AC/DC setzen München unter Strom: Am Schlafittchen gepackt

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Was macht schon der Regen, wenn AC/DC in der Stadt sind? Am Mittwoch, 12. Juni 2024, spielt die Band zum zweiten Mal im Münchner Olympiastadion. © Martin Hangen/Münchner Merkur

AC/DC sind nach acht Jahren wieder auf Tour – und es ist, als wären sie nie weg gewesen. Am Sonntag spielte die Band um Angus Young ihr erstes von zwei Konzerten im Münchner Olympiastadion. Unsere Nachtkritik:

Vielleicht lässt sich die Geschichte dieses Konzertabends am anschaulichsten über die Krawatte erzählen. Sie ist dunkelblau, mit schräg gesetzten hellblauen Streifen und gehört Angus Young, dem Gründer und Gitarren-Derwisch von AC/DC. Als der 69-Jährige am Sonntag (9. Juni 2024) kurz nach 20.30 Uhr die Bühne im Olympiastadion betritt, sitzt der Schlips noch recht ordentlich. Rock‘n‘Roll-Ehrenwort. Sein Knoten jedoch wird die ersten vier Takte von „If You want Blood – You‘ve got it“ nicht überstehen. Wie denn auch?

Am Mittwoch spielen AC/DC den zweiten Abend ihrer „Power up“-Tour im Münchner Olympiastadion

AC/DC sind nach acht Jahren wieder auf Tour und geben ihr erstes von zwei Konzerten in München; am Mittwoch (12. Juni 2024) startet der „Rock‘n‘Roll Train“ in die zweite Runde. Wahrhaft glücklich ist, wer Karten hat – denn beide Abende sind mit je 66 000 Menschen ausverkauft. Lange schon, eh klar.

Doch rasch zurück zu Youngs Krawatte. Bei „Sin City“, also etwa zur Halbzeit, wird der Gitarrist sie lang, ganz lang ziehen – und mit ihr die Saiten seines Instruments bearbeiten. Es klingt – hinreißend gut! Und als der Abend schließlich auf die Zielgerade einbiegt, natürlich mit ordentlich Druck und ohne jede Spur von Ermüdungserscheinungen, als es also auf 22.30 Uhr zugeht, da schüttelt Angus Young bei „Let there be Rock“ eines dieser Soli aus dem Handgelenk, die dauern und dauern und immer noch eine Umdrehung finden. Für eben diese Kunst wurden Stadionkonzerte erfunden. Auf einem Steg ist der Lead-Gitarrist ins Stadion gelaufen, wird gefeiert von den Fans, die nichts davon wissen wollen, dass sie im Nassen stehen. Am Ende des Stegs ist ein Podest, das kurz zuvor nochmals von einem Bühnenarbeiter einigermaßen trocken gerieben wurde. Dieses Podest hebt Young nun einige Meter in den Nachthimmel, der an diesem Sonntag einfach nicht Ruhe geben will. Doch der Gitarrist spielt weiter, immer weiter. Konfetti-Regen. Bühnen-Nebel. Regen-Regen. Und eben Young, der jetzt auf dem Rücken liegt und spielt, weil es das ist, wofür er geboren wurde. Es ist ein Fest. Die Krawatte? Sie ist in diesem Moment längst Geschichte – ebenso wie die Knopfleiste seines Hemds.

Angus Young und Brian Johnson beim AC/DC-Konzert im Münchner Olympiastadion
Angus Young trägt seine Schuluniform in den Farben Bayerns. Am Sonntag traten er und Sänger Brian Johnson im Münchner Olympiastadion auf. © Martin Hangen/Münchner Merkur

Viel ist über die besondere Beziehung der 1973 gegründeten Band und München geschrieben worden. Alles davon ist richtig. Und doch braucht es keine Worte, um zu begreifen, was da so besonders funkt zwischen AC/DC und den bayerischen Fans: Angus Young trägt nicht grundlos seine obligatorische Schuluniform in den Farben des Freistaats: Weiß (Hemd, Socken) und blauer Samt. Sänger Brian Johnson – auf der Bühne eh nicht als Quasselstrippe bekannt – hat derweil seine Wortanteile zwischen den Songs seit dem jüngsten Auftritt nochmals reduziert. Zum Start verspricht er eine Rock‘n‘Roll-Party im „München-Style“. So wird’s denn auch kommen – that’s it.

Mehr braucht es schließlich nicht. AC/DC haben reichlich Klassiker auf der Setlist – sie sprechen für sich: Den Über-Hit „Back in Black“ gibt’s gleich als zweite Nummer, eine Ansage. „Thunderstruck“, jener Song, der sich so herrlich über dem Stadion auftürmt wie Gewitterwolken und dann losbricht, ist ein erstes Ausrufezeichen. Die „Hells Bells“ klingen herrlich mächtig – und spätestens mit „Stiff Upper Lip“ hat die Band sie alle am Schlafittchen und lässt erst wieder los, als der Kanonendonner der letzten Zugabe „For those about to Rock (We salute You)“ verklungen ist.

Publikum bei AC/DC im Münchner Olympiastadion
Drei von 66 000: Beide Konzerte von AC/DC im Münchner Olympiastadion sind ausverkauft. © Martin Hangen/Münchner Merkur

Die Musiker präsentieren sich in glänzender Spiellaune und perfekt aufeinander abgestimmt. Die Neuen auf der Bühne, Matt Laug am Schlagwerk und Chris Chaney, der den Bass bereits bei Jane’s Addiction bearbeitet hat, sorgen für ein sehr sattes Fundament, das nie breiig klingt. Brian Johnson rock‘n‘rollt sogar mit den Augäpfeln und hat auch sonst sichtlich Freude an dem, was er tut. Er ist gut bei Stimme – und an den paar Stellen, an denen es haarig für den 76-Jährigen werden könnte (etwa bei „Shoot to Thrill“), hat er sich die Zeilen perfekt und hörenswert frisch zurechtgelegt. Stevie Young schließlich, der bereits vor zehn Jahren die Rhythmusgitarre von seinem Onkel Malcolm Young (1953-2017) übernommen hat, macht Feuer unterm Kessel – und hat doch seinen Blick oft bei seinem anderen Onkel, Malcolms Bruder. Denn AC/DC, das machen an diesem Sonntag vor allem die letzten 30 Minuten erneut eindrucksvoll klar, ist und bleibt die Spielwiese von Angus Young und seiner Gitarre.

So sprintet er also nach seinem „Let there be Rock“-Solo im Nachthimmel zurück auf der Bühne (das Publikum feiert an diesem Abend übrigens jeden, wirklich jeden, seiner Duckwalks als sei’s der erste). Jetzt steht er auf den Lautsprechern im Hintergrund, beginnt erneut ein Zwiegespräch mit den Fans: Gitarre – Kreischen – Gitarre – Kreischen. So könnte es ewig weitergehen. Dieser Dialog hat keine Worte. Dennoch ist alles gesagt.

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