Alarm wegen AfD-Jugend: Kliniken rufen Blutspender und fahren Notschichten

"Wir haben langjährige Blutspender gebeten, kurzfristig zu spenden“, erklärt die Sprecherin der Unikliniken Gießen-Marburg, Christine Bode, gegenüber FOCUS online. So könne man die Blutvorräte für weitere 40.000 Menschen aufstocken. 

Auf „Massenanfall“ von Patienten mit Polytraumata vorbereitet 

Hintergrund sind angekündigte Proteste teils gewaltbereiter Gegendemonstranten gegen die geplante Gründung einer AfD-Partei-Jugendorganisation in der  Hessenhalle in Gießen am Wochenende.

Man sei auf einen "Massenanfall“ von Patienten mit "Polytraumata“ vorbereitet. In der Klinik habe man Sonderschichten in der Notaufnahme sowie der Intensivstation geplant und die Zahl der Mitarbeiter in Bereitschaft erhöht.  

"Das alles sind professionelle Vorsichtsmaßnahmen, die wir mit Ruhe und Gelassenheit umsetzen“, so die Kliniksprecherin. 

Auch habe man bei der Stadt dafür gesorgt, dass die Wege der Klinikmitarbeiter zur Klinik gewährleistet blieben, ergänzt Bode. Solche Wege auch für Rettungsdienste freizuhalten, gehört zu den großen Herausforderungen. 

Nach der Auflösung des vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Jugendverbands "Junge Alternative“ wollen junge AfD-Mitglieder aus ganz Deutschland am Wochenende eine Partei-Jugendorganisation gründen – vermutlich mit dem Titel "Generation Deutschland“. FOCUS online-Informationen zufolge wird mit etwa 1.000 Teilnehmern gerechnet. 

Dagegen haben etwa 20 Organisationen mit bis zu 50.000 Teilnehmern Gegendemonstranten angekündigt. Getragen wird der Protest unter anderem vom DGB, Einzelgewerkschaften und zahlreichen linken Gruppen. Unter dem Motto "Widersetzen“ kündigen die Gegendemonstranten eine Totalblockade der Parteiversammlung an: "Wir kommen von allen Seiten.“  

Kinderkarussellbetreiber auf Weihnachtsmarkt schließt aus Angst 

Für die 90.000 Gießener ist das eine brenzlige Situation – zumal gleichzeitig ein großer Weihnachtsmarkt stattfindet. Der Betreiber eines nostalgischen Kinderkarussells hat laut "Gießener Anzeiger" bereits angekündigt, an dem Tag zu schließen – aus Angst vor Vandalismus. 

Die Stadt Gießen hat Gegenveranstaltungen rund um den AfD-Veranstaltungsort Hessenhallen verboten. Erlaubt sind diese nur am östlichen Lahnufer. Mit einem Eilantrag dagegen ist der DGB vor dem Verwaltungsgericht gescheitert. Die Richter sahen die Gefahr gefährlicher Gewaltausbrüche als zu hoch an.  

Der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU) appellierte an die Gegendemonstranten, bei den Protesten friedlich zu bleiben. Er blicke "mit Sorge auf Mobilisierungen in der linken Szene; vereinzelt gibt es dort auch Aufrufe zur Gewaltanwendung.“ 

An der Einsatzplanung sind laut einer Pressemitteilung neben den Polizeien der Länder und vom Bund auch das LKA und BKA sowie die Verfassungsschutzbehörden beteiligt. Mehrere Tausend Polizisten aus Hessen, anderen Bundesländern und der Bundespolizei sind am Samstag im Einsatz. 

Boote, Wasserwerfer, Dienstpferde und Drohnen im Einsatz 

Die Polizei wird die gesamte Bandbreite von Einsatzmitteln aufbieten, um möglicher Gewalt Einhalt zu gebieten: von Diensthunden und Dienstpferden über Unimogs und Wasserwerfer bis zu Hubschraubern und Drohnen. 

Da die Auseinandersetzungen entlang der durch Gießen verlaufenden Lahn befürchtet werden, ist auch die Wasserschutzpolizei mit Booten im Einsatz. 

Es sei "legitim, die AfD zu kritisieren“, so Innenminister Poseck. "Aber die Ablehnung der AfD darf unter keinen Umständen mit gewalttätigen Mitteln ausgedrückt werden. Jeder Gewalttäter ist ein Feind unserer Demokratie, egal, ob er links oder rechts steht.“ 

AfD-Jugend hat bereits eine Exit-Strategie 

Unterdessen sagte der vermutliche neue Chef der AfD-Jugendorganisation, Jean-Pascal Hohm, gegenüber FOCUS online, man erwarte, dass die Polizei die Versammlungsfreiheit garantiere. "Ich habe Verständnis dafür, dass man seine Meinung kundtut. Auch wir fahren ja an Orte, um dort gegen Auftritte von Politikern zu demonstrieren, die uns nicht gefallen.“  

Blockaden, um die Teilnehmer am Zutritt zu hindern, seien undemokratisch: "Wenn Leute verhindern wollen, dass wir uns zu einem demokratischen Akt zusammenfinden, um eine Jugendorganisation zu gründen, dann sagt das viel über das Demokratieverständnis dieser Gegner aus, die uns immer Demokratiefeindlichkeit unterstellen“, so Hohm. 

Tatsächlich habe die Partei bereits eine Exit-Strategie. "Wenn wir bis nachmittags nicht in die Halle kommen, müssen wir die Veranstaltung am Sonntag fortsetzen.“ Dafür seien alle Vorkehrungen bereits getroffen, so Hohm gegenüber FOCUS online. 

Sollte die Blockade auch am Sonntag die Veranstaltung verhindern, müsse man einen neuen Termin ansetzen, so Hohm. Das aber wäre "ein Armutszeugnis für den Staat”, wenn er es nicht schaffe, das Recht auf Versammlungsfreiheit durchzusetzen. 

Bundesverfassungsgericht: Blockaden nicht erlaubt 

Der hessische Innenminister verweist auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor wenigen Wochen. Gegendemonstrationen dürften nicht "auf faktische Verhinderung der Ausgangsversammlung gerichtet“ sein, so Roman Poseck.

Und: "Eine Gegendemonstration darf die Ausgangsversammlung nicht in einem Maße stören, dass deren Durchführung grundlegend bedroht ist.“ Blockaden wären demnach durch die Polizei zu unterbinden.