„Amputierte“ F-16-Kampfjets: Ukraine-Attacken gegen Putin bleiben in der Wirkung ineffektiv
Russland fühlt sich durch die F-16 bedroht: Daher droht Moskau mit nuklearen Waffen und verbreitet Falschinformationen über Abstürze und alkoholisierte Piloten.
Kiew – „Die F-16 und ihre Piloten werden auf sehr großen Widerstand der russischen Luftabwehr stoßen, sowohl am Boden als auch in der Luft“, sagt Hunter Stoll. Neben dem Analysten des Thinktank RAND herrscht unter Beobachtern Einigkeit darüber, dass die gerade eingetroffenen F-16-Kampfjets den Verteidigern im Ukraine-Krieg weniger effektiv helfen würden, als über die vergangenen Monate gehofft.
F-16-Kampfjets in der Ukraine: Russlands Propaganda schießt sich auf Kiews Hoffnung im Luftkrieg ein
Demgegenüber scheint sich die russische Propaganda darauf einzuschießen, die Maschine grundsätzlich schlechtzureden. Die Deutsche Welle legt aktuell offen, dass Wladimir Putins Militärblogger offenbar Falschmeldungen verbreiten.
„Ukraine. Die erste F-16 ist ohne Kampf abgestürzt“ – so lautet auf Russisch die Botschaft eines Videos auf X (vormals Twitter) sowie auf den russischen Sozialen Netzwerken VK und Odnoklassniki, in dem ein Flugzeug trudelt und dann plötzlich senkrecht zu Boden stürzt; danach flammt eine Explosion auf. Der Faktencheck zu den F-16-Kampfjets im Ukraine-Krieg ergibt dagegen, dass die Bilder des Videos erstens schon vier Wochen alt und zunächst auf TikTok veröffentlicht worden sein sollen. Als Urheber konnte ein Taxifahrer aus Polen identifiziert werden – „auf seinem Video steht auf Ukrainisch: „F16 abgestürzt‘“, wie die Deutsche Welle schreibt.
Russische Propaganda im Ukraine-Krieg: Bewusste Falschmeldungen über die F-16-Kampfjets und ihre Crews
„In weiteren Videos, gepostet am gleichen Tag, erklärt der Nutzer, dass er Zeuge eines Flugzeugabsturzes am Flughafen Gdynia-Kosakowo geworden ist“, so die DW. Laut dem Generalkommando der polnischen Streitkräfte war die abgestürzte Maschine eine M-346 Bielik von deren Luftwaffe auf einem Trainingsflug und demnach kein F-16-Kampfjet im Ukraine-Krieg. Eine weitere Falschmeldung bezog sich auf Ausbildungsstand und die Einstellung der Piloten. Nach einer Veröffentlichung auf X soll das rumänische Verteidigungsministerium offiziell moniert haben, dass die Leistungsfähigkeit der künftigen F-16-Piloten zu wünschen übrig ließe.
„Die Art der Auflagen ist, drücken wir das mal höflich aus, unübersichtlich. ... Ich meine, im Idealfall – aus operativer Sicht – sollten alle Auflagen fallen.“
Als Grund werde „die nachlässige Einstellung beim Englischlernen“ sowie die „Verschlechterung der sportlichen Leistungsfähigkeit aufgrund von Gewichtszunahme und Alkoholkonsum“ genannt, wie die Deutsche Welle berichtet. Auch das erwies sich als reine Propaganda. Allerdings hatte sich die Ukraine tatsächlich bereits Anfang Juni über den Ausbildungsstand und das Engagement der USA beschwert, wie Politico berichtet hatte: „Ukrainische Politiker drängen die USA und andere Länder, ihre Pilotenausbildung für die F-16-Kampfjets zu intensivieren. Sie meinen, dass derzeit nicht genügend Piloten für die Jets ausgebildet würden, die demnächst an Kiew geliefert werden sollen“, schreibt das Magazin.
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F-16-Kampfjets in der Ukraine: Herausfordernde Aufgabe für Piloten im Kampf gegen Putins Luftabwehr
Die Aufgabe auf diesem System wird für den einzelnen Piloten tatsächlich herausfordernd sein. Die F-16-Kampfjets sollten zunächst defensiv agieren. Zur Vorbereitung habe die Ukraine wohl versucht, gezielt Batterien mit S-300 oder S-400-Luftabwehr-Raketen mit hoher Reichweite zu neutralisieren – letztendlich um den F-16-Kampfjets in der Luft in einem halbwegs sicheren Luftraum Ellbogenfreiheit zu verschaffen; um dann ihrerseits gegen Iskander-Stellungen oder anfliegende Marschflugkörper anfliegen zu können – „das soll den F-16 eine hohe Möglichkeit des Überlebens geben“, sagt Oberst Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer im ZDF.
Ukraine-Krieg gegen Russland: Nichts Spektakuläres von den F-16-Kampfjets zu hören – und zu erwarten
Spektakuläres sei von den Maschinen bisher nicht zu hören gewesen – wahrscheinlich weil man auch nichts Spektakuläres erwarten darf, mutmaßte gerade Tim Deisinger vom Mitteldeutschen Rundfunk in seinem Podcast Was nun, Herr General? Erhard Bühler geht – entsprechend den Angaben des britischen Economist – von zehn einsatzfähigen F-16-Kampfjets in der Ukraine aus. Das ist die erste Tranche der inzwischen auf 79 Maschinen angewachsenen Zusage der Nato-Länder. Bis Ende des Jahres sollen dann zehn weitere Maschinen folgen.
„Es ist schon ein langsamer Prozess“, sagt der ehemalige Generalleutnant und Ex-Nato-Kommandierende. Auch Bühler kritisiert die in ihrer Effektivität scheinbar „amputierten F-16“, wie Journalist Deisinger einwirft – selbst mit Abstandswaffen scheint die Ukraine keine potenziell feuernden russischen Maschinen über russischem Kernland angreifen zu dürfen: „Die Art der Auflagen ist, drücken wir das mal höflich aus, unübersichtlich“, wie Bühler sagt. Das beträfe die Systeme, die eingesetzt werden sollen, das beträfe genauso die Munition, die mittels dieser Systeme verschossen werde, das beträfe die Räume, in denen sie eingesetzt werden dürften und den Zweck, wie er sagt.
Nato-General übt Kritik: Auflagen für den Waffeneinsatz der F-16-Kampfjets sollten fallen
„Ich meine, im Idealfall – aus operativer Sicht – sollten alle Auflagen fallen“, sagt er. Sollte das politisch ausgeschlossen sein, müssten die jeweiligen Geberländer ihre Systeme harmonisieren und sie für die Ukraine handhabbar machen, fordert er gegenüber dem MDR. Laut dem US-amerikanischen Air & Spaces Forces Magazine waren die vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj der Öffentlichkeit präsentierten Jets tatsächlich mit radargesteuerten Luft-Luft-Raketen mittlerer Reichweite vom Typ AIM-120 AMRAAM und Infrarot-Luft-Luft-Raketen kurzer Reichweite vom Typ AIM-9 Sidewinder ausgestattet. Vermutungen über den Ausrüstungsstand hatten sich also bewahrheitet.
Die Fähigkeiten dieser Waffen für die F-16-Kampfjets variierten je nach Modell, erläutert Air & Spaces Forces. Die Jets in der Ukraine trügen offenbar das Modell AIM-9: „Im Vergleich zu den ältesten Sidewinder können sie ihr Ziel aus größeren Winkeln anvisieren – sogenannte Off-Boresight-Fähigkeit“ – diese Raketen sind also fähig, Ziele abseits der Längsachse erfassen zu können, ihr Sucher hat dafür einen größeren Schwenkwinkel.
Analysten bezweifeln schnelle Erfolge gegen Putin: Integration der F-16 wird Jahre dauern
Allerdings bleibt die Frage zu beantworten, wie weit ins russische Territorium hinein die westlichen Maschinen wirken dürfen, um die Russen nicht über Gebühr zu provozieren. US-Präsident Joe Biden hat Präsident Wolodymyr Selenskyj die Zusage abgerungen, die F-16-Kampfjets keinesfalls für Angriffe auf gegnerisches Territorium einzusetzen – das hatte die Neue Zürcher Zeitung bereits im vergangenen Jahr gemeldet.
Den langsamen Prozess der Integration der Maschinen in die Strategie und Taktik der Ukraine sehen auch Analysten: „Es wird Jahre dauern, bis die ukrainische Luftwaffe genug Erfahrung hat, um Kampfeinsätze effektiv durchzuführen“, schreibt Christopher Koeltzow. Der Analyst des Center for Strategic and International Studies (CSIS) aus Washington D. C. mutmaßt, die ukrainischen Piloten müssten schon „hervorragende Leistungen“ erbringen, um in einer ihrer Kernaufgaben „ohne höhere Kampfverluste“ bestehen zu können: im Angreifen und Ausschalten der gegnerischen Luftabwehr, um selbst handlungsmächtig zu werden für Angriffe auf strategische Ziele.
Ukraine benötigt Waffen und Taktiken: Ansonsten wären die F-16-Kampfjets nur Kanonenfutter für Putin
„Man kann viele schnelle Jets haben, aber wenn diese nicht über wirksame Waffen verfügen und die Besatzungen nicht in der Lage sind, sie mit wirksamen Taktiken einzusetzen, werden sie einfach in großer Zahl abgeschossen“, sagt Justin Bronk. Wie viele andere bezweifelt auch der Analyst des Royal United Services Institute (RUSI) die schnelle Wirksamkeit der westlichen F-16-Kampfjets im Ukraine-Krieg, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Vor allem behauptet Russland immer wieder, die Maschine würde Atomwaffen ins Land hineintragen. Zumindest hineintragen können.
Die Deutsche Welle hatte sich bereits nach Ausbruch des Krieges im Februar 2022 auseinandergesetzt mit der Behauptung Wladimir Putins, die Ukraine wolle Atomwaffen erwerben; das sagte er anlässlich der Militärparade zum 77. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion über Nazi-Deutschland in Moskau, wie die Deutsche Welle berichtete; Putin habe aber dafür keine Belege beigebracht. Lediglich Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte angedroht, allein die Präsenz der F-16 und deren Möglichkeit, Atomwaffen zu tragen, reiche ihm als Begründung, genau dieses Szenario anzunehmen, wie er dem russischen Magazin lenta.ru gegenüber geäußert hatte.
Was die ukrainischen Piloten mit ihren F-16 letztendlich leisten dürften, wird vom weiteren Kriegsverlauf abhängen und Putins vermeintlichen nächsten Schritten, wie Air & Space Forces den ukrainischen Präsidenten Selenskyj zitiert: „Diese Entscheidung ist für unsere Partner wahrscheinlich schwierig, da sie immer eine unnötige Eskalation befürchten.“ (Karsten Hinzmann)