Trickst Klingbeil beim Haushalt? Bei Union und Grünen reißt er alte Wunde auf

Als sich CDU-Chef Friedrich Merz und sein SPD-Kollege Lars Klingbeil im März auf eine neue Schuldenpolitik einigten, hatten Grüne und viele in der Union Angst vor einem Szenario: Bereits geplante Ausgaben für laufende Klimaschutz- und Infrastruktur-Projekte könnten in das Sondervermögen geschoben werden, womit im regulären Haushalt neue Spielräume für reine Konsumausgaben entstehen würden. 

Keine drei Monate später könnte die Befürchtung tatsächlich wahr werden. Zwar hatten die Grünen sich damals ihre Zustimmung damit erkaufen lassen, dass nun strengere Regeln fürs Schuldenmachen gelten wie ursprünglich von den schwarz-roten Verhandlern geplant. Doch es blieben weiter Lücken – die der neue Finanzminister nun offenbar ausnutzen will.

Klingbeil nutzt Regel-Lücke beim Sondervermögen für Trick

In der vergangenen Woche hat Klingbeil die Ministerien im Rahmen der Haushaltsaufstellung schriftlich aufgefordert, Projekte aus dem regulären Haushalt in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) zu verschieben. In diesen Topf fließen 100 der insgesamt 500 Milliarden Euro des neuen Sondervermögens. Diese neuen Schulden würden künftig also Vorhaben ermöglichen, deren Finanzierung bislang ohnehin schon gesichert war. Der Weg für neue Ausgaben abseits von Klima- und Infrastruktur-Projekten wäre frei.

Möglich ist das, weil nur bei den Infrastruktur-Milliarden ein Mechanismus verankert ist, der sicherstellen soll, dass vor allem neue Projekte mit dem Sondervermögen finanziert werden. Bei den Milliarden-Schulden für den KTF gibt es diesen Mechanismus nicht.

Grüne empört, CDU trotzt alter Wunden noch still

Die Grünen empören sich mittlerweile sehr laut über Klingbeils Vorgehen. Zum Beispiel mehrere Haushaltspolitiker im Bundestag. Auch Baden-Württembergs grüner Finanzminister Danyal Bayaz und Parteichef Felix Banaszak haben sich zuletzt geäußert. Letzterer sagte der "Süddeutschen Zeitung": "Erst große Ankündigungen machen und dann beim Klima- und Transformationsfonds kürzen – das ist nichts anderes als Haushaltstrickserei."

Stiller ist es bislang in CDU und CSU. Dabei stimmten im März auch in der Union viele nur unter größten Schmerzen den neuen Schulden zu. Deshalb ist davon auszugehen, dass Klingbeils Plan bei vielen alte Wunden aufreißt. Allerdings war damals der Widerspruch einfacher. Jetzt würde allzu laute öffentliche Kritik an Klingbeil den Koalitionsfrieden stören. Und so mancher in der Union lässt durchblicken, nun doch ein bisschen dankbar darüber zu sein, ungeahnte finanzielle Spielräume zu haben.

Wirtschaftswachstum wichtiger als reine CDU-Lehre

Ein Argument, welches man aus der Union hört: Wenn die kostspieligen Maßnahmen von Schwarz-Rot tatsächlich neues und langfristiges Wirtschaftswachstum bringen, ist es auch nicht mehr ganz so wichtig, ob der Haushalt der reinen finanzpolitischen Unions-Lehre entspricht. Ob die Politik der Regierung aber tatsächlich neuen Schwung bringt, ist noch offen.

Yannick Bury, für die CDU Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestags, mahnt daher bei FOCUS online: "Wir müssen unseren Standort wieder wettbewerbsfähig machen. Das, und nicht die Entlastung des Bundeshaushalts, ist das Ziel des neuen Sondervermögens." Es sei entscheidend, dass die neuen Schulden vollständig in bessere Standortbedingungen fließen würden und es eine "Wende weg von den Habeck‘schen Subventionsprogrammen" gebe.

"Echte Investitionen statt umetikettierte konsumtive Ausgaben"

Ebenfalls eher verhalten ist die Kritik an Klingbeils Trickserei in der Jungen Union. Die Jugendorganisation von CDU und CSU hatte im März kräftig gegen die schwarz-roten Schuldenpläne opponiert. Zwar betont Kevin Gniosdorz, JU-Vorsitzender in Nordrhein-Westfalen, auch jetzt noch: "Als Junge Union haben wir immer klargemacht: Massive Neuverschuldung gefährdet die Generationengerechtigkeit." Man werde die Finanzplanung genau beobachten und erwarte von der Regierung, dass in Summe mehr investiert werde. "Und zwar in echte Investitionen, die unsere Wirtschaftskraft und den Standort sichern, nicht in umetikettierte konsumtive Ausgaben", sagte er FOCUS online.

Zugleich will Gniosdorz das Thema nicht zu hoch hängen. Wer in dieser frühen Phase der Haushaltsaufstellung den großen Wortbruch ausrufe, "sucht eher die Schlagzeile als die Lösung". Es sei absurd, dass ausgerechnet die Grünen die Regierung beim Klimafonds belehren wollen: "Unter Minister Habeck herrschte Förderchaos statt wirtschaftlicher Planungssicherheit – das hat nicht nur der Industrie, sondern auch dem Klimaschutz geschadet."

Klingbeil steht unter Welpenschutz – aber auch vor großen Aufgaben

Ob die Kritik gegen Klingbeils offenbar geplante Verschiebebahnhöfe im Haushalt noch größer wird, oder ob sie vor allem in der Union mit Murren hingenommen werden, hängt auch mit dem Auftreten des Finanzministers selbst zusammen. Schafft er es nicht, die Bedenken zu zerstreuen, könnte der Unmut heftig werden.

Bislang steht der Klingbeil in seinem neuen Job unter Welpenschutz. Dass er in der Finanzpolitik noch nicht ganz sattelfest ist, nimmt man ihm in der Union nicht übel. Anders als sein Vorgänger Christian Lindner (FDP) bringe er einfach weniger Affinität zur Finanz-, Haushalts- oder Wirtschaftspolitik mit durch seine bisherigen Schwerpunkte als Politiker. 

Allerdings muss sich Klingbeil jetzt auch schnell beweisen: Er will noch vor der Sommerpause die Regierungsentwürfe für die Haushalte 2025 und 2026 durchs Kabinett bringen. Experten aus den Fraktionen glauben, dass die Verhandlungen zwischen Union und SPD dazu nicht einfach werden. Kracht es dabei, wird auch die Schonzeit für Klingbeil vorbei sein.