Europa-Chef von China-Hersteller im Exklusiv-Interview - „Viele der Angriffspunkte sind obsolet“
Chery ist der größte Autoexporteur Chinas. Nun stehen die EU-Märkte im Fokus. Der Europa-Chef räumt mit einem Vorurteil auf, spricht über Strategie und mögliche Strafzölle.
Raunheim/München - Chinesische Autohersteller nehmen die europäischen Automärkte ins Visier. In der EU ist eine Debatte um die Gefahr durch die Konkurrenz aus Asien entbrannt, politisch sind die Handelsbeziehungen diesbezüglich abgekühlt.
Brüssel plant sogar höhere Strafzölle angesichts der Vermutung, dass Konzerne aus der Volksrepublik von illegalen Subventionen profitieren. Mit Chery Automobile plant derweil der größte Autobauer aus dem Reich der Mitte den Sprung nach Europa. Wir haben uns mit dem Geschäftsführer der hiesigen Sparte über die geplante Modelloffensive unterhalten.
Jochen Tüting verrät uns im Exklusiv-Interview, wie die Strategie des Konzerns für die EU-Märkte aussieht, welche Modelle wir erwarten können und was er über die Untersuchungen der EU-Kommission denkt.
China-Hersteller Chery: Nicht nur E-Autos - Technologie-Offenheit ist Trumpf
Herr Tüting, Chery plant mit den Marken Jaecoo und Omoda in Deutschland den Marktstart. Läuft alles nach Plan?
Jochen Tüting: Wir hatten uns früh Spanien als europäischen Pilotmarkt ausgesucht und haben nun erfolgreich den Marktlaunch vollzogen. Wir haben inzwischen vier nationale Sales Organizations gegründet, in den UK eine Vertriebsorganisation, in Spanien natürlich, in Italien ist gegründet und in Polen und den Niederlanden. In der nächsten Welle kommen die verbleibenden Organisationen in Deutschland, Frankreich und Belgien dazu.
Wie sieht die Modellstrategie aus?
Tüting: Wir sind jetzt in Spanien mit dem ersten Modell, Omoda 5, am Markt. Zum Verbrenner kommt in etwa zwei Monaten die Elektrovariante dazu. Spätestens im Juni dann das erste Schwestermodell: der Jaecoo 7 in zwei Verbrenner-Varianten, dazu vermutlich im August die PHEV-Variante. So wollen wir zum Marktstart in Deutschland, den wir um den August herum anvisieren, vier Produkte zur Verfügung haben, die gesamte Palette von BEV über PHEV bis hin zu Verbrenner-Varianten. Wir planen bis Ende 2025 insgesamt drei Modelle pro Marke im Markt zu haben, also ein Portfolio von mindestens sechs Fahrzeugen.
Meine news
Größter Autoexporteur Chinas: „Verbrenner Teil unserer Zukunftsstrategie“
Stichwort Technologieoffenheit. Planen Sie, bei den Antriebsarten längerfristig mehrgleisig zu fahren?
Tüting: Wir sind seit über 20 Jahren größter Exporteur von Fahrzeugen aus China. Die Voraussetzungen in den globalen Märkten sind sehr unterschiedlich und Europa deutlich weiter fortgeschritten, was konkrete Pläne hinsichtlich Elektrifizierung angeht. Um auf den globalen Märkten zu bestehen, sind auch Verbrenner ganz klar Teil unserer Zukunftsstrategie.
E-Autos oder Verbrenner: Welche Antriebstechnologie sehen Sie am zukunftsfähigsten?
Tüting: Ich glaube, dass der Elektroantrieb inzwischen so viel globales Momentum bekommen hat, dass das eine der führenden Antriebstechnologien sein wird. Wenn wir ein bisschen aus dem Pkw-Bereich rausgehen, hat Wasserstofftechnologie eine sehr gute Zukunftsperspektive im Last- und Schwerlastverkehr. Und ich glaube, dass das Thema E-Fuels durchaus noch an Relevanz gewinnen kann.
Wie kommt Ihr Unternehmen mit dem Ausbau des Vertriebsnetzes voran?
Tüting: Wenn man in acht Märkten parallel Vertriebsorganisationen hochzieht, klappt es auf dem einen Markt schneller als auf dem anderen. Aber wir sind flexibel und es war früh klar, dass Spanien der Pilotmarkt wird. Der Grund: Es gibt ein sehr großes Interesse der Händlerschaft. Dazu kommt eine große Markenoffenheit beim Endkunden, sodass es uns relativ leicht gefallen ist, vor Ort ein starkes Team aufzubauen.
In Deutschland sind wir in vielen Gesprächen mit verschiedenen Händlergruppen. Einige davon sehr, sehr konkret. Aber ob es dann zum Juli oder zum August oder zum September passt, dass wir die richtige Menge an Händlern haben, wird sich noch zeigen.
China-Hersteller Chery arbeitet „mit nahezu allen globalen Zulieferern zusammen“
Wie ist es um die Zusammenarbeit mit hiesigen Zulieferern bestellt?
Tüting: Im Grunde kann man sagen, dass wir mit nahezu allen globalen Zulieferern zusammenarbeiten. Viele davon, Continental ist ein gutes Beispiel, haben große Produktionsstandorte - auch bei uns in direkter Nähe zum Headquarter in Wuhu (China, Anm. d. Red.). Wir arbeiten weiter mit Bosch zusammen und, ob es Hella ist oder wer auch immer, wir machen auch mit deutschen Zulieferern Geschäfte.
Wie bewerten Sie die Untersuchungen auf EU-Ebene im Hinblick auf illegale Subventionen durch China für heimische Autobauer?
Tüting: Wir beobachten natürlich genau, was passiert und wie die politische Stimmung ist. Wenn Sie konkret auf die Untersuchung der EU anspielen, da geht es ja konkret um batterieelektrische Fahrzeuge. Wir zeigen glaube ich relativ deutlich, dass wir jetzt in Spanien mit einem Verbrenner anfangen, das ist ein gut ausgestattetes Crossover-SUV, das wir ab 25.900 Euro anbieten. Die Untersuchung hinsichtlich Subventionierung spielt für dieses Fahrzeug dementsprechend keine Rolle. Das zeigt grundsätzlich, dass wir durch unsere Lieferkette in der Lage sind, sehr kosteneffizient zu entwickeln und zu produzieren. Das liegt unter anderem an über 80 Minderheitsbeteiligungen von Chery an Zulieferbetrieben. (...) Wenn Sie sich Chery weltweit angucken, haben wir mehr als zehn internationale Werke, wo wir entweder reine Endmontage haben oder tatsächliche Produktionswerke. Damit sind viele der potenziellen Angriffspunkte hinsichtlich Strafzöllen oder was auch immer obsolet.
Spannungen zwischen Europa und China? „Es geht um fairen, gerechten Wettbewerb“
Halten Sie die Untersuchungen der EU für gerechtfertigt?
Tüting: Grundsätzlich steht Chery zu offenen Märkten. Wir erwarten Transparenz und faire Marktbedingungen, genauso wie unsere Wettbewerber das tun. Ich glaube, dass China sich in den letzten Jahren sehr geöffnet hat, zum Beispiel in der Automobilproduktion. Sie sehen das an Übernahmen zum Beispiel von BMW, die Teilbereiche ihrer Joint-Venture-Partner übernehmen. Sie sehen es bei VW, Sie sehen es bei Tesla, die 100-prozentiger Eigentümer ihrer Firma in China sind und entsprechend unterstützt werden. Insofern geht es uns um gerechten und fairen Marktwettbewerb.
Zum Thema Strafzölle durch die EU hat Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius kürzlich ein Statement abgegeben.
Cherys Europa-Chef: „In Deutschland ist die Markentreue noch deutlich größer“
Vor langer Zeit haben die Japaner, vor 20 Jahren auch die Koreaner den Sprung auf europäische Märkte vollzogen. Glauben Sie, dass chinesische Autobauer längerfristig ähnlich erfolgreich sein können?
Tüting: Ich glaube, zu Zeiten, als die japanischen Mitbewerber nach Europa gekommen sind, war der Markt noch sehr traditionell und fokussiert auf lokale Hersteller. Das war zu großen Teilen auch noch so, als die Koreaner kamen. Ich sehe heute eine deutlich größere Markenoffenheit beim Endkunden, da gehören wir in Deutschland sogar noch zu den konservativsten. Das heißt, hier ist die Markentreue gegenüber den etablierten europäischen Herstellern noch deutlich größer als in Märkten ohne eigene Herstellerindustrie.
Deutsche oder chinesische Elektroautos: Geht es nach dem Test eines Fachmagazins, gibt es beim Sieger keine Zweifel.
Das Interview führte Patrick Freiwah