Nächster Autobauer aus China will Deutschland erobern – und kritisiert Ampel-Regierung
Der chinesische Autobauer Chery will auf den deutschen Markt. Vize-Geschäftsführer Charlie Zhang wirft der Ampel-Regierung im Interview Fehlentscheidungen vor.
Die Exporte von Chery lagen 2023 nach eigenen Angaben bei etwa 700.000 Fahrzeugen. In wie vielen Ländern verkaufen Sie aktuell Fahrzeuge?
Zurzeit sind wir in über 80 Ländern und Regionen tätig. 2024 werden wir allerdings noch größer, weil wir uns in Europa und insbesondere in Deutschland etablieren wollen. Wir gehen dabei Schritt für Schritt vor. Zunächst führen wir unsere Marke in Spanien ein, gefolgt von Italien und dem Vereinigten Königreich. In Deutschland werden wir wahrscheinlich erst im dritten Quartal 2024 auf den Markt kommen.
Warum so spät? Chery betreibt in Raunheim schon seit 2018 ein Entwicklungszentrum, Ihre Fahrzeuge sind in Deutschland aber noch nicht auf dem Markt. Eigentlich sollte der Verkauf bereits im Frühjahr losgehen...
Wir wollen sichergehen, dass wir gut vorbereitet sind. Entscheidend sind vier Schlüsselfaktoren: unsere Produkte, das Händlernetz, Marketing und Branding, sowie Service und die Verfügbarkeit von Ersatzteilen. All das muss stehen, bevor wir unsere Marken einführen.
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Dieses Interview liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem China.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte es China.Table am 21. Januar 2024.
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Gibt es schon Verträge mit Händlern in Deutschland?
Wir befinden uns in sehr intensiven Gesprächen mit einer Reihe von potenziellen oder zukünftigen großen Händlergruppen.
Verträge haben Sie aber noch keine unterzeichnet?
Noch nicht. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass das bald geschieht.
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Was für Fahrzeuge werden Sie auf den deutschen Markt bringen?
Wir wollen eine Reihe von Elektroautos anbieten. Gleichzeitig wissen wir, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor in Deutschland immer noch einen großen Teil des Gesamtabsatzes ausmachen. Daher wollen wir eine Gesamtlösung anbieten: Verbrenner, batterieelektrische Fahrzeuge und Plug-in-Hybride.
Elektroautos aus China haben in letzter Zeit für viel Aufmerksamkeit gesorgt, das Interesse ist groß. Glauben Sie nicht, dass Sie Ihr Angebot verwässern, wenn Sie auch Verbrenner anbieten?
Über diese Frage haben wir lange nachgedacht. Es gibt einige andere chinesische Marken, zum Beispiel BYD und Nio, die nur batterieelektrische Fahrzeuge anbieten. Wir wollen allerdings groß sein. In China haben chinesische OEMs (Autohersteller) mittlerweile einen Gesamtmarktanteil von mehr als 50 Prozent. Bei den Elektroautos liegt der Anteil der chinesischen Marken sogar bei mehr als 80 Prozent. Die Wettbewerbsfähigkeit der chinesischen Hersteller wird immer größer und besser. Sie bringen viele Elektroautos auf den Markt – aber eben nicht nur, sondern auch Verbrenner. Wir können diesen großen Teil des Marktes nicht vernachlässigen.
Müssen sich die deutschen Hersteller Sorgen machen, dass E-Autos aus China den Markt mit der Wucht eines Tsunamis überschwemmen?
Ich glaube nicht, dass das eine passende Beschreibung für die Art des Wettbewerbs ist. Viele Jahrzehnte lang wurde der Sektor der Premiummarken von deutschen Marken wie BMW, Mercedes, Audi und Porsche dominiert. Die deutschen Marken, einschließlich Volkswagen China, haben jedes Jahr Millionen von Autos verkauft. Aber jetzt gerade werden die chinesischen Autobauer größer und stärker. Wir brauchen gleiche Wettbewerbsbedingungen. Deutschland ist eine Industrienation, die in China viele Geschäfte macht. Jetzt bieten die chinesischen Hersteller ihren deutschen Kunden gute Autos an. Ich glaube nicht, dass es sich um einen Tsunami handelt, die deutschen Autobauer sind in vielen Aspekten immer noch führend.
Die Qualitäten, für die deutsche Autohersteller immer bekannt waren, gelten in Zukunft aber vielleicht nicht mehr so sehr, wenn Autos zu Smartphones auf Rädern werden. Wie blicken Sie auf die deutsche Autoindustrie?
Lassen Sie es mich so formulieren: Es gibt einen konventionellen „alten Strang“, er steht für die Verbrenner, das letzte Jahrhundert. Darin sind die deutschen Autobauer ziemlich gut. Was Motoren und Getriebe angeht, war es schwierig, aufzuholen. Und dann gibt es den neuen Strang, für den die batterieelektrischen Fahrzeuge stehen. Batterien, Elektromotoren, elektrische Steuerungen, intelligente Cockpits, autonomes Fahren, all diese Technologien. Die chinesischen Hersteller haben hier eine Chance gesehen und versucht, in dieser Hinsicht stark zu sein.
Welche Folgen hat Chinas Einsatz für die neuen Technologien?
Wenn man die Lücke zwischen den chinesischen Herstellern und den deutschen Herstellern betrachtet, so hat sich diese definitiv verringert. Aber wenn es um die Grundlagen des Autobaus geht, um Haltbarkeit, Zuverlässigkeit und Qualität der Autos, dann sind die deutschen Hersteller immer noch mit Abstand führend.
Was bedeutet das?
Es gibt noch immer eine Menge Dinge, die wir lernen müssen. Volkswagen ist seit vielen, vielen Jahrzehnten unser Lehrer. Unser Vorstandsvorsitzender hat früher für Volkswagen gearbeitet. Er sagt uns immer, dass wir von der deutschen Qualität und der Art und Weise, wie Autos produziert werden, lernen müssen.
Trotzdem zittern die Vorstandsetagen in Wolfsburg und Stuttgart.
Für die deutschen Autobauer ist das jetzt gerade ein herausfordernder Moment. Schwer vorstellbar, wenn man viele Jahre lang führend war, doch jetzt bricht eine neue Ära an. Eben die der Smartphones auf Rädern. Sie ist anders. Die Art und Weise, wie wir konkurrieren, die Art und Weise, wie Sie Ihre Produkte bauen und entwickeln, ändert sich – und das bedeutet natürlich eine gewisse Herausforderung. Aber ich glaube immer noch, dass sich die beiden Seiten hervorragend ergänzen können. Warum sollten wir nicht hochgradig komplementäre Partnerschaften aufbauen?
Denken Sie nicht, dass eine gewisse Unabhängigkeit der Industrie für unsere beiden Länder wichtig ist?
Wenn Sie sich unsere Fabrik ansehen, werden Sie viele Geräte und Maschinen entdecken, die in Deutschland, Italien und Japan hergestellt werden. Wir kaufen und verwenden viele deutsche Maschinen und Anlagen. Klar erfordert die Entwicklung ein Umdenken. Früher exportierte China Spielzeug, Kleidung, vor allem Billigprodukte. Und auf einmal bietet China nicht nur Spielzeug, sondern auch Autos an. Ich denke, wir müssen uns an diese neue Realität, diese neue Normalität anpassen.
Sie sind aber nicht nur für Europa zuständig, sondern auch für andere Teile der Welt. Ich habe gehört, dass Sie besonders in Mexiko erfolgreich sind.
Wir haben Tochtergesellschaften in verschiedenen Ländern aufgebaut. 2022 haben wir unsere Marken in Mexiko eingeführt. Aktuell verkaufen wir dort monatlich etwa 4.000 bis 5.000 Fahrzeuge.
Die amerikanische Regierung ist nicht begeistert von Ihren Aktivitäten in Mexiko. In den USA gelten hohe Zölle für in China hergestellte Elektroautos. Die Regierung befürchtet, dass Sie Ihre Fahrzeuge durch die Produktion in Mexiko nun durch Hintertür in die USA importieren könnten. Wie stehen Sie dazu?
In Nordamerika gilt seit 2020 das United States-Mexico-Canada-Agreement (USMCA), das Nachfolgeabkommen zum NAFTA. Die Regelungen, was die Lokalisierung angeht, sind härter. Die Vereinigten Staaten wollten höhere Anforderungen an die lokale Herstellung in Mexiko stellen. Für uns ist der mexikanische Markt aktuell groß genug – es ist ein großer Markt von mehr als 1,2 Millionen Fahrzeugen. Andererseits hat Mexiko aber auch eine Reihe von Freihandelsabkommen mit anderen Ländern in Südamerika und sogar Europa. Mittelfristig können wir in Mexiko produzieren und in andere Länder exportieren.
Also auch in die USA?
Wir hoffen, dass wir die Freihandelsabkommen nutzen können, um in Mexiko zu produzieren und in die Vereinigten Staaten zu exportieren, insbesondere Elektroautos. Aber das ist nicht unser unmittelbares Ziel.
Auch die EU prüft nun Anti-Dumping-Zölle für chinesische Elektroautos. Es geht um angeblich irreguläre Subventionen der chinesischen Führung. Was heißt das für Sie?
Ich halte es für eine bedauerliche Entscheidung, dass die EU eine Anti-Subventionsuntersuchung eingeleitet hat, um chinesische Autos zu regulieren. Das wird sich definitiv negativ auf den Verkauf von chinesischen Elektroautos auswirken. Das können wir nicht ändern, wir müssen uns daran anpassen.
Die deutsche Regierung wiederum hat Ende letzten Jahres spontan die Subventionen für Käufer von Elektroautos eingestellt. Welche Folgen hat das für Ihr Unternehmen?
Deshalb werden wir auch Verbrenner anbieten. Wir können uns nicht nur auf den Markt für Elektroautos konzentrieren. Der ist mit knapp 20 Prozent an den Neuzulassungen 2023 noch relativ klein. Wir wollen ein robustes Produktportfolio einführen, das Verbrenner, Plug-in-Hybride und Elektrofahrzeuge umfasst, weil wir den Massenmarkt ansprechen wollen. Wenn man sich Europa als Ganzes ansieht, sind die einzelnen Märkte zudem sehr unterschiedlich.
Hatten Sie erwartet, dass sich Deutschland bei der Elektromobilität schneller entwickeln würde?
Jeder dachte, dass Deutschland, die größte Volkswirtschaft mit dem größten Markt in Europa, die Elektrifizierung fördern und versuchen will, Emissionsfreiheit zu erreichen. Doch jetzt hat die Bundesregierung sogar die Subventionen für Elektroautos gestrichen. Bei der Elektromobilität gibt es in meinen Augen drei Schlüsselfaktoren: Erschwinglichkeit, Batteriereichweite und Infrastruktur. Wenn diese drei Schlüsselfaktoren nicht gegeben sind, wird es sehr schwierig, eine 100-prozentige Elektrifizierung zu erreichen. Ich war in Frankfurt, München und Köln unterwegs und habe auf den Straßen nach Ladestationen Ausschau gehalten. Um ehrlich zu sein, war es sehr schwierig, besonders viele zu finden. Ich weiß nicht, wie die Regierung plant, die Infrastruktur landesweit oder in Europa zu fördern. Aber wenn die Infrastruktur fehlt – wie kann man dann davon sprechen, dass man bis 2035 nur noch emissionsfreie Pkw zulassen will?
Charlie Zhang ist Executive Vice President von Chery International und Assistant President des Gesamtkonzerns Chery Automobile. Zuvor hatte er die Position als General Manager der Region Mittel- und Südamerika inne. Zhang arbeitet seit mehr als 15 Jahren für den chinesischen Autohersteller. Von Julia Fiedler