Reichensteuer soll weltweit Prio werden – ein Land findet jedoch, dass Steuern „Diebstahl“ sind
Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Auf dem G20-Gipfel hat Brasilien eine bahnbrechende Idee vorgebracht. Doch die Reichensteuer erzeugt Widerstand.
Rio de Janeiro/München - Steuergerechtigkeit gehört zu den dringendsten Herausforderungen unserer Zeit. Während der Großteil der globalen Bevölkerung brav seine Steuern zahlt, gelingt es einigen der reichsten Menschen, ihr Vermögen geschickt vor dem Fiskus zu schützen.
Dieser Missstand ist nicht nur ein moralisches, sondern auch wirtschaftliches Problem: Die fehlenden Einnahmen könnten Investitionen in Bildung, Gesundheit oder den Klimaschutz ermöglichen. Trotz des Potenzials bleibt das Thema Steuerflucht ein politischer Zankapfel – genau hier setzt die Initiative des brasilianischen Präsidenten Luiz Lula da Silva an.
Brasilien setzt auf dem G20-Gipfel Maßstäbe beim Thema Reichensteuer
Auf dem G20-Gipfel in Rio de Janeiro brachte Brasilien eine globale Reichensteuer prominent auf den Tisch. Die Idee: Eine Mindeststeuer von zwei Prozent auf die Vermögen der rund 3000 reichsten Menschen der Welt. Laut dem französischen Ökonomen Gabriel Zucman, auf dessen Konzept sich der Vorschlag stützt, könnte dies etwa 250 Milliarden US-Dollar pro Jahr generieren.
Mit dem Geld würde Hunger bekämpft, die Armut verringert oder auch Entwicklungsländern bei der Bewältigung des Klimawandels geholfen. „Noch nie gab es so viele Milliardäre auf der Welt“, betonte Lula bereits im Vorfeld des G20-Gipfels der bedeutendsten Industrie- und Schwellenländer. Wenige Tausende Menschen besitzen demnach zusammen fast 15 Billionen Dollar – was der Wirtschaftskraft von Japan, Deutschland, Indien und Großbritannien zusammen entspricht.

Brasilien fordert globale Bemühungen für Reichensteuer – Argentinien dagegen
Einem Bericht der F.A.Z. zufolge stieß die Umsetzung bei einigen Staaten auf massive Widerstände: Argentinien, vertreten durch den neu gewählten ultraliberalen Präsidenten Javier Milei, lehnt die Idee offenbar entschieden ab.
Milei bezeichnet Steuern als „Diebstahl“ und argumentiert, dass solche Maßnahmen auf Neid und wirtschaftlicher Ignoranz basieren. Dabei könnte es einen Zusammenhang mit einem vor dem G20-Gipfel terminierten Treffens mit Donald Trump und Elon Musk in Florida geben. Beide gelten dem Bericht zufolge als vehemente Gegner staatlicher Eingriffe in das Vermögen Superreicher.
G20 machen Reichensteuer zum Hauptanliegen - Vorbehalte aus den USA
Im Juli hatte Brasilien auf einem G20-Treffen der Finanzminister einen ersten Durchbruch erzielt, bei dem sich die Mitglieder verpflichteten, reiche Privatpersonen effektiver zu besteuern. Konkrete Details für eine globale Vermögenssteuer waren noch nicht vorhanden. Während Brasilien diesen Teilerfolg feierte, waren Kritiker angesichts der Unverbindlichkeit zurückhaltender.
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Mit den USA in Person der Finanzministerin Janet Yellen ließ den Angaben zufolge ein mächtiges Mitglied durchblicken, dass man an einer globalen Koordination der Steuerpolitik kein Interesse habe. Dabei handelt es sich just um jenes Land, das laut Forbes mit Abstand die meisten Ultrareichen der Welt beherbergt (840 von 2781 Milliardären).
Globale Kooperation gegen Steuerflucht ein heikles Unterfangen
Die Einführung einer globalen Reichensteuer wäre nicht nur ein finanzieller Gamechanger, sondern auch ein bedeutender Schritt gegen Steuerflucht. Viele Superreiche nutzen bestehende Schlupflöcher, um ihr Vermögen in Steueroasen zu parken. Eine einheitliche Regelung könnte diesem Treiben ein Ende setzen.
Doch genau hier liegt das Problem: Die internationale Zusammenarbeit im Steuerbereich ist komplex. Länder wie die USA sehen keine Notwendigkeit für eine globale Koordinierung, wenngleich sich der Noch-Präsident Joe Biden dieses Anliegen auf die Fahnen schrieb. Zudem befürchten Staaten, dass solche Maßnahmen ihre Wirtschaft schwächen, wenn reiche Investoren abwandern. Auch in Deutschland gibt es derartige Bekundungen.
Die Aufnahme der Reichensteuer in die Abschlusserklärung des G20-Gipfels ist mindestens ein symbolischer Erfolg. „Unter voller Achtung der Steuerhoheit wollen wir gemeinsam sicherstellen, dass Individuen mit einem ultrahohen Vermögen effizient besteuert werden“, heißt es in der veröffentlichten Abschlusserklärung der Staats- und Regierungschefs.
Reichtümer und soziale Ungleichheit: Was bleibt vom G20-Vorsitz Brasiliens?
Die Diskussion um die Reichensteuer zeigt den Anspruch, globale Probleme gemeinsam zu lösen. Während Länder wie Brasilien für mehr Gerechtigkeit eintreten, scheuen andere die Konfrontation mit den Superreichen. Doch die Vermögenskonzentration wächst weltweit und die soziale Ungleichheit nimmt zu, während dringende Maßnahmen zum Beispiel im Hinblick auf den Klimawandel mangels Finanzierung auf der Strecke bleiben.

In Deutschland wurde das Vermögen reicher Menschen bis 1996 jährlich mit einem Prozent besteuert. Danach wurde die Vermögenssteuer nicht mehr erhoben. Dieser Verzicht kostete den deutschen Staatshaushalt seitdem mehr als 380 Milliarden Euro, erläutert eine Studie, die das Netzwerk Steuergerechtigkeit gemeinsam mit der Entwicklungsorganisation Oxfam veröffentlichte. (PF)