Südtiroler Hotelier-Chef schaltet sich in Tourismus-Zoff ein: „Genug Reglementierungen”

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Südtirol braucht kein neues Tourismuskonzept, findet der Südtiroler Hotelverbands-Chef und warnt vor zu viel Regulierung in einer gut laufenden Branche.

Bozen – Südtirol zieht jedes Jahr viele Touristen an. Der Zustrom an Reisenden sorgt in der italienischen Provinz regelmäßig für Verkehrschaos, die Einheimischen reagierten bereits mit Protesten. Zuletzt waren auch Beschränkungen für beliebte Touristen-Hotspots im Gespräch. Der Präsident des Hoteliers- und Gastwirteverbands (HGV) Südtirol, Manfred Pinzger, warnt indes vor zu viel Reglementierung.

Touristen flanieren über den Obstmarkt in der Altstadt von Bozen in Südtirol: In der italienischen Region spitzt sich die Debatte über Massentourismus zu.
Touristen flanieren über den Obstmarkt in der Altstadt von Bozen in Südtirol: In der italienischen Provinz spitzt sich die Debatte über Massentourismus zu. © IMAGO/Rupert Oberhäuser

Zunehmender Unmut über Massentourismus in Südtirol

Genervt vom Massentourismus zeigte sich zuletzt selbst der Präsident des italienischen Alpenvereins CAI, Carlo Zanella. Die Touristen kämen heutzutage in Sandalen und mit Sonnenschirmen auf den Berg. „So sollten die Berge nicht sein. Heute sind sie voller Unvorbereitete und Proleten“, so der CAI-Chef zur italienischen Tageszeitung Corriere della Sera. Er selbst mache mittlerweile Urlaub in ruhigeren Regionen Italiens.

Der „Selfie-Tourismus“ habe jedes Limit überschritten, beklagte auch der Landeshauptmann der Provinz Südtirol, Arno Kompatscher, und forderte: „Wir müssen Einheimische, Natur, aber auch den traditionellen Tourismus schützen – auch mit Zugangsbeschränkung und Kontingentierungen für Hotspots.“

Egal ob Seiser Alm (l.) oder Seceda (r.): In Südtirol tummeln sich in der Hauptsaison vielerorts tausende Touristen – zu viele, sagen Kritiker. Nun meldet sich der Hotelier-Chef zu Wort. © Carlo Alberto Zanella/dpa/Manuel Kamuf/Imago

Tourismusforscher Harald Pechlaner nannte Gegenmaßnahmen an Hotspots wie dem Pragser Wildsee oder in Villnöß nur „kurzfristige Symbolbekämpfung“. HGV-Chef Pinzger widerspricht dem Forscher im Interview mit Stol: „Wir haben im Südtiroler Tourismus zum Teil völlig unterschiedliche Realitäten.“ Man dürfe nicht alle Regionen über einen Kamm scheren und reglementieren. Regelwerke brauche es seiner Meinung nach nur dort, „wo es absolut notwendig ist – nämlich in den genannten Hotspots. Ansonsten sollte man wirtschaftsliberal bleiben. Genau mit dieser Einstellung sind wir erfolgreich geworden.“ Südtirol brauche kein neues Tourismuskonzept, betont der Hotelierverbands-Chef und ergänzt: „Wir haben ohnehin schon genug Reglementierungen.“

„Wir dürfen uns nicht unter Wert verkaufen“: Pinzger verteidigt Südtirols hohe Tourismuspreise

Die Region Südtirol profitiert wirtschaftlich von den vielen Urlaubern, die Preise zogen zuletzt deutlich an. Pinzger rechtfertigt das: „Personalkosten und Energiekosten sind hoch, deshalb mussten die Preise steigen. Zudem sind Qualität und Angebot in Hotellerie und Gastronomie sehr gut. Wir dürfen uns nicht unter Wert verkaufen.“ Gleichzeitig räumte er im Gespräch mit Stol aber ein, dass die Obergrenze der Preise „langsam erreicht ist.“ Im vergangenen Jahr verzeichnete Südtirol mit 37,1 Millionen Übernachtungen einen neuen Besucherrekord. Allein im August kamen sechs Millionen Reisende – so viele wie nie zuvor in diesem Monat, wie es vom Landesinstitut für Statistik hieß.

Nicht nur in Italien regt sich Widerstand gegen den Massentourismus. Auch in Portugal oder Spanien gibt es regelmäßig Proteste. Aus Expertensicht kommen zwei Faktoren zusammen: einerseits der Reise-Ansturm nach der Corona-Pandemie. Andererseits die Tatsache, dass Einheimische während der Pandemie ihre Orte, Strände und Berge plötzlich ganz für sich hatten, wie Charlie Devereux im Podcast Reuters Econ World betont.

Einer der Hauptfaktoren der Unzufriedenheit sei nun „der Druck auf den Wohnungsmarkt“. Aber auch die Belastung der öffentlichen Infrastruktur, meint der Experte. Der Overtourism-Index zeigt, welche Regionen im Sommer besonders belastet sind – und empfiehlt Reiseziele ohne Touristenmassen.

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