Maifeier in Geretsried: Tanz, Tradition und Trachten – aber „einfach anders“
In Geretsried tanzen Griechen in traditionellen Gewändern um den Maibaum - eine Besonderheit in Bayern. Getreu ihrem Slogan begeht die Vertriebenenstadt das beliebte Fest zum Beginn des Frühjahrs „einfach anders“.
Geretsried – Die Maifeiern in den Dörfern sind wunderschön, keine Frage. Aber so viele Tanzgruppen in so vielen unterschiedlichen Trachten wie in Geretsried sieht man auf dem Land nicht. Und dass Griechen in ihren traditionellen Gewändern am 1. Mai um einen Baum oder auf einer Bühne tanzen, dürfte bayernweit auch ziemlich einmalig sein.
Getreu ihrem Slogan begeht die Vertriebenenstadt das beliebte Fest zum Beginn des Frühjahrs „einfach anders“ – und das seit 1947. Noch vor der Gemeindegründung 1950 hatten die Heimatvertriebenen aus dem Egerland damals einen für ihre Herkunftsgebiete typischen „nackten“ Baumstamm mit zwei bunten Kränzen im oberen Drittel aufgestellt. Eine zweite Besonderheit ist, dass dieser nur während des Wonnemonats das Ortsbild schmückt.

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Fichte mit Rekordmaß – passend zum Jubiläumsjahr
Am Donnerstag holten die Mitglieder der Egerländer Gmoi ihren neuen Maibaum bereits um sechs Uhr morgens aus einem Waldstück nahe der Firma Tyczka, das der Erzdiözese München und Freising gehört. Bis elf Uhr brauchten die Männer, um die 35 Meter hohe Fichte – ein Rekordmaß im Jubiläumsjahr der Stadt – in den strahlend blauen Himmel zu hieven. Vor dem Rathaus thront sie nun an prominenter Stelle.
In Sichtweite, auf dem Karl-Lederer-Platz, waren die Bühne sowie Biertische und Bänke aufgebaut, an denen die zahlreichen Besucher am Nachmittag Würstchen, kalte Getränke, Kaffee und Kuchen genießen konnten. Die Gartenberger Bunkerblasmusik sorgte für die Musi.
Wahrscheinlich sind wir die letzte Generation an Tänzern.
Was das Bild ein wenig trübte, war einzig die recht massive Absperrung zur Straße hin – laut Bürgermeister Michael Müller eine Sicherheitsmaßnahme, die in Zeiten vermehrter Amokfahrten leider notwendig sei.
Großer Beifall für die Schülergruppe
Gmoi-Vorsteher Helmut Hahn eröffnete die Maifeier gemeinsam mit Rathauschef Müller. Als erste betraten die Egerländer die Bühne, um ihre Volkstänze zu zeigen. Großen Beifall gab es für die Schülergruppe unter der Leitung von Sabine Meinl. Die Jüngsten dort sind die neunjährige Sophie und der gleichaltrige Kilian. Beide waren in fesche schwarz-weiße Tracht gekleidet. „Ich tanz‘ schon seit drei oder vier Jahren. Es macht einfach Spaß“, sagte Kilian im Gespräch mit unserer Zeitung nach einer gelungenen Sternpolka.
Amelie Sandrock (17) und Paul Hüttel (16) sind ebenfalls begeisterte Volkstänzer. „Ich mag die Gemeinschaft, die Freundschaften und die Geschichten über die alte Zeit“, berichtet Paul. Doch Jugendliche für das Brauchtum zu begeistern, sei nicht mehr so einfach, erklärt Sabine Meinl.
Nachwuchssorgen der Ungarndeutschen und Egerländer Gmoi
Die Gmoi werbe deshalb an den Schulen um Neumitglieder. Diese müssten keineswegs Wurzeln im Egerland haben, betont die Jugendleiterin.
Auch die Ungarndeutschen, die als nächste an der Reihe waren, klagen über Nachwuchsmangel. „Wahrscheinlich sind wir die letzte Generation an Tänzern“, bedauert Andreas Ferstl. Ganz anders sieht es bei den Siebenbürger Sachsen aus – mit rund 500 Mitgliedern eine der größten Landsmannschaften in Geretsried: Die Kleinsten aus der Kindergruppe mit 18 Mitgliedern mischen hier mit drei Jahren bei der Kreuzpolka mit.
Nicht nur tanzen, auch Ausflüge oder Spiele
Bei den Schülern schwingen acht Mädchen und Buben das Tanzbein, darunter die elfjährige Anna. „Es ist ja nicht nur das Tanzen. Wir machen Ausflüge, basteln, malen und spielen zusammen“, erzählt sie. Doris Ongerth betreut die Kinder-, die Schüler- und die Jugendgruppe der Siebenbürger Sachsen. Warum alle drei so starken Zulauf haben? „Weil wir viel unternehmen und auch mit der Zeit gehen“, stellt Ongerth klar.
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Dazu gehöre, dass die Mädchen die „jungsächsische Tracht“ tragen dürften – freundliche, leichte Dirndl ohne die sperrigen Unterröcke der Erwachsenen in Blau und Weiß – und als Hingucker lange, gemusterte Bänder, die ihnen um die Stirn gebunden werden, bis zu den Knien reichen und hübsch mitschwingen.
So bunt ist eben nur Geretsried. Von Tanja Lühr