Neuer Bildband über Landkreis: Von echten Elefanten und falschen Zeppelinen

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Haben Spaß beim Schmökern: die Autoren Daniel Glasl (l.) und Anton Stetter (r.) mit Landrat Olaf von Löwis. © THOMAS PLETTENBERG

Daniel Glasl und Anton Stetter präsentieren neuen Bildband über den historischen Bezirk Miesbach-Tegernsee. Auf den 700 Seiten finden sich 480 Fotos. Ein echter Schmöker.

Man braucht es noch nicht mal aufschlagen, um es ruhigen Gewissens und ohne jegliche Übertreibung als gewichtiges Werk bezeichnen zu können: 2,6 Kilo bringt der neue Bildband „Der Historische Bezirk Miesbach-Tegernsee“ von Daniel Glasl und Anton Stetter auf die Waage. Da wurde selbst dem sonst so schlagfertigen Stetter etwas mulmig zumute, als kürzlich die erste Auflage des fast 700 Seiten starken Buchs angeliefert wurde – in einem auf 36 Tonnen ausgelegten Sattelschlepper. „Da ist der Toni blass geworden“, feixte Glasl nun bei der Präsentation im Büro von Landrat Olaf von Löwis. Dort aber hat Stetter bereits zum altbekannten Selbstbewusstsein zurückgefunden: Nicht weniger als ein „Jahrhundertwerk“ habe man hier vorgelegt, verkündet er, bevor er mit Glasl zu blättern beginnt. Doch allein dieser kleine Einblick in ihre Zeitreise in Form von 480 historischen Fotografien und den damit verbundenen Geschichten reicht aus, um beeindruckt festzustellen, dass den beiden Heimatforschern hier tatsächlich ein nicht nur in Sachen Abmessungen großes Ding gelungen ist.

Die Recherche der Autoren dauerte Jahre

Vier Jahre ist es her, dass der Tegernseer Fotodesigner und Verleger Daniel Glasl und Anton Stetter, der Vorsitzende des Unternehmerverbands Miesbach, ihren ersten gemeinsamen Bildband „Das Schlierachtal: Eine Ausfahrt in historischen Photographien“ in den Druck gegeben haben. Und bereits damals riefen sie das ehrgeizige Ziel aus, in ihrem nächsten Projekt den Fokus auf den gesamten Landkreis Miesbach auszuweiten. Doch schon bald stellten sie fest, dass es – anders als beim Schlierachtal oder Glasls Buch zum Tegernseer Tal – diesmal deutlich anspruchsvoller werden sollte, an geeignetes Material zu kommen. Ein 2021 in unserer Zeitung veröffentlichter Aufruf an die Bevölkerung trug aber reiche Früchte, berichtete Glasl nun: Zwei Frauen – Barbara Beck und Regina Kaiser –  mit einem jeweils beeindruckenden Fundus an Fotos meldeten sich und lieferten eine Grundlage für weitere Recherchen. Der Gmunder Franz Kasparek stellte seine umfangreiche Postkartensammlung zur Verfügung. Nicht zuletzt zapfte Glasl auch sein eigenes, 5000 Fotos umfassendes Archiv an.

Rumfragen, Festbeißen und Steineumdrehen hat sich gelohnt

Damit nicht genug: Die beiden Autoren stiegen auch in die Feldforschung ein. Sie gingen raus in die Dörfer, klopften an Türen von Archivaren (falls vorhanden) und Zeitzeugen. „Da stehst du dann auf einem einsamen Bauernhof und sagst: ,Servus, ich bin der Stetter Toni und würde gern was von früher wissen´“: So schildert Stetter beispielhaft von seinen Erlebnissen. Auch Glasl scheute keine Mühen, wälzte alte Zeitungsbände und ersteigerte sogar eine alte Postkarte mit einem Motiv vom Kirta auf der Schliersbergalm bei einer Auktion in Armenien. Doch das Rumfragen, Festbeißen und Steineumdrehen sollte sich auszahlen. Denn die Heimatforscher fanden so nicht nur die Hintergründe und Anekdoten zu ihren alten Fotos heraus, sondern stellten en passant gleich noch die eine oder andere falsche Überlieferung in der bisherigen Literatur richtig. Zum Beispiel, dass das Bild einer Menschenansammlung auf der zugefrorenen Egerner Bucht nicht eine Viehauktion zeigt, sondern eine Faschingsgaudi unter dem Motto „Oktoberfest“. „Ja, wir haben das eine oder andere glattgezogen“, sagt Stetter.

Schon früher gab es gefälschte Bilder

Oft stimmten die Angaben von Zeitzeugen, Zeitungen und Fotografien als Quellen nicht überein. Ja sogar die Bilder stellten sich bisweilen als manipuliert heraus, berichtet Glasl sichtlich beeindruckt angesichts der damals noch eher begrenzten technischen Möglichkeiten. So etwa bei der Ansicht des ersten Schauflugs im bayerischen Hochland am 25. August 1912, wo ein Kunstflieger über Holzkirchen kreist. Die kahlen Bäume am Boden und die verschneiten Berge im Hintergrund sprechen hingegen nicht für eine nachträglich erstellte Fotomontage, sagen die Autoren.

Gleiches gelte für einen 135 Meter langen Zeppelin Z1, der über der Gewerbeausstellung Ende Juni/Anfang Juli 1909 über dem Herdergarten kreist. Alles andere als eine Retusche ist derweil ein Elefant samt indisch gekleidetem Führer, der auf einem Foto durch einen Bergwald bei Enterrottach stapft. Wie Glasl über verschlungene Umwege (unter anderem in einem Briefwechsel von Ludwig Thoma und Marie Liebermann von Wahlendorf) herausbrachte, handelte es sich um Dreharbeiten für den Film „Der heilige Haß“ im Jahr 1921.

Bildband ist deutlich textlastiger als seine Vorgänger-Werke

Bei so vielen Geschichten ist es laut Glasl kein Wunder, dass der Bildband deutlich textlastiger daherkommt als seine Vorgänger. Und dennoch lebt das Werk in erster Linie vom staunenden Blättern durch die alten Ansichten des damaligen Bezirks, der aus 29 Gemeinden bestand und 1875 von 22 000 Bürgern in sage und schreibe 700 einzelnen Ortschaften bewohnt wurde. Da tauchen heutzutage zur Gänze verschwundene Gebäude wie die Papierfabrik in Neumühle bei Miesbach oder Schloss Wattersdorf ebenso auf wie ein von gut 100 amerikanischen Bombern zugeparktes Feld bei Valley, wo diese nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs dann sang- und klanglos eingeschmolzen wurden. Die Autoren betonen, dass sie die Eindrücke ihrer Zeitreise, die analog zur Route der damals in immer größerer Zahl in den Bezirk strömenden Sommerfrischler von München aus über Holzkirchen und Irschenberg ins Leitzachtal und dann in einer Schleife über Schliersee und Tegernsee nach Gmund führt, nicht trennscharf, sondern organisch angeordnet haben. „In Wachs, nicht in Beton gegossen.“ Bei der angesichts des „inhomogenen“ Landkreises Miesbach schwierigen Wahl des Titelbilds entschieden sich Glasl und Stetter für eine diplomatische Lösung: ein Foto vom historischen Gedenken an die Sendlinger Mordweihnacht am Waakirchner Löwen. „Das vereint uns alle“, findet Glasl.

Ein Werk „zum Schmökern, zum Verweilen, zum Nachdenken, zum Schmunzeln, zum Erinnern“

Dem stimmt auch der Landrat zu, der in seinem Vorwort schreibt: „Das Werk ist zum Schmökern, zum Verweilen, zum Nachdenken, zum Schmunzeln, zum Erinnern.“ Und zum Herschenken, wie Löwis bei der Präsentation des Bildbands hinzufügt. Anders als in vielen anderen Landkreisen habe in Miesbach so ein Buch bislang gefehlt und so sei er bei offiziellen Anlässen – anders als seine Landratskollegen – oft mit leeren Händen gekommen. Doch auch den Bürgern legt Löwis den Bildband ans Herz. „Ich bin keiner, der sagt, dass früher alles besser war. Aber gerade beim Bauen war schon einiges schöner als heute.“ Das sehen Glasl und Stetter ähnlich. Zwar wollten sie mit ihrem Buch nicht den Zeigefinger erheben, aber durchaus den einen oder anderen Denkanstoß geben. Vor allem aber Erinnerungen bewahren, die sonst für immer verloren werden, sagt Stetter und ist überzeugt: „Dieses Buch gehört in jedes Wohnzimmer.“

„Der Historische Bezirk Miesbach-Tegernsee“ von Daniel Glasl und Anton Stetter ist zum Preis von 80 Euro im kleineheimat Verlag erhältlich. Das auf Gmund Papier bei der Miesbacher Druckerei Mayr gefertigte Buch wird nicht online, sondern ausschließlich über die Partner im lokalen Buchhandel vertrieben. Weitere Infos unter www.tegernseebuch.de.

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