Billigflieger streichen immer mehr Strecken in Deutschland: „Eine Schande“

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Billigflieger in Deutschland reduzieren ihr Streckennetz. Die Fluganbieter leiden unter den hohen Flughafengebühren. Trotz Hilferufe an die Politik verteuern sich die Gebühren weiter.

Berlin – Die konkurrierenden Billigflieger Ryanair, Wizz Air und Easyjet haben alle eines gemeinsam: Sie reduzieren ihr Streckennetz in Deutschland. Grund dafür sind die hohen Flughafengebühren, die ihre Gewinne auf Kurz-und Mittelstrecken erheblich schmälern, sodass viele Verbindungen nicht mehr rentabel sind. Für Reisende bedeutet das weniger Flugangebote und höhere Preise – die schrumpfende Auswahl verringert den Wettbewerb und verteuert damit auch die Flüge. 

Billigflieger Ryanair streicht ein Fünftel aller Flüge am Berliner Flughafen

Erst im Sommer hatte Ryanair angekündigt, sein Angebot am Berliner Flughafen massiv zu kürzen. 20 Prozent des Flugverkehrs am Flughafen Berlin Brandenburg (BER) soll einstellt werden. Die stationierten Flugzeuge sollen von neun auf sieben reduziert werden, was zu einem Verlust von 750.000 Sitzplätze und sechs Strecken führt. Die Standortkosten seien einfach zu hoch, so Ryanair – und droht mit weiteren Kürzungen in Deutschland in der Zukunft. Ryanair ist derzeit der größte Fluganbieter am BER. 

Die irische Billigfluggesellschaft hat die deutsche Politik mehrmals in den letzten Jahren, auch öffentlich, vorgewarnt. Die Flugsicherungsgebühren seien laut einer Aufrechnung der Airline seit 2019 um über 100 Prozent gestiegen, ab Januar 2025 sollen überdies die Sicherheitsgebühren um 50 Prozent angehoben werden. Auch die jüngste Erhöhung der Luftverkehrssteuer um fast 25 Prozent stößt den Billigairlines auf. 

Bundeskanzler Olaf Scholz
Ryanair hat die Politik in den letzten Jahren mehrmals vorgewarnt, dass die Flughafengebühren zu hoch seien. (Archivbild) © Michael Kappeler/dpa

Flughafen Berlin immer noch nicht am Niveau vor der Corona-Pandemie

„In einer Zeit, in der Berlin eigentlich wachsen sollte, bleibt Ryanair keine andere Wahl, als die Kapazität aufgrund dieser horrenden Flugkosten um 20 Prozent zu reduzieren”, so Ryanairs CEO Eddie Wilson. Es sei „eine Schande“, dass eine der größten europäischen Städte wie Berlin eine der langsamsten Erholungen seit der Covid-Pandemie vorweist.

In der jüngsten Stellungnahme des Unternehmens heißt es, die Erholung des Luftverkehrs in Deutschland liege bei nur 82 Prozent des Niveaus vor Covid und sei damit Schlusslicht in ganz Europa – vor allem der Berliner Flughafen zähle zu jenen Flughäfen in Europa, die sich am schlechtesten erholt hätten. Überhöhte Zugangskosten und „chronisches Missmanagement“ seien schuld daran. Der Flughafen sei deswegen „stark unterausgelastet“ und habe weniger Fluggäste als viel kleinere europäische Städte wie Dublin oder Kopenhagen. Und während andere europäische Städte ihre Zugangskosten senken, seien die Kosten in Berlin „außer Kontrolle geraten“.

Schon im Herbst 2020 meinte Ryanair Group CEO Michael O’Leary: „Die höheren Flughafenkosten in Berlin machen es für uns attraktiver, Flugzeuge auf kostengünstigere Alternativen in andere Regionen Deutschlands und Europas zu verlegen.“ Neben Berlin sei auch Frankfurt am Main betroffen, wo ebenfalls überhöhte Flughafenentgelte eingehoben würden – obwohl der Flugverkehr dadurch einbreche. 

Ryanair stellt in Rom neue Strecken für Winter 2023/24 vor
Ryanair-Group-Chef O'Leary wandte sich mehrmals an die Politik. (Archivbild) © Cecilia Fabiano/LaPresse via ZUMA Press/dpa

Neben Ryanair ziehen sich auch andere Billigairlines aus Deutschland zurück

Doch nicht nur die irische Billigairline kämpft mit den hohen Flughafengebühren. Auch die ungarische Billigfluggesellschaft Wizz Air wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit mit dem Winterflugplan vom Flughafen Köln-Bonn zurückziehen. Aktuell stünden laut Handelsblatt Flughafenbetreiber und Fluggesellschaft in Verhandlungen. Auch hier sind die hohen Flughafengebühren für den Rückzug verantwortlich und Wizz Air liebäugle mit der Idee, einen Teil des Streckennetzes einzusparen. Dies hat der britische Konkurrent Easyjet schon vorgemacht: Dieser hat seine in Berlin stationierte Flotte bereits letztes Jahr von 18 auf elf Flugzeuge drastisch reduziert. 

Die Flughafengebühren in Deutschland sind im Vergleich zu 2019 an vielen Standorten deutlich gestiegen. Beispielsweise kostete ein typischer Flug mit einem Airbus A320 im Jahr 2019 in Düsseldorf 2.227 Euro, während im Mai dieses Jahres dafür 4.390 Euro fällig wurden, schreibt das Handelsblatt – ein Anstieg von 97 Prozent. Auch in anderen Städten sind die Gebühren erheblich gewachsen: Frankfurt (+53 Prozent), München und Berlin (+66 Prozent), Hamburg (+75 Prozent). Im Gegensatz dazu haben internationale Flughäfen wie Oslo, Barcelona, Madrid und Istanbul ihre Gebühren niedrig und stabil gehalten.

In Deutschland entstehen Monopolrouten: Billigflieger werden verdrängt

Und das ist nicht alles: Viele Flugstrecken entwickeln sich zu Monopolrouten, auf denen nur noch eine Fluggesellschaft oder die Marken eines Konzerns operieren. Diese Situation ermöglicht es den Anbietern, die Preise zu diktieren, was dazu führt, dass Tickets auf diesen Strecken im Durchschnitt teurer sind als bei konkurrierenden Verbindungen. „In den vergangenen Jahren wurde nicht nur die Luftverkehrsteuer mehrfach erhöht, auch die Gebühren für Passagier- und Gepäckkontrollen steigen“, so Ralph Beisel vom Flughafenverband ADV zum Handelsblatt. „Irgendwann ist das Fass voll, und Airlines ziehen sich vom deutschen Markt zurück.“

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