Lebensretter beim Familien-Essen: Pflege-Azubine (20) wird zur Heldin
Die anderen aßen Gyros, sie rettete eine Fremde: Nisrin Ait Bella (20) griff beherzt ein. Das liegt ihr im Blut. Sie wird Pflegefachkraft.
Irgendwie liegt Nisrin Ait Bella das Helfen im Blut. Ihre Oma hat als Altenpflegerin gearbeitet, ihre Mutter ist in der Branche tätig, und die junge Frau startete nach der Schule eine Ausbildung zur Pflegefachkraft. Etwas anderes kam nie infrage. „Wir haben in der Familie darüber gelacht, dass wir alle dasselbe machen.“ Bei Familientreffen ist das immer wieder Thema. Seit einem dramatischen Abend im Februar noch viel mehr: Ait Bella griff heldenhaft ein, als andere wegschauten – und half einer Frau, die urplötzlich kollabierte.
Lebensretter beim Familien-Essen: Pflege-Azubine rettet Fremde, als die beim Griechen kollabiert
Im griechischen Stammrestaurant in Weilheim traf die 20-Jährige ihre Familie. Das tut sie immer am Todestag von Nisrins Opa. Die Tischrunde war nett, die Gespräche normal. Bis Ait Bellas Mutter am Nachbartisch etwas beobachtete. „Eine Frau ist einfach von ihrem Stuhl gerutscht und hat sich nicht mehr gerührt“, erinnert sich die Tutzingerin. In ihrer Ausbildung hat Ait Bella damit gerechnet, dass ein solcher Moment irgendwann einmal kommt. „In der Notaufnahme rechnet man immer mit allem.“ Beim Familienessen ist das unüblich. Vorbereitet war die junge Frau trotzdem.
Notfall beim Gyros-Essen: Junge Heldin rettet Frau im Restaurant
„Die Frau hat nicht mehr reagiert“, sagt die Auszubildende, vier Begleiter hätten ihren Namen gerufen, versucht, sie zu wecken. Ait Bella griff zum Handy und rief einen Notarzt – und „hatte Herzrasen“. Trotzdem reagierte sie besonnen: „Ich habe schnell eine Jacke zusammengerollt und unter ihren Kopf gelegt.“ Ihre Familie packte mit an: Die Mutter überprüfte die Atmung der Fremden, „Oma hat die Beine der Frau hochgelegt“, das sei wichtig für die Durchblutung. „Wir glauben, dass es ein Schlaganfall war“, sagt Ait Bella. Die Frau zeigte einige Symptome, die darauf hindeuten.
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Andere Gäste halfen nicht. Ait Bella „war total schockiert, die meisten Leute haben einfach normal weiter gemacht“. Während das Pfleger-Trio versuchte, eine ohnmächtige Frau zu versorgen, stocherte man am Nachbartisch in der Portion Gyros mit Pommes. „Die meisten hätten wahrscheinlich nicht gewusst, was sie überhaupt tun sollen“, sagt die 20-Jährige.
Heldin in Weilheim: Azubi leistet Erste Hilfe nach Kollaps
Ait Bella weiß das natürlich. „Wir haben Erste-Hilfe-Kurse und kriegen das Wissen in der Ausbildung immer wieder aufgefrischt.“ In der Berufsschule nehmen die angehenden Pfleger Notfälle aller Art detailliert durch. „Vermutlich hatte die Frau einen Schlaganfall“, sagt die 20-Jährige. Und der kann jederzeit passieren. „Deswegen fand ich es so krass, wie wenig die anderen Gäste helfen konnten.“ Jeder Autofahrer muss mal einen Kurs in Erster Hilfe gemacht haben. „Aber auffrischen tun ihn die wenigsten.“
Ich habe mich schon darauf eingestellt, dass ich die Frau reanimieren muss. Das habe ich noch nie gemacht. Ich war total nervös.
Ait Bella telefonierte während der gesamten Zeit mit dem Rettungsdienst. Ihr Partner lief vor das Lokal, um den Rettungswagen heranzuwinken. „Ich habe mich schon darauf eingestellt, dass ich die Frau reanimieren muss“, erzählt die junge Tutzingerin. „Das habe ich noch nie gemacht. Ich war total nervös.“ Zum Glück kam die Dame selbst wieder zu Bewusstsein. Ait Bella kümmerte sich um sie, bis sie sie den Kollegen vom Rettungsdienst übergeben konnte.
„Ich war total nervös“: Nisrin Ait Bella (20) rettete eine Fremde
Seit dem dramatischen Einsatz im Februar hat die junge Frau nichts mehr von der Patientin gehört. Auch beim Stamm-Griechen war sie seither nicht zum Essen. Über den Vorfall hat sie aber immer wieder gesprochen. Ait Bellas „Freunde finden‘s auch krass, dass außer mir niemand wirklich reagiert hat“. Einige kämen ins Überlegen, wie schlimm diese Hilflosigkeit wäre, wenn die eigene Mutter, die eigene Großmutter kollabieren würden. „Das kann jedem passieren.“
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Dass Ait Bella selbst so beherzt eingeschritten ist, das wundert in ihrem Freundeskreis niemand. „Die sagen alle, dass sie sich keinen anderen Job für mich vorstellen können.“ Wie auch? Das Helfen, das hat sie irgendwie im Blut. Und möchte damit auch nach ihrer Ausbildung weitermachen. Vielleicht am Wochenbett, vielleicht in der Palliativ-Pflege. Ganz entschieden hat sie sich noch nicht.