Airlines ziehen sich aus Deutschland zurück: Das sind die Gründe für den Aderlass
Der Luftverkehr in Deutschland wächst nach Corona deutlich langsamer als in den meisten anderen europäischen Ländern. Hohe Kosten schrecken Airlines ab.
Frankfurt – Das Streichkonzert an deutschen Flughäfen geht weiter. Nach Ryanair und Eurowings will nun auch die Condor seltener in Hamburg abheben. Lufthansa-Chef Carsten Spohr warnt parallel vor weiteren Einschnitten in die Flugpläne. Bereits seit Monaten werden die hohen staatlich veranlassten Steuern und Gebühren als Grund für die Flaute am deutschen Himmel genannt. Die Ticketpreise steigen und neue kostspielige Auflagen sind bereits beschlossen.
Deutsche Flughäfen sind nicht ausgelastet: Airlines beklagen hohe Steuern und Abgaben
Dem Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) zufolge werden von September 2024 bis Ende Februar 2025 von, nach und innerhalb Deutschlands Flüge mit 115,7 Millionen Sitzplätzen angeboten. Das sind zwar fünf Prozent mehr als ein Jahr zuvor, aber auch immer noch 13 Prozent weniger als in der Zeit vor der Corona-Pandemie. Im europäischen Vergleich fliegt Deutschland mit dieser Erholungsquote von 87 Prozent deutlich dem Angebot im übrigen Europa hinterher, wo inzwischen 106 Prozent erreicht sind.
Einen besonders schmalen Flugplan haben die mittelgroßen Flughäfen wie Stuttgart (66 Prozent), Düsseldorf (74 Prozent), Köln (75 Prozent) oder Berlin (76 Prozent). Hamburg stand bis zu den jüngsten Ankündigungen mit 86 Prozent noch vergleichsweise gut da.
Im Kern geht es bei den Beschwerden der Airlines um die zum 1. Mai um 25 Prozent erhöhte Luftverkehrssteuer (15,53 bis 70,83 Euro je nach Entfernung), die Flugsicherungsgebühren und die sogenannte Luftsicherheitsgebühr, die für die Kontrolle der Passagiere und ihres Handgepäcks am Flughafen erhoben wird. Hier soll die mögliche Höchstgrenze von derzeit zehn Euro pro Passagier im kommenden Jahr auf 15 Euro steigen.
Auflagen der Bundesregierung noch strenger: Synthetischer Treibstoff für die Luftfahrt
Dazu kommen Start- und Landegebühren der Flughäfen und neue Umweltauflagen der Europäischen Union. Sie verlangt neben dem bereits bestehenden Emissionshandel ab dem kommenden Jahr die steigende Beimischung nachhaltig produzierten Kerosins (SAF), beginnend mit einem Anteil von zwei Prozent. Biogenes SAF wird unter anderem aus Speiseölresten hergestellt und ist rund viermal so teuer wie herkömmliches Kerosin.
Ab 2030 muss dann auch Treibstoff enthalten sein, der allein aus Ökostrom synthetisch hergestellt wird. Für das Verfahren „Power-to-Liquid“ (PtL) gebe es europaweit noch keine einzige Fabrik, moniert Lufthansa. Deutschland verlangt in einem nationalen Alleingang bereits ab 2026 eine PtL-Unterquote von 0,5 Prozent innerhalb des SAF-Anteils. Diese Quote werde wegen mangelnder Verfügbarkeit nicht erfüllbar sein, erklärt der Lufthansa-Konzern.

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Im Ergebnis seien die staatlich verursachten Kosten an deutschen Flughäfen um ein Mehrfaches höher als in den europäischen Nachbarländern, hat der Branchenverband ADV berechnet. So sind beim Start eines Mittelstreckenjets vom Typ Airbus A320 hierzulande im Schnitt gut 3500 Euro fällig im Vergleich zu 1300 Euro bei den Nachbarn. Auf Langstrecken würden sogar viermal so hohe Gebühren fällig wie an den Konkurrenzstandorten.
Immer mehr Airlines streichen Flüge in Deutschland
Ganz eindeutig hat der innerdeutsche Flugverkehr Federn gelassen. Im BDL-Flugplan ist für Inlandsflüge, die nicht als Zubringer an die Drehkreuze Frankfurt oder München gehen, nur noch ein Viertel der Sitze registriert, die vor der Corona-Pandemie angeboten wurden. Dass Eurowings nun die Verbindung Hamburg– Köln streicht, ist die Verlagerung von Dienstreisen auf die Bahn oder in Video-Konferenzen. Im internationalen Vergleich fällt auf, dass Punkt-zu-Punkt-Anbieter ihr Angebot ab Deutschland deutlich auf 78 Prozent des Vorkrisen-Niveaus reduziert haben.
Die Zahl der von Deutschland direkt erreichbaren Ziele sinkt, wie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in seiner regelmäßigen Studie feststellt. Viele Strecken werden nur noch von einem Anbieter geflogen, was die Ticketpreise weiter anheizt. Gleichzeitig wachsen Anbieter wie Ryanair oder Wizz als Unternehmen aber dynamisch.
Ryanair verlangt einen Durchschnittspreis von 66 Euro pro Ticket
Aber Gebühren und Steuern sind doch für alle gleich an den deutschen Flughäfen? Warum entsteht da keine ausreichende Konkurrenz? Bis zu einem gewissen Grad können sich Airlines aussuchen, welche Verbindungen sie anbieten. Vor allem die Billigflieger achten dabei auf einen möglichst niedrigen Einstiegspreis, um ihre Flugzeuge zuverlässig füllen zu können. Bei einem durchschnittlichen Ticketpreis von 66 Euro, wie Ryanair laut DLR ihn im Januar 2024 von deutschen Abflughäfen erhoben hat, ist erkennbar wenig Luft für staatlich veranlasste Steuern und Gebühren, die mindestens die Hälfte dieser Summe ausmachen.
Werden die Tickets im Schnitt teurer, steigt das Risiko von verlustbringenden Flügen: Die Airlines weichen auf andere Strecken aus. Das gilt selbst für die eigentlich auf den deutschen Markt konzentrierte Lufthansa-Tochter Eurowings. Der Lufthansa-Konzern verfolgt zudem eine klare Internationalisierungsstrategie mit Übernahmen in Österreich, Schweiz, Belgien und möglicherweise bald in Italien und Portugal. Nur noch rund ein Drittel des Umsatzes erlöst der MDax-Konzern in Deutschland.