Weil er Impfbefreiungen ausgestellt haben soll: Arzt muss sich vor Gericht verantworten
Ein Arzt aus dem Landkreis soll 23 Menschen eine Impfunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt haben. Der Strafprozess am Weilheimer Amtsgericht sorgte für volle Zuschauerränge – und trat eine Diskussion über die öffentliche Zugänglichkeit vergleichbarer Verhandlungen los.
Weilheim – Einen solchen Ansturm auf seinen Sitzungssaal 18 hat das Weilheimer Amtsgericht selten erlebt. Selbst als der Raum schon bis auf den letzten Stuhl gefüllt war, streckte hin und wieder jemand seinen Kopf durch den Türspalt – ganz in der Hoffnung, vielleicht doch noch einen der heiß begehrten Plätze zu ergattern. Für viele der Anwesenden hatte der Prozess eine private Note: Es war ihr Arzt, der da auf der Anklagebank saß.
Doch bevor die Verhandlung überhaupt richtig angefangen hatte, da sollten nach Ansicht von Richterin Stefanie Rainer auch schon wieder alle Zuschauer den Saal verlassen. Falls bei der Beweisaufnahme sensible Patientendaten auf den Tisch kämen, stünde das im Widerspruch mit der ärztlichen Schweigepflicht des 75-Jährigen, argumentierte sie.
Weil er Impfbefreiungen ausstellte: Arzt aus Weilheim-Schongau muss sich vor Gericht verantworten
„Wenn es um die Daten geht, dann ist das was anderes“, stimmte der Verteidiger zu. Doch auf die wolle man verzichten, beziehungsweise keine Namen nennen. „Das wäre ja der Gau, wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird“, schimpfte er. Bei der Aufarbeitung von Strafverfahren, die in Zusammenhang mit der Corona-Zeit stehen, gehöre die Bevölkerung mit einbezogen – gerade nach Veröffentlichung der RKI-Protokolle. Diesen zufolge habe es nämlich nie eine Pandemie gegeben, so der Verteidiger. Werde die Öffentlichkeit ausgeschlossen, sei das in seinen Augen ein „fundamentaler Verstoß“. Sie könne die Zuschauer für die Dauer einzelner Zeugenaussagen aus dem Raum schicken – „aber doch nicht für den ganzen Prozess“.
Da die Richterin weitestgehend bei ihrer Meinung blieb, befürchteten die Verteidiger eine Befangenheit und stellten prompt einen Antrag. Zunehmend hitzig wurde es auch zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft. Letzterer wurde sinngemäß unterstellt, sie könne sich nicht unabhängig zu der Sache äußern. „Ich kann frei sprechen“, erklärte der Verteidiger. „Ich kann auch frei sprechen“, entgegnete der Staatsanwalt.
„Immer skeptischer geworden“
Die Verhandlung wurde unterbrochen. Menschen strömten hinaus, andere wieder herein. Auf dem rappelvollen Gang wurde wild spekuliert und diskutiert. Nach langem Warten ging es weiter: Der Antrag der Verteidigung wurde abgelehnt. Schließlich, lange nach Beginn der Verhandlung, wurde die Anklageschrift verlesen. Anschließend sollte sich der Arzt ohne Nennung von Patientendaten zur Sache äußern. Danach plante man, die Öffentlichkeit bis zur Urteilsverkündung auszuschließen.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll der 75-jährige Allgemeinmediziner in der Corona-Zeit 23 Personen ohne ersichtlichem Grund eine Impfunfähigkeit bescheinigt haben. Für seine Rechtfertigung rollte der Angeklagte seine halbe Berufshistorie auf: Im Jahr 1995 sei er von einer Hebamme gebeten worden, einen Vortrag über das Impfen zu halten. Als er sich daraufhin intensiv in die Fachliteratur eingelesen habe, sei er schließlich immer skeptischer geworden. Seither hat er nicht mehr geimpft, so der 75-Jährige – übrigens selbst Impfgeschädigter, wie er erklärt. Eine Tetanus-Impfung habe bei ihm einst eine Lähmung hervorgerufen. Zu ähnlichen Fällen sei es auch in seiner Praxis gekommen, als er noch geimpft hatte, so der Mediziner.
Angeklagter: „Viele Leute sind vor lauter Angst zu uns gekommen“
Immer mehr habe er sich mit der Thematik des Impfens auseinandergesetzt. „Dann kam Corona: Sie können sich vorstellen, dass ich vorbereitet war“, sagte der Arzt vor Gericht. Für ihn war klar: Der Impfstoff ist „sehr, sehr gefährlich“. Viele hätten gewarnt und „gewusst, wie der Hase läuft.“ Argumente namhafter Bedenkenträger habe er meist für „sehr schlüssig“ empfunden.
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Dass auch er dem Impfen skeptisch gegenübersteht, habe sich damals schnell herumgesprochen und zahlreiche Menschen in seine Praxis gelockt. „Viele Leute sind vor lauter Angst zu uns gekommen, weil sie dachten, dass sie sterben werden“, erzählte er von den Bedenken seiner Klienten, die sich aufgrund von Vorerkrankungen, Erbkrankheiten oder anderen Ängsten von dem wachsenden Impfdruck befreien lassen wollten. „Angst macht krank“, sagte der Angeklagte auf Nachfrage der Richterin, ob er seinen Patienten allein wegen der Bedenken ein Attest ausgestellt hatte.
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Seine Pflicht als Arzt sei es, den Patienten keinen Schaden zuzufügen, sondern „Menschen zu schützen“, so der 75-Jährige. Dass er Empfehlungen ausspricht oder selbst nicht impfen möchte, sei im Grunde „völlig okay“, bemerkte der Staatsanwalt. Es sei jedermanns gutes Recht zu sagen: „Ich möchte das nicht“. Dennoch: Ausgestellte Atteste müssten „richtig sein“, stellte er klar.
Angstbegründung erscheint „diffus“
Als der Staatsanwalt erklärte, die Angstbegründungen würden ihm in Teilen etwas „diffus“ erscheinen, schließlich sei niemand zum Impfen gezwungen worden, traf er bei der Gegenseite einen wunden Punkt. Vielleicht habe es keine direkte Impfpflicht, in bestimmten Berufsgruppen aber einen Ausschluss aus dem Arbeitsalltag gegeben, wenn die betroffene Person nicht geimpft war, entgegnete der Verteidiger. Viele Menschen hätten „existenzielle Ängste“ gehabt, eine Impfpflicht könne jeden Tag eingeführt werden. „Wie haben sie die Angst denn festgestellt?“, hakte der Staatsanwalt nach. Nach vielen Jahren Berufserfahrung wisse er, „wie Angst aussieht“, so der Angeklagte.
Die anschließende Beweisaufnahme fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Ein Urteil ist bislang noch nicht gefallen.