Was eine Vermögensteuer bringt: Milliarden-Einnahmen oder Steuerflucht ins Ausland?

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Die Mehrheit der Deutschen ist für eine Vermögensteuer, doch Finanzminister Lindner mauert. Er befürchtet eine Schwächung der Wirtschaft. Dagegen könnten Milliardeneinnahmen winken. Ein Überblick.

Hamburg – Wer vermögend ist, sollte mehr Steuern zahlen: Eine Mehrheit der Menschen in Deutschland spricht sich für eine Wiedereinführung der Vermögensteuer aus. Das geht aus einer Forsa-Umfrage für den Stern hervor. Demnach würden es 62 Prozent der Bürgerinnen und Bürger befürworten, wenn Privatpersonen und Unternehmen eine solche Abgabe auf Vermögen ab einer Million Euro leisten müssten. 34 Prozent sprechen sich dagegen aus. Doch wie würde sich die Einführung dieser Steuer für Deutschland auswirken? Ein Überblick.

Vermögensteuer - wer ist dafür, wer dagegen?

Die Vermögensteuer kommt laut der Forsa-Umfrage je nach Parteianhängern unterschiedlich gut an. Vor allem bei den Fans der Grünen stößt die Idee auf Zustimmung (84 Prozent). Aber auch Anhänger der SPD (79 Prozent) und des Bündnisses Sahra Wagenknecht (58 Prozent) sprechen sich dafür aus. Überraschen dürfte, dass mit 55 Prozent ebenfalls eine Mehrheit der Anhänger der Union (CDU/CSU) ein solches Vorhaben unterstützen würde. Allerdings lehnen CDU und CSU eine Vermögensteuer ab. Eine Vermögensteuer würde „die wirtschaftliche Substanz Deutschlands gefährden und Arbeitsplätze kosten“, heißt es in dem gemeinsamen Wahlprogramm. 

Auf deutliche Ablehnung stößt eine mögliche Wiedereinführung bei Wählerinnen und Wählern der FDP (78 Prozent). Auch Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) spricht sich erneut dagegen aus. „Immense Rückgänge bei Beschäftigung, Investitionen, Wirtschaftswachstum, Steuereinnahmen“ seien die Folge, schreibt er mit Verweis auf eine Untersuchung des ifo Instituts auf der Plattform X (vormals Twitter). „Am Ende hätte man mehr verloren als gewonnen.“ Auch die Anhänger der AfD (62 Prozent) lehnen dies ab. Die Umfragedaten wurden bei insgesamt 1.008 Befragten erhoben. 

Mehrheit für Vermögenssteuer
Eine Mehrheit der Menschen in Deutschland spricht sich für eine Wiedereinführung der Vermögensteuer aus. (Archivbild) © Hannes P Albert/dpa

Gab es in Deutschland nicht schon mal eine Vermögensteuer?

Dabei ist eine Vermögensteuer in Deutschland nichts Neues. Sie wird aber hierzulande nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts seit 1997 nicht mehr erhoben. Über eine mögliche Wiedereinführung wird auch in der Politik immer wieder kontrovers diskutiert. So hatten sich SPD und Grüne bei den Koalitionsverhandlungen 2021 dafür ausgesprochen, die FDP hatte Steuererhöhungen allerdings abgelehnt. Als problematisch gilt der hohe Aufwand, um Vermögenswerte zu erfassen.

Was spricht gegen eine Vermögensteuer?

Dabei ist nicht nur die FDP gegen eine Vermögensteuer – auch bei den Ökonomen ist die Idee umstritten. Lindner bezog sich in seiner Kritik vor allem auf eine Untersuchung des ifo Instituts, die aber schon etwas älter ist und 2021 veröffentlicht wurde. Demnach erwartet der Präsident des Münchner ifo Instituts, Clemens Fuest, deutliche Bremsspuren beim Wirtschaftswachstum, wenn eine Vermögensteuer eingeführt werden würde.

„Das Bruttoinlandsprodukt, so zeigt eine Simulationsrechnung, wäre nach acht Jahren mit Vermögensteuer um bis zu 6,2 Prozent niedriger als ohne Vermögensteuer“, sagte Fuest, der dazu 2021 eine Studie für die Stiftung Familienunternehmen erstellt hat. „Weil die Steuer nur aufwendig zu erheben und teilweise zu umgehen sein wird, könnte das Aufkommen aus dieser Steuer weit hinter den Erwartungen zurückbleiben.“ Insgesamt mindere die Steuer zudem Anreize, Investitionen zu tätigen und Kapital aufzubauen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Furcht um eine Steuerflucht ins Ausland: „Eine solche Steuer setzt einen Anreiz zum Kapitalabfluss ins Ausland“, sagte beispielsweise Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen im Rahmen der ifo Studie. „Dies würde gerade die Familienunternehmen mit ihrem oft hohen Eigenkapitalanteil in ihrer Solidität angreifen.“

Steuerflucht ins Ausland – Brasilien hat einen Vorschlag

Immerhin das soll ein neuer Vorschlag aber eindämpfen: Der brasilianische Finanzminister Fernando Haddad schlug zu Beginn des Treffens der G20-Finanzminister in seinem Land Anfang des Jahres eine globale Mindeststeuer für Superreiche und eine gemeinsame stärkere Besteuerung von großen Erbschaften und Unternehmensgewinnen vor. Die linke Regierung in Brasilien hat bereits ähnliche Maßnahmen im eigenen Land geplant. Im November könnte die Vermögensteuer beim kommenden G20-Gipfel in Rio de Janeiro wieder diskutiert werden.

Was spricht für eine Vermögensteuer?

Gefordert wird eine Vermögensteuer unter anderem vom Sozialverband Deutschland. „Deutschland hat kein Ausgabenproblem, wir haben ein Einnahmeproblem“, sagt die Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier. „Superreiche“ müssten deshalb stärker besteuert werden. Keine Frage: Die Wiedereinführung könnte Milliarden in die Staatskasse spülen. Damit könnte Deutschland dann entweder in Sozialleistungen investieren oder die marode Infrastruktur besser aufbauen. Zudem kann sie helfen, die Schere zwischen Arm und Reich, die in Deutschland immer weiter aufgeht und das Land spaltet, wieder etwas zu schließen.

Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sprach sich auch für eine Vermögensteuer aus – und kritisierte in diesen Zusammenhang die vorher erwähnte ifo Studie: „Ich halte die Studie vom ifo für unvollständig und damit die Schlussfolgerungen für falsch“, sagte Fratzscher der Nachrichtenagentur Reuters.

Es gehe ja darum, was der Staat mit den Steuereinnahmen mache. In den kommenden Jahren werde Deutschland laut Fratzscher viel Geld für Zukunftsinvestitionen in Klimaschutz, digitale Transformation, Bildung und Innovation brauchen. „Somit wird eine Vermögensteuer, die in solche Zukunftsinvestitionen fließt, viele gute neue Arbeitsplätze schaffen, das Wachstum erhöhen und langfristig den Wohlstand sichern“, sagte der Ökonom.

Außerdem sei es eine Tatsache, dass kaum ein Land in der Welt Arbeit stärker und Vermögen geringer besteuere als Deutschland. „Das ist nicht nur ein Problem der Gerechtigkeit, sondern auch ein ökonomisches Problem, da Arbeit sich immer weniger lohnt“, warnte Fratzscher damals.

Vermögensteuer: Wann wird sie eingeführt?

Eine Vermögensteuer ist umstritten, stößt bei den Deutschen aber offenbar generell eher auf Wohlwollen. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich will deshalb die Wiedereinführung der Vermögensteuer zum Thema im Bundestagswahlkampf im kommenden Jahr machen. „Vermögende sollten mehr beitragen“, sagte Mützenich den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Sonntag. „Leider ist die politische Konstellation so, dass es für eine gerechte Besteuerung derzeit keine ausreichende parlamentarische Mehrheit gibt. Umso wichtiger ist es, diese Frage in den kommenden Bundestagswahlkampf einzubringen.“

Mit einer baldigen Einführung ist also nicht zu rechnen. Zusätzlichen Aufwind sollte ihr aber auch der internationale Vorstoß von Brasilien bringen, der durchaus bei anderen G20-Staaten, wie etwa Frankreich, gut ankommt. Mit Material der dpa

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