 47 deuten auf eine Mannschaft von Fachleuten hin. War Trump 45 noch mit einer Riege von oft wenig sachkundigen Multimillionären ins Weiße Haus eingezogen, umgibt sich der 78-Jährige diesmal mit zumeist jüngeren (Lighthizer ist hingegen auch schon 77) Politikern mit klaren konservativen politischen Standpunkten, aber auch hoher Sachkunde.
Russland hat keinen Freifahrschein zu erwarten, obwohl auf die Ukraine möglicherweise schwere Zugeständnisse zukommen werden. Der Druck auf China wird deutlich wachsen, selbst wenn Musk zu vermitteln versuchen sollte.
Auch die EU wird sich auf einen zunehmenden Protektionismus nicht zum Wohl des Freihandels, sondern der „America-First“-Zielsetzung wegen einstellen müssen.
Den Nato-Staaten wird Trump deutlich höhere Verteidigungsausgaben abverlangen.
Und die Verschärfungen in der Handelspolitik wie die neuen sicherheitspolitischen Akzentuierungen in Washingtons Agenda stellen gerade für das ohnehin schon von einer Wirtschaftskrise strapazierte Deutschland eine große Herausforderung dar – zumal es nach Trumps Amtseinführung am 20. Januar noch Monate dauern könnte, bis eine neue deutsche Regierung, mutmaßlich dann allerdings unter dem transatlantisch versierten Friedrich Merz, steht.