Abschussrekord: Ukrainischer Pilot zeigt erstmals Können der F-16

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Sechs auf einen Streich: Mit vier Luft-Luft-Raketen und seiner Bordkanone hat jetzt ein ukrainischer Pilot mit seiner F-16 sechs russische Marschflugkörper vom Himmel geholt. Die Bewaffnung der Maschinen hängt vom jeweiligen Auftrag ab – manchmal belegen Zusatztanks die Waffen-Steckplätze. © IMAGO / Mike Mareen

Putins Marschflugkörper-Angriff durch einen tapferen Piloten abgewehrt. Experten empfehlen weiterhin Geduld, bis Ukraine ihren Luftraum zurückerobert.

Kiew – „Zum ersten Mal in der Geschichte der Fighting Falcon hat ein F-16-Kampfjet sechs russische Marschflugkörper in einem Kampfeinsatz zerstört“, schreibt das Luftwaffenkommando der Ukraine in den sozialen Medien – der Kiew Independent berichtet von dem Abschussrekord, mit dem die westlichen Kampfjets erstmals öffentlich für ein vermeintliches Husarenstück im Ukraine-Krieg herausgehoben werden; dem Piloten soll das nur mithilfe der 20-mm-Maschinenkanone M-61 gelungen sein.

Dieser Abschuss veranlasst das Magazin Defense Express zur Spekulation, warum die Maschine lediglich mit vier Luft-Luft-Raketen bewaffnet war – der Kampfjet kann an seinen Pylonen bis zu 16 Waffen unter den Tragflächen halten. Der Beschreibung zufolge bestand das vorhandene Arsenal aus zwei Mittelstrecken-Abfangraketen des Typs AIM-120 und zwei Abfangraketen des Typs AIM-9 für kurze Distanzen.

F-16 im Ukraine-Krieg: Netz der Luftabwehr gegen anfliegende Marschflugkörper enger geknüpft

Laut dem US-amerikanischen Air & Spaces Forces Magazine waren die vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im August der Öffentlichkeit präsentierten Jets tatsächlich mit radargesteuerten Luft-Luft-Raketen mittlerer Reichweite vom Typ AIM-120 AMRAAM und Infrarot-Luft-Luft-Raketen kurzer Reichweite vom Typ AIM-9 Sidewinder ausgestattet. Die Fähigkeiten dieser Waffen für die F-16-Kampfjets variierten je nach Modell, erläutert Air & Spaces Forces. Die Jets in der Ukraine trügen offenbar das Modell AIM-9: „Im Vergleich zu den ältesten Sidewinder können sie ihr Ziel aus größeren Winkeln anvisieren – sogenannte Off-Boresight-Fähigkeit“ – diese Raketen sind also fähig, Ziele abseits der Längsachse erfassen zu können, ihr Sucher hat dafür einen größeren Schwenkwinkel.

„Seit Beginn dieses Krieges haben wir mit unseren Partnern über die Notwendigkeit gesprochen, unseren ukrainischen Himmel vor russischen Raketen und russischen Flugzeugen zu schützen. Wir haben es geschafft. Ich bin stolz auf unsere Jungs, die diese Flugzeuge beherrschen und bereits begonnen haben, sie für unser Land einzusetzen.“

Laut Defense Express könne die F-16 in der Grundkonfiguration sechs Luft-Luft-Raketen aufnehmen – vier unter den Flügeln und zwei an den Flügelspitzen, wie das Magazin darstellt. Die Pylonen näher an der Flügelwurzel und unter dem Rumpf können nur Luft-Boden-Waffen, Container mit Zusatzausrüstung und externe Treibstofftanks aufnehmen. Insgesamt verfügt die F-16 über neun Aufhängungspunkte für Waffen.

In dem Zusammenhang erinnert das Magazin daran, dass die Ukraine von den Nato-Partnern die F-16-Version mit ECIPS/CJS-Smart-Pylonen geliefert bekommen habe. Laut Defense Express seien diese dafür ausgelegt, das Flugzeug vor Raketenangriffen zu schützen und Gegenmaßnahmen gegen elektronische Kriegsführung zu ergreifen. Bereits zum Eintreffen der ersten Maschinen hatte sich die Ukraine versprochen, dass dadurch das Netz der Luftabwehr gegen anfliegende Marschflugkörper enger geknüpft werden könne.

Putins Marschflugkörper: Todfeind der bodengestützten Luftabwehr

Der Defense Express erklärt Marschflugkörper zum Todfeind der bodengestützten Luftabwehr. Deren geringe Größe und ihr Tiefflug knapp über den Baumwipfeln mache das Abfangen zum Glücksspiel. Radarsysysteme sind in Höhen bis zu 50 Metern über größte Distanzen hinweg relativ blind – und bieten Marschflugkörpern somit eine uneingeschränkte Anflugzone, selbst wenn die eigentlichen Abfangraketen über eine höhere Leistung verfügten. Darüberhinaus sind bodengestützte Luftabwehrsysteme in ihrer Mobilität eingeschränkt, um die Ukraine flächendeckender beschützen zu können.

Das Radar einer F-16 dagegen biete eine größere Abdeckung des Raumes sowie eine viel höhere Mobilität durch wechselnde Patrouillengebiete innerhalb der riesig großen Ukraine. Die Bewaffnung des Kampfjets hänge allerdings auch von diesem speziellen Einsatz gegen tief fliegende Marschflugkörper ab. Weil das Abfangen von Marschflugkörpern vom Kampfjet eine ebenso niedrige Flughöhe wie die des Marschflugkörpers erfordere, muss der Pilot dort fliegen, wo der Luftwiderstand höher ist, und damit der Treibstoffverbrauch ebenfalls in die Höhe schießt. Zwingend erforderlich wäre dann, dass die Maschinen die Plätze an den Pylonen mit 300 bis 600 Gallonen-Tanks (1.100 bis 2.300 Liter) nutzt.

Der jetzt erfolgte wundersame Abschuss resultierte aus einer spontanen Handlung am Ende einer Mission und bei geringem Füllstand, wie der Kiew Independent wiedergibt: Ohne seine vier inzwischen erfolgreich verschossenen Luft-Luft-Raketen und zur Neige gehenden Reserven, entdeckte der ukrainische Pilot die beiden letzten Ziele, während er schon auf dem Rückflug war, und die Marschflugkörper offenbar Kurs auf Kiew eingeschlagen hatten. „Er versuchte, sie abzufangen und eröffnete mit seiner Bordkanone das Feuer auf das Geschoss, das mit über 650 Kilometern pro Stunde flog – ein schwieriges und riskantes Manöver“, so die Informationen der Luftwaffe.

Ukrainischer F-16-Piot: „alles so gemacht, wie es ihm seine US-Ausbilder beigebracht hätten“

„,Ein paar Salven aus der Kanone – und eine Explosion … dann noch eine! Eine zweite Detonation, dachte ich, aber wie sich herausstellte, waren es zwei Raketen“, sagte der Pilot gegenüber dem Kiew Independent. Laut dem Medium fügte er hinzu: Er habe alles so gemacht, wie es ihm seine US-Ausbilder beigebracht hätten.

Geplant war, dass die Ukraine bis Jahresende 2024 rund 20 Maschinen bekommen haben soll. Das scheint jetzt realisiert zu sein; nachdem die erste Tranche wohl ein halbes Dutzend bis maximal zehn Jets umfasst hatte. Allein Dänemark war als erstes Land bereit gewesen, 19 Maschinen zu liefern, „die restlichen 13 sollen, einschließlich dieser jüngsten Lieferung, in zwei weiteren Phasen eintreffen“, schreibt das ukrainische Portal United24 Media. Möglicherweise sollen jetzt bereits mehr als ein Dutzend F-16 aus Dänemark, Norwegen oder den Niederlanden für die Ukraine fliegen. Mit Beginn 2025 könnte eine komplette Staffel mit rund 20 Flugzeugen einsatzbereit sein.

Tatsächlich sei sinnvoll, dass die Ukraine ihre wenigen F-16-Kampfjets zur Luftverteidigung und zum Schutz vor Drohnen- und Raketenangriffen einsetze, während sie auf weitere Lieferungen warte und das ukrainische Personal sich an die Jets gewöhne, sagt David Jordan vom Thinktank Center for Strategic and International Studies (CSIS) aktuell gegenüber Newsweek : „Das ist kein Zeichen von Zaghaftigkeit, sondern eine sehr vernünftige Entscheidung, während man darauf wartet, dass die Truppenstärke aufgestockt wird.“ Trotz dieses ersten Ausweises ihrer Kompetenzen hat die F-16 noch lange keinen Ausgleich in der Lufthoheit über der Ukraine hergestellt.

Ukraine schießt sich ein: „Es wird noch Jahre dauern, bis die ukrainische Luftwaffe genug Erfahrung hat.“

Anders als die bodengestützten Waffensysteme wie die HIMARS-Raketen (High Mobility Artillery Rocket System) Russland unverzüglich taktische sowie strategische Umstellungen aufgezwungen hatte, werde die F-16 noch eine lange Zeit brauchen, um Auswirkungen in ähnlicher Dimension zu zeitigen, schreiben Christopher Koeltzow, Brent Peterson und Eric Williams. „Es wird noch Jahre dauern, bis die ukrainische Luftwaffe genug Erfahrung hat, um Kampfeinsätze effektiv durchzuführen. Wenn sie jedoch mit der richtigen Luft-Boden-Munition ausgestattet wird, wird sie schnell in der Lage sein, Angriffe über große Entfernungen durchzuführen“, schreiben die CSIS-Analysten.

Ihnen zufolge bräuchten die Piloten eine Vielzahl derartiger Kampfeinsätze, um sich effektiv umzustellen und die ukrainische Luftwaffe aus ihrer Passivität herauszuhelfen. Der jetzt gemeldete Abschuss auch mit der Maschinenkanone kann als erster Achtungserfolg gelten und den Piloten insgesamt mehr Zutrauen vermitteln. Dennoch oder gerade deshalb gehen Koeltzow, Peterson und Williams davon aus, dass die Erwartungen an die Maschine weiterhin gedämpft bleiben müssen. Erhebliche Auswirkungen der F-16 auf das gesamte Geschehen im Ukraine-Krieg erwarten sie frühestens im Verlauf dieses Jahres.

Der ukrainische Präsident Woloymyr Selenskyj scheint mit den bisherigen Leistungen zufrieden zu sein, wie ihn das Air & Spaceforces Magazin zitiert hat. „Seit Beginn dieses Krieges haben wir mit unseren Partnern über die Notwendigkeit gesprochen, unseren ukrainischen Himmel vor russischen Raketen und russischen Flugzeugen zu schützen. Wir haben es geschafft. Ich bin stolz auf unsere Jungs, die diese Flugzeuge beherrschen und bereits begonnen haben, sie für unser Land einzusetzen.“

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