„Entsetzen im Bilderbuchdorf“: Volles Gotteshaus bei Gedenkstunde zum Kriegsende in Beuerberg

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Die Gemeinde Eurasburg hatte zur Gedenkveranstaltung anlässlich des Kriegsendes vor 80 Jahren eingeladen. © Hans Lippert/Hans Lippert - Fotografie

Mit einer Gedenkstunde erinnerte Beuerberg heuer erstmals an die Opfer des sogenannten Todeszugs und des Todesmarsches vom April 1945. Die Kirche war nahezu vollbesetzt.

Beuerberg - Als „Bilderbuchdorf“ gelte Beuerberg, sagte Pfarrer Bernhard Häglsperger. Und doch hätten hier, wie in so vielen anderen Gemeinden des Landkreises, vor genau 80 Jahren „Entsetzen und Schrecken“ geherrscht. Mit einer Gedenkstunde erinnerte Beuerberg heuer erstmals an die Opfer des sogenannten Todeszugs und des Todesmarsches vom April 1945.

Aber auch die Namen der gefallenen und vermissten Soldaten des Zweiten Weltkriegs wurden bei der Andacht in der Stiftskirche St. Peter und Paul von Pfarreimitgliedern vorgelesen.

75 Jahre Kriegsende: Schüler wurden behutsam an Thema herangeführt

Die Kirche war voll, als Häglsperger und sein evangelischer Kollege, Dekan Florian Gruber, am Abend zu der ökumenischen Gedenkstunde baten. „Krieg ist immer eine Niederlage für die Menschheit“, zitierte Häglsperger den verstorbenen Papst Franziskus. Gruber sagte, er finde es sehr schön, dass an vielen Schulen das Kriegsende vor 80 Jahren im Unterricht behandelt werde.

Denn das Geheimnis der Erlösung heiße Erinnerung. An der Beuerberger Grundschule hatte Hobbyhistorikerin Pia Fuhrmann die Dritt- und Viertklässler behutsam an das düstere Kapitel der deutschen Geschichte herangeführt.

Vor einigen Tagen legte sie mit den Kindern ein Beet mit einer 80 aus Vergissmeinnicht am Buswendeplatz an. Dort, wo sich bis 1972 der Bahnhof der Isartalbahn befand. 100 der über 2000 Menschen, die im KZ-Außenlager Mühldorf in einen „Todeszug“ verfrachtet worden waren, starben an der Stelle am Vormittag des 29. April. Amerikanische Tieffliegerpiloten dachten, es handle sich bei dem Güterzug um einen Truppentransport mit deutschen Soldaten und bombardierten ihn.

Veranstaltung zu 80 Jahre Kriegsende: Kirchen, Veteranen und Gemeinde beteiligten sich

Fuhrmann war es auch, die die Gedenkveranstaltung initiiert hatte. Die Kirchen, der Veteranenverein und die Gemeinde beteiligten sich daran. Zweiter Bürgermeister Alexander Sebald sagte: „Heute vor 80 Jahren hat Beuerberg einen seiner dunkelsten Tage erfahren.“ Schuld sei an den Geschehnissen von damals niemand mehr. Aber deshalb dürfe man sie nicht einfach vergessen. Fuhrmann erinnerte nicht nur an die Opfer des Todeszugs, sondern auch an die Teilnehmer des Todesmarschs.

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Mehrere Tausend, die meisten von ihnen Russen, seien am 30. April in der Gemeinde angekommen. Die hungrigen Männer hätten das Dorf in Angst und Schrecken versetzt. „Sie plünderten Häuser, stahlen und schlachteten Vieh, zündeten mindestens einen Stadel an“, berichtete die Geschichtsforscherin.

Maria Puffer, Vorsitzende des Pfarrgemeinderats, las aus der Chronik der Salesianerinnen vor, die zu Kriegszeiten im Kloster lebten. Die Oberin Aloisia Margarita Grüb hatte angeordnet, dass die Schwestern die rund 2400 Häftlinge des Zugs aus Mühldorf verköstigen sollten. Ab fünf Uhr morgens seien die Frauen in der Küche gestanden, um ein Mittagessen zuzubereiten, dazwischen hätten sie die Sonntagsmesse besucht.

Heute vor 80 Jahren hat Beuerberg einen seiner dunkelsten Tage erfahren. 

„Es muss gut für diese Armen gekocht werden“, befahl die Oberin den Salesianerinnen laut den Aufzeichnungen. Gerade als sie mit ihren Bottichen voll Suppe und Körben voller Brotlaibe vom Kloster zum Bahnhof aufgebrochen seien, hätten die Jagdbomber angegriffen. Den Schwestern sei zum Glück nichts passiert.

Die überlebenden Franzosen, Griechen und Italiener aus den Waggons hätten sich „wie Wölfe auf die Brote gestürzt“, heißt es in der Chronik. Mit einem Gang in Stille von der Stiftskirche zum ehemaligen Bahnhof endete die Veranstaltung. An dem von den Grundschülern liebevoll gestalteten Vergissmeinnicht-Beet gedachten die Teilnehmer der 100 getöteten Zuginsassen. Von Tanja Lühr

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