Die BBC kennt sich aus mit Kontroversen. Schon im Juli 1940 geriet Radioreporter Charles Gardner ins Kreuzfeuer – verbal, nicht militärisch. Er berichtete über den Angriff eines deutschen Luftwaffengeschwaders nahe Dover. Als die britische Luftabwehr eine Messerschmitt abschoss, rief er: „Oh boy, sowas Tolles hab ich noch nie gesehen!”
Die Mehrheit seiner Hörer wird die Freude geteilt haben. Zeitgleich gingen empörte Schreiben ein: Ein Reporter solle berichten, nicht kommentieren – erst recht nicht derart unangemessen. Es gehe um Menschenleben, nicht um ein Fußballspiel.
85 Jahre später ist der Anspruch an die BBC unverändert: unparteiische Berichterstattung. Der Zeitgeist ist dabei keine Hilfe.
Wokeness aus dem Teleprompter
So wurde erst vor Tagen eine Rüge gegen eine BBC-Nachrichtensprecherin bekannt. Die 56-Jährige hatte die auf dem Teleprompter vorformulierten Worte „schwangere Menschen“ kurzerhand in „Frauen“ korrigiert – begleitet von einem Augenrollen.
Prompt gingen, hausintern, Beschwerden aus der woke-Fraktion ein. Keine Rüge erhielt offenbar, wer den Teleprompter gefüttert hatte.
Tatenlosigkeit angeprangert
Diese mutmaßliche Schlagseite bei Gender-Themen ist Teil des öffentlich gewordenen Brandbriefs eines BBC-Beraters. Die Liste seiner Vorwürfe – und der nachweislichen Fehler – umfasst: von Antisemiten unterwanderte Berichte bei BBC Arabic über Gaza, einseitige Trans-Berichterstattung und „regelrechte Zensur“ von Zweiflern sowie ein verzerrend zusammengeschnittenes Video der Trump-Rede vor dem Sturm aufs Kapitol.
Das 19-seitige Dossier prangert zudem die „Tatenlosigkeit“ der Chefetage hinsichtlich „ernster und systemischer Probleme“ an – und löste nun den Rücktritt des BBC-Generaldirektors und der Nachrichtenchefin aus. Nicht zu vergessen die Milliarden-Klage des US-Präsidenten.
Tiefe Vertrauenskrise
Schon heißt es, der Sender sei Opfer einer rechten Kampagne. Und, zugegeben: Die BBC hat jene zum Feind, die gern Kontrolle über sie hätten, aber nicht bekommen, und die Sendeanstalt deshalb gern los wären.
Doch die eigentliche Krise ist eine des Vertrauens. Einer aktuellen Umfrage zufolge unterstützen 83 Prozent der Gebührenzahler den Auftrag der BBC. Doch nur 43 Prozent glauben, sie sei unabhängig von Regierungseinfluss. Und das bei einer Rundfunkanstalt, die ihren Mitarbeitern jede politische Meinungsäußerung – zum Beispiel auf Social Media – dienstlich untersagt.
Dass selbst unter solchen Regeln Zweifel an der Unabhängigkeit wachsen, sollte auch in Deutschland zu denken geben. Was hilft? Das, was die BBC groß gemacht hat: handwerkliche Standards, Offenheit für Kritik und Respekt vorm Publikum.
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