Welche Kinder sind so gewalttätig? Studienleiter mit brisanter Migranten-These

Wie viel Gewalt und Kriminalität unter Jugendlichen bleibt unentdeckt, weil die Fälle nie bei der Polizei landen? Eine großangelegte Studie der Universität Köln in Nordrhein-Westfalen hat genau das untersucht und zeigt alarmierende Entwicklungen. 

Im Interview mit FOCUS online ordnet Studienleiter Clemens Kroneberg die Ergebnisse ein. Seine brisanteste Aussage: Nicht Neu-Zugewanderte seien hauptsächlich dafür verantwortlich, sondern Jugendliche, die in Deutschland geboren wurden.

Kroneberg erklärt, man sei grundsätzlich ergebnisoffen in die Forschung gegangen. Dennoch habe das Team vermutet, dass die Corona-Jahre Spuren hinterlassen würden. Jugendliche hätten heute "ein Defizit an sozialen und emotionalen Kompetenzen", sagt er. 

Diese Kompetenzen entstünden im direkten Kontakt mit Gleichaltrigen. Kontakte, die während der Pandemie massiv eingeschränkt waren. Lehrkräfte hätten zudem weniger Chancen gehabt, früh zu erkennen, wenn ein Kind zu Aggression neige und Unterstützung brauche.

"Insofern ist es auch nicht ganz überraschend, dass wir es jetzt mit so einem Anstieg zu tun haben", sagt Kroneberg.

Migrationshintergrund und Gewalt: Was die Studie wirklich zeigt

Ein weiteres zentrales Ergebnis: Jugendliche, die im Ausland geboren wurden, begehen heute weniger Delikte als vor zehn Jahren. 

Der Studienleiter betont: "Der Anstieg ist eher unter Jugendlichen, die in Deutschland geboren wurden. Ob jetzt ihre Eltern eingewandert sind oder nicht, ist eine andere Frage, aber es ist sozusagen nichts, was neu zugewanderte Jugendliche verursacht hätten."

Damit widerspricht die Studie einem weit verbreiteten Eindruck in der Öffentlichkeit. Gleichzeitig warnt Kroneberg davor, Gewalt ausschließlich als soziale Frage zu betrachten. Lebensverhältnisse spielten eine Rolle, doch der Zusammenhang werde häufig überschätzt. Auch Jugendliche "aus Villenvierteln" könnten abrutschen, wenn Eltern nicht präsent seien. 

Warum Gewalt bei Mädchen besonders stark ansteigt

Auffällig ist der durch die Studie belegte prozentual starke Anstieg der Gewalt durch Mädchen. Kroneberg erklärt, dass Mädchen heute weniger durch traditionelle Rollenerwartungen eingeschränkt seien und Aggressionen stärker auslebten. 

Zudem mache Social Media neue Verhaltensmuster sichtbar und gesellschaftlich akzeptierter. Ein weiterer Faktor: Mädchen, insbesondere jüngere, verbrächten heute häufiger abends Zeit in der Stadt.  "Mädchen sind vielleicht auch häufiger in Überforderungssituationen", so Kroneberg. In diesen würden sie vermehrt auf ältere Gruppen treffen und Konflikte können eskalieren.

Belastete Schulen: Was Lehrkräfte heute leisten müssen

Trotz seiner wissenschaftlichen Distanz hat Kroneberg ein Befund besonders bewegt: die enorme Belastung der Schulen. Er schildert, wie groß die Herausforderungen seien, von inklusiver Beschulung über Sprachbarrieren bis hin zu familiären Belastungen der Jugendlichen - und dass all dies in Zeiten von Lehrermangel und Unterrichtsausfall bewältigt werden müsse. 

Die Leistungsbereitschaft der Schulleitungen und Lehrkräfte habe ihn "besonders berührt".