Über den „Freizeitpark Deutschland“ ärgerte sich schon der einstige CDU-Kanzler Helmut Kohl. Die Republik sei zu träge, zu teuer und zu verantwortungslos geworden. Das sagte er 1993. Vielleicht war es insofern ganz praktisch, dass die Junge Union (JU) den Showdown mit Kohls Nach-Nach-Nach-Nachfolger Friedrich Merz am Wochenende gleich in den Europa-Park im badischen Rust verlegte. Nur mit neu verteilten Rollen.
Die Schelte kam diesmal nicht vom Kanzler, sondern von dessen Parteinachwuchs. Und der warf Merz genau das vor: Trägheit, keinerlei Kostensensibilität, dafür aber große Verantwortungslosigkeit – vor allem gegenüber den nachfolgenden Generationen.
Die SPD-Rententräume kosten über 100 Milliarden
Es geht um die deutsche Rente. Und darum, wer die teuren Sozialträume des Koalitionspartners SPD noch bezahlen soll. Arbeitsministerin Bärbel Bas hatte nicht nur eine Garantie von 48 Prozent eines durchschnittlichen Arbeitnehmerlohns bis 2031 in das Gesetz verhandelt, über das der Bundestag noch im Dezember abstimmen soll.
Auch später soll das Rentenniveau um rund einen Prozentpunkt höher „als im geltenden Recht“ liegen. Die JU rechnete nach, dass das rund 120 Milliarden Euro zusätzlich kosten werde.
Die Arroganz, mit der Merz am Samstag beim JU-Deutschlandtag in Rust die verständlichen Fragen seiner jungen Parteifreunde abbügelte, war beeindruckend. Er werde dem Gesetzentwurf im Bundestag „mit gutem Gewissen zustimmen“. Daran werde nicht mehr geschraubt, machte auch SPD-Chef Lars Klingbeil in Basta-Attitüde klar. Trotzdem ist die Rentenfrage vor allem ein weiteres Merz-Fiasko – aus gleich drei Gründen.
Aus drei Gründen ist die Rentenfrage das nächste Merz-Fiasko
Der Kanzler hat am Wochenende nachhaltig seine innerparteilich letzten Fans verprellt. Der Wirtschafts- ebenso wie der Sozialflügel waren schon in den vergangenen Monaten von ihm abgerückt aus unterschiedlichen Gründen. Über Akzeptanzprobleme beim Rest der im Bundestag vertretenden Parteien wollen wir hier mal höflich schweigen.
Zweitens: Die SPD kann sich wieder einmal zugutehalten, den doppelt so großen Koalitionspartner vorgeführt zu haben bei einem Thema, das – drittens – wahrlich ebenso dringende wie grundlegende Reformen bräuchte. Die verschiebt Merz jetzt wieder gekonnt auf eine Kommissions- und Gipfel-Zukunft, die er nicht mehr zu verantworten haben wird. Wer das aktuelle Gesetz durchwinkt, braucht eine Reform der deutschen Sozialsysteme gar nicht mehr zu fordern.
Dabei gerierte sich Merz noch bis vor kurzem als größter und härtester Sozialreformer seit Otto von Bismarck. Mindestens. Obwohl er nicht mal zum „von“ zwischen Otto und Bismarck taugt, so instinktlos, wie er hier gerade wieder agiert.
Die schwarz-rote Mehrheit ist akut bedroht
Merz kommt mir immer öfter vor wie früher die Schulhof-Angeber: Große Reden, alles besser wissen, aber wenn’s drauf ankommt, zogen sie den Kopf ein. Der völlig vergeigte Renten-Gesetzentwurf könnte noch die komplette Koalition zerreißen. 18 der jüngeren Unions-Bundestagsabgeordneten haben bereits erklärt, das Projekt nicht absegnen zu wollen. Schon damit wäre die knappe schwarz-rote Mehrheit perdu.
Und nicht nur das: Etliche weitere Unions-Abgeordnete wollen es ihnen mittlerweile gleichtun. Und selbst wenn Merz‘ Fraktionschef Jens Spahn in Rust immerhin noch jene Überzeugungsarbeit versuchte, die sein Kanzler nicht für nötig hielt – es ist schon beeindruckend, dass sich auch CDU-Wirtschaftsministerin Katherina Reiche auf die Seite der JU schlug.
Warum gerade die JU Hoffnung macht
Ebenso der baden-württembergische CDU-Chef Manuel Hagel, der nächstes Jahr bei den Landtagswahlen den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann ablösen könnte. Und selbst die Senioren-Union sprach von „berechtigten Bedenken“ der jungen Parteifreunde. Merz versteht seine eigene Partei nicht mehr.
Währenddessen bringt wenigstens der Nachwuchs um den JU-Bundesvorsitzenden Johannes Winkel das mit, was dem Kanzler offenkundig bereits abhandengekommen ist: mutige Dynamik, ehrliche Kostendisziplin und verantwortungsvollen Reformeifer.