Neuer Hamas-Anführer Sinwar: Eine Gefahr für Frieden mit Israel
Yahya al-Sinwar führt jetzt die Hamas. Er gilt als Hardliner – und könnte den Friedensverhandlungen zwischen Israel und der Hamas schaden.
Gaza – Die Hamas hat Yahya al-Sinwar zum neuen Leiter ihres politischen Büros ernannt. Nach dem Tod von Ismail Hanija, dem bisherigen politischen Führer, übernimmt nun ein militanter Hardliner die Führung der Gruppe. Hanija, der als moderater galt, wurde letzte Woche bei einem Bombenangriff in Teheran getötet. Sowohl die Hamas als auch die iranische Regierung machen Israel für diesen Angriff verantwortlich und haben Rache geschworen. Israel hat eine Beteiligung bisher weder zugegeben noch abgestritten.
Die Ernennung Sinwars wurde am 6. August in einer kurzen Mitteilung der islamistischen Organisation bekannt gegeben, die von iranischen Staatsmedien, die der Hamas nahe stehen, verbreitet wurde. Sinwar, der als einer der Hauptverantwortlichen für den Angriff auf Israel am 7. Oktober gilt, hält sich laut IDF in einer Reihe von Tunneln unter dem Gazastreifen auf. Er ist Mitbegründer der Hamas und gilt als die einflussreichste Figur der Organisation. Ein hochrangiger Hamas-Beamter kommentierte die Ernennung gegenüber der Nachrichtenagentur AFP mit den Worten: „eine starke Botschaft an die Besatzung [Israel; Anm. d. Red.], dass die Hamas ihren Weg des Widerstands fortsetzt“.
Sinwar könnte den Friedensprozess für Gaza gefährden – wird der Krieg in Israel länger andauern?
Sinwar, der 23 Jahre in israelischen Gefängnissen verbrachte und vier lebenslange Haftstrafen wegen versuchten Mordes und Sabotage verbüßte, ist bekannt für seine militante Haltung. Ein ehemaliger Vernehmungsbeamter beschrieb ihn gegenüber dem britischen Guardian als „1.000% engagiert und 1.000% gewalttätig, ein sehr, sehr harter Mann“. Seit Februar 2017 war Sinwar der Hamas-Führer im Gazastreifen. Er wird verdächtigt, den Angriff auf Israel am 7. Oktober ohne Rücksprache mit der politischen Führung um Hanija, der in Katar lebte, gestartet zu haben.

Mit Sinwars Ernennung zum alleinigen Anführer der Hamas wird die Suche nach einem Waffenstillstand und einer Freilassung der Geiseln im Austausch für palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen wohl noch schwieriger. Jehad Harb, ein politischer Analyst des ‚Palestinian Center for Policy and Survey Research‘, sagte gegenüber dem Wall Street Journal, dass die Hamas mit dieser Entscheidung signalisiere, „dass sie strategisch hinter dem Ansatz des bewaffneten Widerstands steht“.
Israel möchte Sinwar schnell beseitigen – und erntet Kritik von US-Präsident Joe Biden
US-Außenminister Antony Blinken betonte, dass es maßgeblich von Sinwar abhänge, ob ein Abkommen über eine Waffenruhe in Gaza zustande komme. „Das unterstreicht nur die Tatsache, dass es wirklich an ihm liegt, zu entscheiden, ob ein Waffenstillstand vorangetrieben wird“, so Blinken gegenüber Reportern. Die indirekten Verhandlungen, die unter der Vermittlung der USA, Katars und Ägyptens stattfinden, seien an einem „entscheidenden Moment“ angelangt.
Die israelische Regierung hingegen sieht in Sinwars Ernennung einen „weiterer zwingender Grund, ihn schnell zu beseitigen und diese abscheuliche Organisation vom Antlitz der Erde zu tilgen“, wie Außenminister Israel Katz auf dem Kurznachrichtendienst X schrieb. IDF-Sprecher Daniel Hagari bekräftigte diese Position in einem Interview mit dem in Saudi-Arabien ansässigen Nachrichtensender Al Arabiya: „Es gibt nur einen Platz für Yahya Sinwar, und das ist neben Muhammad Deif und all den Terroristen, die für den 7. Oktober verantwortlich sind. Das ist der einzige Platz, den wir für ihn vorbereiten und bestimmen“.
Sinwars neue Position könnte Gaza-Krieg verlängern – er könnte die Friedensverhandlungen behindern
Die Politik der gezielten Tötung hochrangiger Hamas-Führer, einschließlich derjenigen des gemäßigteren politischen Flügels, hat zu wachsenden Spannungen zwischen US-Präsident Joe Biden und dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu geführt. Wie die New York Times und andere US-Medien berichteten, sagte Biden letzte Woche in einem Telefongespräch mit Netanjahu, dass der israelische Premierminister die Bemühungen um einen Waffenstillstand absichtlich sabotiere.
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Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas äußerte seine Besorgnis, dass Hanijas Tod den Krieg im Gazastreifen verlängern könnte. „Es besteht kein Zweifel, dass die Ermordung von Herrn Hanija darauf abzielt, den Krieg zu verlängern und sein Ausmaß zu vergrößern“, sagte er gegenüber der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA. Dies werde „sich negativ auf die laufenden Verhandlungen zur Beendigung der Aggression und zum Abzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen auswirken“, so Abbas weiter. (tpn)