Auf Besuch in der Psychiatrie: Antdorfer Theaterer spielen „Neurosige Zeiten“

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Turbulente Wendungen: (v.l.) Künstlerin Desiree, Stalkerin Marianne und der stotternde Waldi versuchen einen kühlen Kopf zu bewahren – auch wenn sie Tupperware-Vertreterin Herta für tot halten. © Anne Rossa

Die Antdorfer Theaterer spielen wieder: „Neurosige Zeiten“ von Winnie Abel bringen die Schauspieler auf die Bühne. Sie entführen in die offene Wohngruppe der Antdorfer Psychiatrie – und werfen die Frage auf: Was ist eigentlich Normal?

Antdorf – Gibt es eigentlich „normale“ Menschen? Wenn ja, dann sind sie bei den Antdorfer Theaterern genau richtig. Denn „Normalität ist heilbar“, eröffnet Regisseurin Carolin Daser als Prof. Dr. Dr. Fassdicht das Theaterstück „Neurosige Zeiten“ von Winnie Abel.

Die sexsüchtige Astrid Adolon (Agnes Schöffmann-Manges) lebt in der offenen Wohngruppe der Antdorfer Psychatrie – und das auf richterlichen Beschluss. Konnte sie ihrer Familie bis jetzt vorgaukeln, dass sie immer noch beruflich erfolgreich ist und in einer schicken Villa am Rand von München lebt, sieht sie ihr Kartenhaus vom Einsturz bedroht: Mutter Cäcilie Adolon (Claudia Schmidt) kündigt ihren Besuch an.

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Grund für den Trubel: Astrids (r.) Mutter Cäcilie stattet ihrer Tochter einen Besuch ab. © Anne Rossa

Um die Wahrheit zu verstecken, wird aus Stalkerin und Mitbewohnerin Marianne (Liesa Völk) kurzerhand die Haushälterin, aus dem neurotischen Hans (Manuel Geier) Lebensgefährte „Darling“ und aus dem stotternden und soziophoben Waldi (Marco Teubner) der Hausmeister. Nur Romy (Bianca Bast), die unter Gedächtnisschwund leidet, lassen die Bewohner liebevoll in dem Glauben, sie hätte am Vortag zu viel getrunken – und dadurch einen Blackout. Wie jeden Tag.

Was ist eigentlich normal? Diese Frage werfen die Antdorfer Theaterer mit dem Stück „Neurosige Zeiten“ auf

Die berühmte Künstlerin Desiree (Leonie Kirchbichler) ist auch nicht wegen manischer Depressionen, sondern wegen einem Wasserschaden in Astrids Haus. Das liegt „gegenüber“ einer Psychatrie, wie die Sexsüchtige ihrer Mutter erklären will und so hofft, das Klinikpersonal zu rechtfertigen.

Ansehen

Das Stück „Neurosige Zeiten“ wird von den Antdorfer Theaterern an folgenden Tagen gespielt:
• Donnerstag (18. Juli) um 20 Uhr
• Freitag (19. Juli) um 20 Uhr
• Samstag (20. Juli) um 20 Uhr
• Sonntag (21. Juli) um 18 Uhr
Einlass ist jeweils eine Stunde vor Beginn.

Kartenreservierung
Karten können unter Telefon 0152/27542769 zu folgenden Zeiten reserviert werden:
• Montag von 18 bis 20 Uhr
• Mittwoch von 15 bis 19 Uhr
• Donnerstag von 15 bis 19 Uhr
• Freitag von 11 bis 15 Uhr

Infos gibt es online unter www.antdorfer-theaterer.de.

Es könnte alles so einfach sein. Blöd nur, dass Marianne die Tupperware-Vertreterin Herta (Daniele von Hösslin) eingeladen hat. Und dass sich Mariannes Objekt der Begierde – Schlagersänger Harry Hammer (Jan Feddersen) – mit Bild-Reporter Freddy (Manuel Henning) für die Sensationsstory „Harry Hammer verbringt eine Nacht mit seiner Stalkerin“ auftaucht.

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Die laszive Psychiaterin Dr. Dr. Ilse Schanz hält die Bewohner - und die, die nur auf Besuch sind - auf Trab. © Anne Rossa

Auch Sozialarbeiterin Rachel (Marianne Fichtner) – die mit „Basteln Extreme“ ihre „Truppe“ mit militärischem Befehlston auf den rechten Weg führen will – sorgt für Stress unter den Bewohnern. Und dann wäre da noch die laszive Psychiaterin Dr. Dr. Ilse Schanz (Sophie Babilon) – die von den Bewohnern „Dr. Gnadenlos“ genannt wird.

In drei Akten zeigen die Laienschauspieler die Geschichte einer Wohngruppe, deren Alltag erst aus den Schienen gelangt und dann völlig auf den Kopf gestellt wird. Es entfaltet sich eine Geschichte, welche die Rollenverteilung der Normalen und der Bewohner langsam in Frage stellt.

Die Antdorfer Theaterer entführen mit dem Stück „Neurosige Zeiten“ in die offene Wohngruppe der Antdorfer Psychiatrie

So ist die Tupperware-Vertreterin Herta überzeugt, dass sie es mit „Irren“ zu tun hat, im Laufe ihres Aufenthaltes wird sie aber gewalttätig und bedroht die Bewohner mit dem „Raspelfix“. Trotzdem bleibt sie dabei: „Ich bin doch nicht verrückt“ – worauf Künstlerin Desiree nur entgegnen kann: „Das sagen sie alle“.

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Ist das etwa Harry Hammer? Der Schlagerstar besucht seine Stalkerin für eine Bild-Reportage in der Psychiatrie. © Anne Rossa

Auch Betreuerin Rachel wirkt mit ihrem militärischen Ton und ihrer Versessenheit aufs Basteln selbst ziemlich sonderbar. Psychiaterin Dr. Dr. Schanz, die mit Peitsche und lasziver Art auffällt, spielt nicht nur mit Dominanz – sondern lebt sie. Und schreckt dabei auch vor körperlicher Gewalt nicht zurück.

Die Abgründe, die sich bei Star Harry Hammer auftun, lassen Stalkerin Mariannes jahrelange Liebe bröckeln. Denn er mag weder Nussmakronen, noch ist er mit Frau Helga zusammen. Stattdessen hat er in jeder Stadt eine andere „Sternschnuppe“. Das ist auch der Grund, warum sich das Blatt in Akt drei schließlich wendet: Astrids Mutter Cäcilie kommt Schlagersänger Harry nämlich irgendwie bekannt vor…

Mit viel Witz und schauspielerischem Können zeigen die Antdorfer Theaterer den inneren Wandel ihrer Figuren – und das Publikum zeigt sich zu Recht begeistert. Beim Verlassen des Antdorfer Schützenhauses fühlt man sich gleich viel normaler als zuvor.

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