Vance-Auftritt in München: „Die USA haben keinen Plan für den Ukraine-Krieg“
Im Zentrum der Münchner Sicherheitskonferenz steht der Ukraine-Krieg. Werden die USA das Land weiter mit Waffen unterstützen – oder bald fallenlassen?
Eigentlich wollte man mit dem Ukraine-Experten Andreas Umland auch über den Auftritt von JD Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz sprechen. Doch die Ukraine erwähnte Vance nur am Rande, stattdessen ätzte Donald Trumps Vizepräsident in seiner rund 30-minütigen Rede über die europäischen Verbündeten der USA. Der Ukraine-Krieg bestimmt die Sicherheitskonferenz trotzdem. Denn nur Tage zuvor hatte Trump mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert. Seitdem fürchten viele in Europa, Trump könnte mit Putin über das Schicksal des angegriffenen Landes ohne Beteiligung der Ukraine und Europas verhandeln. Aber hat der neue US-Präsident überhaupt einen Plan? Nein, glaubt der in Kiew tätige Politikwissenschaftler Umland.
Herr Umland, eigentlich war erwartet worden, dass sich US-Vizepräsident JD Vance auf der Sicherheitskonferenz in München zur Lage in der Ukraine äußert …
Stattdessen hat er eine obskure Rede gehalten, die nicht für die Sicherheitskonferenz passt, da er über europäische Innenpolitik gesprochen hat, nicht über Sicherheitspolitik. Das war kurios.
Donald Trump hat vor wenigen Tagen mit Wladimir Putin telefoniert und ein baldiges Treffen angekündigt. Markiert das Gespräch eine Kehrtwende in der Ukraine-Politik der USA?
Wenn umgesetzt wird, was Trump angekündigt hat, dann wäre das in der Tat eine Kehrtwende. Für mich ist das Skandalöseste Trumps Idee, Russland wieder in die G7 aufzunehmen. Es war schon in den 1990-ern falsch, aus der G7 durch die Aufnahme Russlands die G8 zu machen. Mich hat zudem schockiert, dass Trump die russischen Narrative über die Ursachen des Kriegs übernommen hat. Nämlich dass der Angriff Russlands ein Akt der Selbstverteidigung sei, um einen NATO-Beitritt der Ukraine zu verhindern.
Zur Person
Andreas Umland ist ein deutscher Politikwissenschaftler. Er hat in Cambridge, Oxford, Stanford und Berlin studiert und arbeitet derzeit als Analyst am Swedish Institute of International Affairs. Umland lebt in Kiew.

„Aus dem, was Trump sagt, könnte man schlussfolgern, dass die USA die Unterstützung für die Ukraine einstellen werden“
Was bedeutet das für die amerikanische Unterstützung der Ukraine?
Aus dem, was Trump zuletzt gesagt hat, könnte man einerseits schlussfolgern, dass die USA die Unterstützung für die Ukraine einstellen werden. Andererseits hat Trump auch Interesse an den Seltenen Erden geäußert, die sich in der Ukraine befinden – im Tausch gegen weitere Unterstützung für das Land. An sich ist das keine schlechte Idee, die Wolodymyr Selenskyj 2024 ins Spiel gebracht hat. Dann aber müssten die USA die Ukraine auch weiterhin mit Waffen unterstützen.
Meine News
Glauben Sie denn, dass Trump überhaupt einen konkreten Plan hat?
Aus den USA kommen viele widersprüchliche Statements. Nicht nur von Trump selbst, sondern auch von Marco Rubio, seinem Außenminister, und von Verteidigungsminister Pete Hegseth. Mein Eindruck ist, dass es keinen Plan gibt, sondern dass die US-Regierung Vorschläge macht, um auszutesten, wie Russland, die Ukraine und die Europäer darauf reagieren. Mit dem Ziel, einen Kompromiss zu finden und schnell ein Abkommen zu unterzeichnen.
Wenn man Trump und Vance so zuhört, bekommt man den Eindruck, Europa sei ihnen herzlich egal.
Was mich am meisten interessiert: Sind die USA in Zukunft weiterhin bereit, Artikel 5 des Washingtoner Vertrags auf alle NATO-Mitgliedsländer vollständig anzuwenden?
Artikel 5 besagt, dass jedes NATO-Mitglied einem anderen Bündnismitglied Beistand leistet, wenn dieses angegriffen wird.
Genau. Brisant ist die jeweilige Beantwortung dieser Frage vor allem für die baltischen Staaten, aber auch für Polen und Finnland, also die Frontstaaten der NATO. Sind die USA bereit, ihre Verpflichtung einzuhalten, sollte Russland diese Länder angreifen? Das ist die Gretchenfrage, und ich bin mir nicht sicher, dass die Antwort der Amerikaner weiterhin positiv ausfallen würde. Dabei hätte es eine große abschreckende Wirkung auf Russland, wenn sich die USA klar zu Artikel 5 bekennen würden.

„Die USA, aber auch die Westeuropäer haben die Ukraine lange Zeit als lästiges Problem betrachtet“
Auch scheint die neue US-Regierung den Ukraine-Krieg vor allem als lästiges Problem zu betrachten, das schnellstmöglich geregelt werden soll.
Die USA, aber auch die Westeuropäer haben die Ukraine lange Zeit als lästiges Problem betrachtet. Das ging bis 2022 so und war auch die Idee hinter der westlichen Akzeptanz der Minsker Knebelverträge von 2015 und 2015: dass man den Konflikt irgendwie einfriert, um das Problem vom Tisch zu haben. Aber man hat ja gesehen, dass das zu nichts Gutem geführt hat.
Jetzt könnte es auf eine ähnliche Lösung herauslaufen: den Konflikt einfrieren.
Wir könnten wieder auf eine Interimslösung zusteuern, bei der nichts geregelt ist und alle Beteiligten am Ende unzufrieden sind. Doch scheint auch eine für die Ukraine akzeptable Teillösung des Konflikts derzeit möglich. Aber dies muss so geschehen, dass für die Zukunft nichts ausgeschlossen wird. Dass also die von Russland besetzten ukrainischen Gebiete eines Tages wieder ukrainisch werden. Auch ein NATO-Beitritt der Ukraine darf nicht ausgeschlossen werden. Wenn die Ukraine die von ihr besetzten Gebiete in der russischen Region Kursk sozusagen als Faustpfand behalten kann und zudem der EU-Beitritt vorangetrieben wird, dann könnte sich die Ukraine auf so einen Deal einlassen.
Die Ukraine wird auch auf Sicherheitsgarantien pochen.
Ja, die Ukraine benötigt solche Garantien. Ich bezweifle aber, dass sich die USA daran direkt beteiligen werden. Das heißt, die Europäer müssen das alleine stemmen.
Werden sie das tun?
Ich denke, dass einige Staaten dazu bereit sind. So etwa die baltischen und skandinavischen Staaten, Polen, Großbritannien und Frankreich. Und auch Deutschland könnte sich unter einer neuen Bundesregierung dazu bereiterklären, Truppen in die Ukraine zu schicken.