Heimatgeschichte aufbereitet: Das macht die Miesbacher Hefte so einmalig

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Historische Forschungsarbeit vor Ort: Im Mehrzweckraum des Gymnasiums stellten (v.l.) Stadtarchivarin Barbara Wank, Fanny Sergel, Theresa Kriecherbauer per Video, Lorenz Schlager und Geschichtslehrer Nicolas Klöcker beim Vortragsabend die drei jüngsten Heftnummern vor. © Thomas Plettenberg

Nicht nur für die Schule arbeiten, sondern für alle – das ist das Prinzip der Miesbacher Hefte.

Miesbach – Die heimatkundlich-historische Reihe wird seit 2019 vom Miesbacher Gymnasium fortgeführt. Jetzt wurden drei neue Werke im Rahmen eines Vortragsabends öffentlich präsentiert.

Der Wunsch, fundiert zu wissen, was einst vor Ort geschehen ist, ist gewissermaßen zeitlos. Doch gerade auf lokaler Ebene ist es schwierig, historisch zu forschen und auf wissenschaftlich belastbare Werke zurückgreifen zu können. Für den Landkreis Miesbach und vor allem für seine Kreisstadt gibt es jedoch mit den sogenannten Miesbacher Heften eine Reihe, in der historische, kulturelle und soziale Themen beleuchtet werden – in Zusammenarbeit mit dem Gymnasium Miesbach.

Denn in den Fächern Geschichte und Soziologie wird im Rahmen des W-Seminars wissenschaftliches Arbeiten zu einem Thema gefordert. Und warum nicht ein Thema wählen, das gewissermaßen vor der Haustür verortet ist? In den vergangenen Jahren sind so einige interessante Themen aufbereitet worden, von denen die letzten drei nun im Rahmen eines Vortragsabends am Gymnasium einer breiten Öffentlichkeit präsentiert wurden.

Drei Nummern vorgestellt

In der aktuellsten Ausgabe – Heft Nummer 36 – widmet sich Lorenz Schlager dem Thema „Auf Spurensuche nach Zeugnissen des Ersten Weltkrieges in Miesbach“ und beleuchtet dabei – veranschaulicht mit vielen alten Fotos – den Miesbacher Hof, die Mariengrotte am Alten Krankenhaus und die Entstehung der Schopfgrabensiedlung. Fanny Sergel hat eine Biografie unter die Lupe genommen. In „Pfarrer Rudolf Neunhoeffer und sein Konflikt mit den Nationalsozialisten“ (Heft Nummer 35) beschreibt sie seinen Weg durch die NS- und Kriegsjahre bis hin zum Jahr 1953.

Und Theresa Kriecherbauer, die mittlerweile in Oxford studiert und per Video zugeschaltet wurde, thematisierte „Fremde im Oberland – Flüchtlinge und Vertriebene nach dem Zweiten Weltkrieg in Miesbach“. Dieses Heft Nummer 34, das die Seminararbeit aus dem Abiturjahrgang 2017/19 beinhaltet, wurde inspiriert durch die aktuelle Flüchtlingssituation – stark basierend auf den Erzählungen von Zeitzeugen gemäß der sogenannten Oral History. Dass es erst jetzt öffentlich vorgestellt wurde, lag an den Terminproblemen im Rahmen der Corona-Pandemie.

Mehr als nur eine Schularbeit

Es sind die Bezüge vor Ort, also die Spuren der Vergangenheit im eigenen Lebensraum, die bei den Schülern das Interesse wecken, erklärt Geschichtslehrer Nicolas Klöcker, der zusammen mit Stadtarchivarin Barbara Wank die Schriftleitung der blauen Hefte ausübt. „Mit diesen Bezügen wächst die Relevanz und damit das Interesse.“ Das W-Seminar, die frühere Facharbeit, biete dabei den Rahmen, über drei Semester wissenschaftlich arbeiten zu können.

Ziel ist es, ein Heft pro Jahr herauszugeben. Genommen werden „herausragende Arbeiten“. Wobei diese auch aus den Bereichen Geografie, Kultur und Zeitgeschichte stammen können. Was dabei besonders motiviert: „Man arbeitet nicht nur für den Lehrer, der die Arbeit korrigiert, sondern auch für die Öffentlichkeit“, sagt Klöcker. „Das hat eine andere Bedeutung.“

Stadtarchivarin Wank unterstützt hier mit dem Fundus, den die Stadt zu den verschiedenen Themen zu bieten hat. Dabei sind die Miesbacher Hefte und ihre Erkenntnisse selbst schon ein Fall fürs Archiv.

Fortsetzung nach 16 Jahren Pause

Ins Leben gerufen wurde die Reihe 1985 am Gymnasium Miesbach von Schulleiter Andreas Scherm. 32 Hefte erschienen bis 2003, alle begleitet von Geschichtslehrer Michael Huber. Nach 16 Jahren Pause – vermutlich dem Mehraufwand des G 8 geschuldet – versuchte Klöcker einen Neustart und fand in Stadtarchiv (fachliche Unterstützung) und Kulturzentrum Waitzinger Keller (Veröffentlichung/Druck) überzeugte Mitstreiter. Die Auflage liegt bei 250 Exemplaren.

Und die sind durchaus nötig. Während die Hefte bislang nur beim Waitzinger Keller gekauft werden konnten, gibt es sie jetzt neuerdings auf Wunsch der Autoren auch beim Buch am Markt für sechs Euro pro Ausgabe. Die Faszination für Leser ist das Entdecken vor Ort, meint Wank: „Gerade Nummer 36 ist wie eine Stadtführung. Vieles lässt sich heute noch finden.“

Für Lehrer Klöcker ist es spannend „zu sehen, was aus einem Thema entsteht. Man hat zwar selbst Grundkenntnisse, aber interessant ist, was konkret herausgefunden wird.“ So habe er nicht gewusst, was für eine ambivalente Persönlichkeit der evangelische Pfarrer Neunhoeffer gewesen sei. Ein Aha-Effekt auch für den Lehrer. „Deshalb betreue ich die Reihe so gerne.“

ddy

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