Trendwende auf dem Immobilienmarkt im Tölzer Land: „Die Talsohle ist durchschritten“

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Die Zahl der Besichtigungstermine zum Verkauf von Immobilien im Landkreis steigt laut Experten wieder etwas an. © dpa

Ukraine-Krieg, Inflation und hohe Zinsen sorgten dafür, dass die Immobilien-Verkäufe vergangenes Jahr spürbar zurückgingen. Nun sehen Experten Anzeichen einer Trendwende.

Bad Tölz-Wolfratshausen – „Die Party ist vorbei“: Unter dieser Überschrift fasste unsere Zeitung vor einem Jahr die Lage auf dem Immobilienmarkt im Landkreis zusammen. Heute klingt das Resümee von Experten vor Ort etwas optimistischer: „Die Talsohle ist durchschritten“, formuliert es zum Beispiel Martin Harbalik, Leiter Immobilien und Versicherung bei der Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen.

Immobilienmarkt im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen: Bei Neubauten herrscht weiter Zurückhaltung

Gestiegene Kreditzinsen, Inflation, allgemeine Verunsicherung: Seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs waren es mehrere Faktoren, die den Immobilienmarkt durcheinanderwirbelten. Tendenz: Weniger Menschen fanden den Mut oder konnten es sich leisten, einen Hauskauf ins Auge zu fassen.

Mittlerweile erkennen die Experten im Landkreis erste Anzeichen für eine Trendwende. Dabei differenzieren sie allerdings. Bei Neubauten ist laut Harbalik weiter zu beobachten, dass sich die Bauträger zurückhalten. Und wenn etwas fertiggestellt werde, dann sei der Verkaufspreis meist hoch, weil die Bauträger die gestiegenen Baukosten einpreisen müssen. Das passe dann in vielen Fällen nicht zu dem, was Kaufinteressenten aktuell zahlen können. Die Vermarktung sei vor diesem Hintergrund „anspruchsvoll“.

Keine einzige Neubauwohnung in Geretsried verkauft

„Die Bauträger hat es dick erwischt“, berichtet auch Peter Schneider, Geschäftsführer der Schneider & Prell Immobilientreuhand AG und Mitglied des Gutachterausschusses im Landkreis. „Viele sind insolvent gegangen, weil sie ihre Finanzierung aufgrund der gestiegenen Zinsen nicht mehr hinbekommen haben.“ Bei abgeschlossenen Projekten seien sie „verunsichert, zu welchen Preisen sie die Objekte absetzen können“. Im Landkreis habe sich die Zahl der verkauften Neubau-Eigentumswohnungen von 2021 bis 2023 auf ein Drittel reduziert: von 223 auf 78. In Geretsried sei vergangenes Jahr sogar keine einzige Neubauwohnung verkauft worden.

Nicht wenige Interessenten, so berichten die Experten, würden sich anders orientieren. „Die Nachfrage verlagert sich in Richtung Bestand“, so Harbalik. Wegen der „vielen potenziellen Käufer“ seien bei gebrauchten Häusern die Preise „mindestens stabil, wenn nicht leicht steigend“.

Preisrückgang bei Häusern mit Sanierungsbedarf

Etwas anders sei es bei Immobilien mit hohem Sanierungsbedarf. „Hier haben wir 2023 einen Preisrückgang um zehn Prozent erlebt“, sagt Harbalik. Weiter nach unten geht es nach seiner Einschätzung nicht mehr, aber auch nicht deutlich bergauf.

Von Preisabschlägen bis zu 15 Prozent im Vorjahr spricht Manfred Gasteiger, Vorstandssprecher der Raiffeisenbank im Oberland – zumindest in Bezug auf Standardimmobilien in weniger guten Lagen. „Bei Exklusiv-Immobilien in guten und sehr guten Lagen beobachten wir nach wie vor eine hohe Preisstabilität.“

Manche Kaufinteressenten würden in der jetzigen Lage aber auch abwarten und – vorerst oder auf Dauer – lieber zur Miete wohnen, berichtet Harbalik. Die Folge: steigende Mieten. Ein weiterer Faktor hierfür: „Nach den jüngsten Tarifabschlüssen können sich viele auch eine etwas höhere Mietet leisten“, sagt Peter Schneider. Für eine Mietwohnung (guter Wohnwert) musste man ihm zufolge im Herbst 2023 mit einer durchschnittlichen Kaltmiete von 14,50 Euro pro Quadratmeter in Wolfratshausen, 13,50 Euro in Bad Tölz und 13 Euro in Geretsried rechnen.

Wir haben die schlechtesten Zeiten hinter uns.

„Viele haben den Hauskauf oder den eigenen Bau einer Immobilie aufgrund der hohen Kosten verschoben“, ist auch die Beobachtung von Simone Kleinjung, Sprecherin der Raiffeisenbank im Oberland. Nach einem Rückgang der Immobilieninvestitionen sowohl bei Bauherrn als auch Käufern verzeichne die Raiffeisenbank in den vergangenen drei Monaten nun aber wieder „eine leicht stärkere Nachfrage nach Immobilienkrediten“.

Generell „haben wir die schlechtesten Zeiten hinter uns“, ist auch Harbalik überzeugt. Die Inflation ist zurückgegangen, über die Vorgaben des Heizungsgesetzes herrsche Klarheit. „Damit haben die Menschen eine Entscheidungsgrundlage.“

Zinsniveau ist immer noch hoch

Das Zinsniveau ist im Vergleich zur Niedrigzinsphase bis 2021 zwar immer noch hoch und „belastet auch die heimische – private wie gewerbliche – Bauwirtschaft“, so Kleinjung. Aber immerhin: Die gesunkene Inflation könne für die Europäische Zentralbank (EZB) ein wichtiges Signal sein, den Leitzins „in absehbarer Zeit wieder zu senken“, so Kleinjung.

Bei der Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen werde jeder Zins individuell kalkuliert, erklärt Bernhard Hohenadl. Leiter Baufinanzierung. „Aber in ganz vielen Fällen haben wir wieder eine solide Drei vor dem Komma.“ In der zweiten Jahreshälfte 2023 hätten die Zinsen „auf alle Fälle über vier Prozent“ gelegen.

Nach einer absoluten Flaute 2023 steige jetzt wieder die Nachfrage nach Beratungen zur Baufinanzierung, so Hohenadl. „Wir spüren einen sanften Optimismus.“ Den teilt Simone Kleinjung. „Anhand des Käuferverhaltens und der leicht gestiegenen Kreditnachfrage registrieren wir aktuell, deutschlandweit und regional, dass wir offenbar die Immobilien-Talsohle langsam verlassen und es wieder bergauf geht.“

Käufer können aktuell durchaus ein Schnäppchen machen

Laut Gasteiger können Käufer derzeit „durchaus ein Schnäppchen machen“. Hätten sie ein solches gefunden, gelte es nach wie vor, schnell zu sein. Grundsätzlich seien die Immobilienpreise hier, „im begehrten Voralpenland“, aber immer noch auf „hohem Niveau“.

Für Kaufinteressenten habe die Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen aktuell über 40 Objekte im Vertrieb, sagt Harbalik. „Es ist eine anständige Auswahl da.“ Die Preise seien dabei sehr unterschiedlich. Als groben Orientierungspunkt gibt Harbalik einen Durchschnittswert von 830 000 Euro für ein gebrauchtes, frei stehendes Haus in Geretsried an.

Immobilien-Experte geht vorsichtig optimistisch ins Jahr 2024

Verkäufer bräuchten unterdessen „sicherlich einen etwas längeren Atem als in den Jahren zuvor“, so Gasteiger. Immobilienbesitzern rät er zu Investitionen, „um einen Werteverfall aufzuhalten oder sogar umzukehren“, zum Beispiel durch einen barrierefreien Umbau oder energetische Sanierung. „Das rentiert sich nachhaltig.“

Auch Immobilien-Experte Schneider geht „vorsichtig optimistisch ins Jahr 2024“. Nach dem Abwärtstrend seit Mitte 2022 „kann es jetzt gemächlich seitwärts und auch wieder aufwärts gehen“, sagt er. Sowohl Kaufinteressierte als auch für Verkäufer „ermutige ich, ihren Schritt zu tun“. (ast)

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