„Stadtbild“ steht jetzt also auch auf der Liste der unerwünschten Wörter. Als Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) jüngst äußerte, die illegale Migration habe das deutsche Stadtbild verändert, begann links der Mitte das übliche Empörungstheater. Stigmatisierend, verletzend, unanständig, spalterisch sei das! „Ein Stachel in unsere Demokratie“ habe Merz mit dieser Aussage gesetzt, fabulierte der Fraktionschef der Linken.
Links empört man sich einfach gerne über Wörter statt über reale Zustände. Jeder am eigenen Weltbild kratzende Begriff ist potenziell demokratiegefährdend. „Sprache schafft Realitäten“ lautet eine linke Grundüberzeugung. Will heißen: Man glaubt, wenn Missliebiges nicht mehr benannt werden kann, ist es folglich auch nicht da. Deshalb steckt man gerne viel Energie in Sprachmaniküre.
Sagen, was ist? Lieber nicht
Eine Soziologin der Universität Hamburg ließ in einem Interview zur Causa „Stadtbild“ verlauten: Das Problem mit dem Begriff "Stadtbild" sei, dass er ein unklares Gefühl der Fremdartigkeit und der Angst aufgreife. "Ein kollektives Gefühl des Unwohlseins" werde damit konstruiert. Der Begriff sei ein beschönigender Code für "die sichtbare Anwesenheit von Menschen, die als nicht-deutsch oder nicht-weiß wahrgenommen werden". Soso.
Es geht also darum, was in einem Wort angeblich mitschwingt. Was man sieht, darf deshalb nicht einfach in Worte gepackt werden. Es könnten die falschen sein! Merke: Sprache ist nie nur Mittel der Kommunikation, sondern Kampfzone.
Für Sprachaktivisten gäbe es noch so viel zu tun
Das Ansprechen von Realitäten ist deshalb kompliziert geworden. Obwohl die Sache in diesem Fall doch offensichtlich ist: Natürlich hat sich das Stadtbild in den letzten Jahren verändert. Oder sind die vielen bärtigen, arabischstämmigen Pro-Pali-Demonstranten etwa Einbildung? Die Talahons in der nächtlichen Feierszene?
Wenn es schon harmlose Formulierungen wie die des „Stadtbilds“ trifft, frage ich mich, wie wir zukünftig noch ehrlich miteinander sprechen wollen. Es sind schon viele Wörter in den letzten Jahren in Ungnade gefallen. „Clankriminalität“, „Migrationshintergrund“ oder „illegale Migration“, wären da zum Beispiel. „Irreguläre Migration“ heißt es jetzt politisch korrekter, aber wie ich ihrer Webseite entnehmen kann, hat „Pro Asyl“ auch da naturgemäß etwas zu meckern.
Es ist vielleicht nur noch eine Frage der Zeit, bis „Kopftuch“ zum neuen Tabuwort, „Hijab“ das neue Wort der Stunde wird. Statt „abgelehnter Asylbewerber“ sagen wir dann alle „Asylsuchender mit negativem Bescheid“. In Sachen linker Sprachhygiene gäbe es noch so viel zu tun!
„Suche deutschsprachige Verkäuferin für Modegeschäft“
Apropos – übertriebene Empörung findet sich ja heutzutage vielerorts. Auf der Karriereplattform LinkedIn ging es neulich hoch her. Da echauffierte sich eine Recruiterin über eine Annonce in der Lokalzeitung. Denn in der Stellenausschreibung stand: „Suche deutschsprachige Verkäuferin für Modegeschäft. Wenn möglich, mit Berufserfahrung, Alter ca. 40-65 Jahre.“
Ihr wäre beinahe der Löffel in die Cornflakes gefallen, schreibt die Recruiterin entsetzt in ihrem Post. Und fragt sich dort weiterhin: „Wie viel Diskriminierung passt in ein klitzekleines Stellenangebot? Wärt ihr genauso geschockt gewesen wie ich?“
Ich musste wie so oft erst mal nach dem Grund des Anstoßes suchen gehen. Mein Hirn denkt nun mal nicht nach den strengen Vorgaben des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Ich dachte erst an Altersdiskriminierung. Dann an Geschlechterdiskriminierung. Und blieb dann grübelnd noch beim Wort „deutschsprachig“ hängen. Ist das ihr Ernst?
Deutsch in Deutschland, na so was
Ein Blick in die Kommentarspalte sprach Bände. Und versprach immerhin beste Unterhaltung. Dort mokierte sich CDU-Politiker Wolfgang Bosbach: „Abgesehen davon, dass die Annonce nicht rechtskonform ist. Das ist ja ein Skandal sondergleichen! Da soll die Verkäuferin doch tatsächlich (auch) Deutsch können. Obwohl der Arbeitsplatz in Deutschland ist!? Ja, gibt es denn so was. Das ist ja ungeheuerlich“, so der ironische Kommentar.
„Antidemokrat*innen“ mögen sich gar nicht erst bewerben
Wenn wir schon bei missratenen Stellenanzeigen sind. Ich stieß auf LinkedIn neulich noch auf ein weiteres, interessantes Exemplar. Diesmal war ich diejenige, die ihren Augen nicht traute. Stand da doch unten in der Annonce folgender Satz: „Wir bitten Antidemokrat*innen von einer Bewerbung abzusehen“. Verfasser des Ganzen: die Pflegekammer Nordrhein-Westfalen. Sie suchen Verstärkung in puncto Öffentlichkeitsarbeit.
Die Leiterin der Kommunikation war sich ihrer Sache sehr sicher. Stolz postete sie auf LinkedIn: „Die, die sich dadurch nicht mehr angesprochen fühlen, dürfen sich aussortiert wissen.“ Denn: „Parteien, Organisationen, Unternehmen und Personen, die sich demokratiefeindlichen Strömungen anschließen, haben bei uns keinen Platz.“ Schließlich gehe es bei alldem um Haltung „bei dem voranschreitenden Rechtsruck im Land“. Viel Lob und Zuspruch hätten sie für diese Aktion bekommen.
Sollte sich jemand eine solche Bewerbung wirklich antun wollen, rate ich als Vorbereitung noch ein bisschen political correctness zu büffeln, sonst wird das wohl nichts. Vorzeigedemokrat sein will gelernt sein. Das Wort „Stadtbild“ sollte vor dem Bewerbungsgespräch besser vorsorglich aus dem Wortschatz gestrichen werden.
Nicht nur das Stadtbild, auch die Geräusche haben sich verändert
Ich hätte da übrigens noch etwas, was obige Kreise in höchsten Aufruhr versetzen dürfte. Denn haltet euch fest: Nicht nur das Stadtbild hat sich verändert. Sondern oft auch die damit einhergehende Geräuschkulisse.
Ich empfehle ein paar Regionalbahnfahrten durch die Republik. Ich teilte schon mehrfach meinen Waggon mit ein paar Großfamilien. Da ging es dann recht trubelig zu. Arabische Musik, familiäre Handygespräche, TikTok-Videos für die Kinderbespaßung wurden kurzerhand auf Lautsprecher gestellt. Prinzipiell scheint es ein zunehmender Trend zu sein, seinen Gegenpart nicht mehr leise am Ohr zu haben, sondern das ganze Umfeld daran teilhaben zu lassen.
Wenn die Realität zu anstrengend wird
Natürlich liegt das Geräuschproblem zum Teil auch an den oftmals älteren Herrschaften, die den Stumm-Modus ihres Smartphones noch nicht entdeckt haben. Ein insgesamt nervendes Problem, fand offenbar aber auch die Münchner Verkehrsgesellschaft. Deshalb gibt es seit einigen Monaten in Bus und Bahn extra Durchsagen gegen den Lärm. „Lautsprecher aus – Kopfhörer an. Damit alle nur das hören, was sie hören möchten.“ Angeblich haben sich das viele Fahrgäste gewünscht.
Ich habe mir jetzt Noise-Cancelling-Kopfhörer gekauft. Teuer, aber sie funktionieren großartig. Lästige Störgeräusche werden einfach rausgefiltert. So gesehen betreibe auch ich ein wenig Realitätsverweigerung, im kleinen Stil. Im großen Stil tun das andere. Und die machen – siehe die Aufregung oben – mit ihrem Realitätsverlust auch noch Politik.