Der Verein Ausländerhilfe in Ebersberg feiert sein 40-jähriges Bestehen. Das Jubiläum nahmen Ilke Ackstatter und Claudia Peter zum Anlass, mit Ehrenamtlichen, ehemals Geflüchteten und Unternehmern einen gedanklichen Streifzug durch vier Jahrzehnte zu machen.
Ebersberg/Grafing – Es ist das Jahr 1982. In Grafing hat sich eine Gruppe Engagierter zusammengetan, um türkischen Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen. Integration war damals weder gewünscht, noch wurde sie praktiziert. Und es habe sich eine zunehmende Ausländerfeindlichkeit breit gemacht, erzählt Ilke Ackstaller. 1985 hat sich aus der Initiative heraus ein Verein gegründet: „Ausländerhilfe in Ebersberg“. Das Ziel: Beratung bei Problemen, Öffentlichkeitsarbeit sowie die Förderung von Integration und Chancengleichheit. Zum 40-jährigen Bestehen hat der Verein nun Einblicke in die Arbeit gewährt, mit Geflüchteten, die Fuß gefasst haben, und mit Unternehmern, die Menschen aus anderen Nationen mit offenen Händen aufnehmen.
Probleme beim beruflichen Einstieg von Geflüchteten – Ausländerhilfe mit Beispielen
Ohne die Finanzierung durch den Freistaat Bayern, den Landkreis Ebersberg und die parteiübergreifende Unterstützung in den Gemeinden sei der Erfolg nicht denkbar, sagt Ilke Ackstaller, seit 25 Jahren Sprecherin des Vereins. Vieles habe sich in 40 Jahren geändert, erzählt sie. Nach den Gastarbeitern kamen Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, später aus Syrien und Afghanistan, zuletzt aus der Ukraine. Sprachkenntnisse und die dauerhafte, befriedigende und einträgliche Arbeit seien der beste Schutz gegen psychische Probleme und Kriminalität, sagt Ackstaller.
Zwei bis vier Jahre habe man früher Geflüchtete zum Nichtstun verurteilt, schildert Claudia Peter, die als Moderatorin durch den Abend führt. Sie gehörte 1982 zum Gründerkreis der Ausländerhilfe. Aber es gab einen Paradigmenwechsel, sagt sie. Heute dürften und sollen sich fast alle nach drei bis neun Monaten einen Job suchen. Aber es gebe noch immer Hürden, wie das Beispiel von Adnan Zayyad zeigt, der 2013 nach Deutschland kam. In Syrien hat er als Schweißer bei Siemens gearbeitet. In einem sehr gefragten Beruf Fuß fassen? Weit gefehlt, die Jahre wurden für ihn zum Hindernislauf zwischen Behörden und Unternehmen.
Die nötige Prüfung, erzählt Adnan Zayyad, hätte 15 000 Euro gekostet. Das Jobcenter habe ihm angeboten, er solle ein bis zwei Jahre arbeiten und in die Sozialsysteme einzahlen, dann könne man ihn bei der Prüfung finanziell unterstützen. Es folgten Jahre als Hilfsarbeiter. Nach einer erneuten Anfrage beim Jobcenter hieß es, er arbeite ja und könne nun die Prüfung selbst finanzieren. Bei einem Stundenlohn von neun Euro eine Unmöglichkeit, klagt Adnan Zayyad. Schließlich habe er nach mehreren Jahren einen Arbeitgeber gefunden, der den Kurs finanziert habe. Die Schweißverfahrensprüfung habe er dann als einziger auf Anhieb erfolgreich abgeschlossen. „Am Dienstag habe ich die Prüfung bestanden, am Montag darauf hatte ich eine Arbeit als Schweißer.“
Manche Arbeitgeber nutzen Not von Geflüchteten
Wie die Not von Geflüchteten ausgenutzt werde, schildert Marlies Froneberg-Schröppel, eine weitere Ehrenamtliche im Verein Ausländerhilfe. Einer ihrer Betreuten sei in die Fänge einer unseriösen Zeitarbeitsfirma geraten. Die habe nicht nur den Mindestlohn unterschritten, sie habe eine sehr lange Probezeit angesetzt, habe kurz vor Ablauf das Arbeitsverhältnis gekündigt und sei mit den letzten Lohnzahlungen säumig geblieben. In dem geschilderten Fall habe man arbeitsrechtlich vorgehen können, da der Mitarbeiter gewerkschaftlich organisiert war und man das Fehlverhalten des Unternehmens beweisen konnte. Andere Geflüchtete seien hilflos ausgeliefert, sagt Marlies Froneberg-Schröppel.
Dass es auch anders geht, wird bei drei Unternehmen aus dem Landkreis deutlich: Georg Lohmair von Bergmeister Leuchten hat mit ausländischen Arbeitnehmern gute Erfahrungen gemacht. Natürlich ginge nicht immer alles reibungslos, weder mit den Mitarbeitern, noch mit den Behörden. Er kann sich noch an den Fall eines Senegalesen erinnern, der höchst motiviert im Unternehmen gestartet ist. Durch sprachliche Unkenntnis habe er eine Frist versäumt. Die Arbeitserlaubnis sei nicht verlängert worden, obwohl man zuletzt noch alles darangesetzt habe, ihm zu helfen.
Ohne die Helfer im Hintergrund hätten wir das nicht gewuppt.
Sonja Naumann, Unternehmerin aus Kirchseeon, machte bislang gute Erfahrungen mit Menschen aus anderen Nationen. Sie unterscheide als Gründerin des Kirchseeoner Helferkreises ohnehin nicht nach Herkunft. Bei den Behörden sehe sie aber auch das eine oder andere Problem. So habe es bei einem ihrer Mitarbeiter eineinhalb Jahre gedauert, bis man bei der deutschen Botschaft in Skopje (Nordmazedonien) einen Termin bekommen habe.
Christoph Lochmüller ist geschäftsführender Gesellschafter von Riedl Aufzugbau. Wie sich die Dinge verändern, bringt er an diesem Abend so auf den Punkt: „Früher nannte man sie Gastarbeiter, heute Kollegen.“ In seinem Unternehmen sind unter 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus 17 Nationen vertreten. Auch er sieht die Sprachkenntnisse als wichtigste Grundlage. Es würde aber auch bereits helfen, sagt er, wenn sich in globalen Zeiten in Unternehmen Englischkenntnisse durchsetzen würden. Und er spricht seinen Dank dem Verein aus. „Ohne die Helfer im Hintergrund hätten wir das nicht gewuppt.“