Auf der Ferieninsel Gran Canaria sorgt ein ungewöhnliches Industrieprojekt für hitzige Debatten: Eine Firma will in der Inselhauptstadt Las Palmas die weltweit erste großangelegte Oktopus-Farm errichten. Dort sollen nach Angaben von „zdf heute“, das in einer Reportage über den Oktopus-Streit berichtet, jährlich bis zu eine Million Kraken gezüchtet und geschlachtet werden. Die Betreiber sehen darin eine Antwort auf die sinkenden Wildbestände – Umweltschützer warnen jedoch vor ökologischen und ethischen Konsequenzen.
Zoff um Oktopus-Farm auf Gran Canaria
Der Oktopus ist rund ums Mittelmeer eine begehrte Delikatesse. Doch klagen Fischer seit Jahren über immer weniger Oktopusse im Meer. In der Europäischen Union gibt es bislang keine Fangquoten für Kraken, und selbst grundlegende Regeln zur Zahl der Fanggeräte werden oft missachtet. Behörden in Italien und Griechenland ziehen jedes Jahr Hunderttausende illegale Fallen aus dem Meer – ein deutliches Zeichen, dass der Bestand unter Druck steht.
Befürworter der geplanten Zuchtfarm argumentieren daher, die kontrollierte Nachzucht könne helfen, den Druck auf die Wildbestände zu verringern. Gegner sehen das anders: Sie warnen, dass eine industrielle Zucht völlig neue ethische und ökologische Probleme schaffe.
„Oktopusse leiden unter Stress“ – scharfe Kritik von Tierschützern
Besonders lautstark äußert sich Elena Lara, Meeresbiologin und Aktivistin der Organisation „Compassion in World Farming“. Sie bezeichnet das Projekt im Interview mit „zdf heute“ als grausames Experiment: „Als Einzelgänger, die sich im Dunklen verstecken, leiden sie in hellen, kargen Becken mit Dutzenden ihrer Artgenossen unter hohem Stress.“
Lara weist darauf hin, dass Oktopusse hochintelligente, aber nicht-soziale Tiere sind. In engen Becken könnten sie aggressiv werden und sich sogar gegenseitig töten. „Unter Stress und zusammengepfercht auf engem Raum fangen sie an, sich gegenseitig zu fressen“, sagt sie im Gespräch mit dem deutschen Sender. Laut Projektunterlagen wird intern bereits damit gerechnet, dass zwischen zehn und fünfzehn Prozent der Tiere vorzeitig sterben.
Regierung in Las Palmas stoppt die Pläne – vorerst
Im Sommer 2023 stoppte die kanarische Regionalregierung das Projekt – allerdings nicht aus Tierschutzgründen, sondern wegen Umweltbedenken: Es sei unklar, ob das Abwasser der Anlage das nahegelegene Hafenbecken und ein geschütztes Seegebiet verschmutzen könnte. Die Pläne liegen seither auf Eis, die Betreiber arbeiten jedoch an einem neuen Umweltbericht. Der ursprünglich geplante Produktionsstart 2027 steht nun in Frage.
Politisch ist die Angelegenheit heikel: Spanien verfügt bislang über keine spezifischen Gesetze für Oktopus-Aquakulturen. Während die Regionalregierung zurückhaltend agiert, fordern nationale Umweltverbände ein generelles Verbot solcher Anlagen – auch als Signal an die Europäische Union.
Blick über den Atlantik: USA verbieten Oktopus-Farmen
Während Spanien zögert, haben andere Länder bereits gehandelt. In den US-Bundesstaaten Kalifornien und Washington sind Oktopus-Farmen seit 2024 gesetzlich verboten, berichtet „zdf heute“ weiter. In Hawaii wird über ein ähnliches Gesetz diskutiert. Die Begründung ist eindeutig: Die Haltung von hochintelligenten Tieren in Gefangenschaft sei nicht mit modernen Tierschutzstandards vereinbar.
Spanische Aktivisten fordern nun ein entsprechendes Verbot auch in der EU. Sie sehen darin nicht nur eine moralische, sondern auch eine ökologische Notwendigkeit, um die Ausbeutung mariner Ökosysteme zu verhindern.
Forschung statt Massenzucht? Neue Station in Galizien
Trotz des umstrittenen Projekts bleibt das Thema Oktopuszucht in Spanien präsent. Anfang 2025 eröffnete das zweitgrößte Fischereiunternehmen des Landes in Galizien eine Forschungszuchtstation. Ziel sei es laut offiziellen Angaben, zu prüfen, ob die millimetergroßen Oktopus-Larven in Gefangenschaft überhaupt überleben können.
Auf Anfrage von „zdf heute“ bestreitet der Konzern, dass es sich um eine Vorbereitung für eine kommerzielle Aquakultur handelt. Man wolle die Tiere „züchten, um sie auszuwildern und damit den Bestand im Meer aufzustocken“. Kritiker glauben jedoch, dass hier die Grundlagen für künftige Zuchtanlagen geschaffen werden – nur unter einem anderen Namen.