Merkel mischt sich in Merz' Migrationspolitik ein - ihr Ordnungsruf ist pikant

Angela Merkel hat sich, nicht zum ersten Mal, in die Tagespolitik ihres Nachfolgers und Partei-„Freundes“ Friedrich Merz – kritisch - eingemischt. Es ist ein pikanter Ordnungsruf, denn: Ihr Nach-Nachfolger versucht schließlich zu heilen, was die unbedachte und auf tagespolitischen Applaus ausgerichtete Migrationspolitik seiner Vor-Vorgängerin angerichtet hat. 

Die Folgen von Merkels Politik sind gravierend – die Sicherheit in Deutschland hat sich verschlechtert, damit einhergehend das Sicherheitsgefühl. Und die Akzeptanz für den Staat, der offenkundig nicht in der Lage ist, die „alte“ Sicherheit vor 2015 zu gewährleisten. Die Folge davon sitzt im Parlament, besetzt dort 151 Abgeordnetenplätze und heißt: AfD.

6,5 Millionen Migranten kamen seit Merkels Open-Door-Politik nach Deutschland

Seit 2015, dem Start der Open-Door-Politik Merkels, sind 6,5 Millionen Migranten nach Deutschland gekommen. Die meisten Migranten wanderten aus islamischen Staaten ein, aus Ländern, in denen die religiösen Regeln das gesellschaftliche Zusammenleben bestimmen – aus Afghanistan, Syrien, dem Irak und der Türkei. Die allerwenigsten – allenfalls zwei Prozent – gelten als politisch verfolgt im Sinn des deutschen Grundgesetz-Artikels 16.

Die Kriminalität nahm zu, vor allem die von Ausländern, die in der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik, gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil, vor allem bei schwerkriminellen Delikten weit überrepräsentiert sind. Im vergangenen Jahr wurden – auch von Deutschen - 29.000 Messerangriffe verübt, dabei starben 922 Menschen, so gut wie jeder dritte.

Seit 2015 wuchs auch das Netz aus NGOs, das sich sprachpolizeilich mit „Muslimfeindlichkeit“ beschäftigt – und diese anprangert und auch von Anwälten verfolgen lässt. Dies geschah vor allem unter dem Druck von Grünen und SPD.

Merkel lässt die offensichtlichen Folgen ihrer Politik außen vor

Bis heute thematisieren Vertreter beider Parteien beim Thema Innere Sicherheit rechtsradikale Gewalt – die es gibt und die zunimmt, und Islamfeindlichkeit. Die Gefährdungen durch Islamismus werden, auch in dieser Woche im Bundestag, kleingeredet. Auch in der Debatte über Messerangriffe wie zuletzt in Bielefeld.

Wenn Merkel über Migrationspolitik spricht, bei Lesungen ihres „Freiheits“-Buchs, dann thematisiert sie nicht die offensichtlichen Folgen ihrer Politik. Stattdessen redet sie über die – unliebsamen – Folgen der Korrektur ihrer Politik.

Die von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt betriebene Kontrolle und Zurückweisung von Migranten, auch jenen, die sich auf Fluchtgründe berufen, an den Grenzen, gefährdeten die Freizügigkeit in Europa. „Das möchte ich nicht.“

Genau genommen ist es egal, was Merkel möchte oder nicht. Sie gehört nicht einmal mehr dem Bundestag an. Aber sie hat nach wie vor Anhänger, auch in der Unionsfraktion, die es für wichtig halten, was sie sagt. Zuletzt wurde das deutlich in der Debatte um die Zustimmung der AfD zu einem Antrag der Union im Bundestag, die Migrationspolitik zu verschärfen.

Altkanzkanzlerin gibt einfach unerbetene Gratisratschläge

Merkel verstößt mit ihren Kommentaren aus dem parlamentarischen Off gegen die guten politischen Sitten. Helmut Kohl, Gerhard Schröder und bislang auch Olaf Scholz vermeiden es, die Tagespolitik ihrer Nachfolger zu kommentieren. Die politische Enthaltsamkeit von Ex-Regierungschefs hat ihren demokratischen Sinn – Merkel steht nicht mehr in der Verantwortung – sie gibt einfach unerbetene Gratisratschläge, weil sie es so will.

„Ich glaube nicht, dass wir die illegale Migration an der deutsch-österreichischen oder deutsch-polnischen Grenze abschließend bekämpfen können“, sagt Merkel aktuell in Neu-Ulm als Gast der Südwestpresse. „Wir müssen uns auf den Außengrenzschutz fokussieren. Alles andere wird uns letztlich, wenn es permanenter Zustand wird, Schengen kosten, also die Freizügigkeit der Europäischen Union.“

Was Merkel hier verkennt: Die Politik von Merz und Dobrindt zielt genau darauf: Auf einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen. Die Abweisungen an den deutschen Grenzen finden statt, weil sich Deutschlands Anrainer nicht an die europäischen Spielregeln halten.

Dänische Abwehrpolitik als neues europäisches Vorbild

Das Dubliner System, nachdem jedes Erstaufnahmeland verpflichtet ist, Asylbegehren zu prüfen, ist längst dysfunktional geworden. Diese Tatsache ist längst fester Bestandteil jeder Asyldebatte. Deutschland ist zudem mit seinen höchsten Sozialleistungen zum Aufnahmeland Nummer Eins in Europa geworden.

Andere Länder in Europa setzen jetzt schon viel stärker auf Abschreckung in der Migrationspolitik als Deutschland. In Ungarn setzt Viktor Orban seit etlichen Jahren offensiv auf die Abwehr von Migranten aus islamischen Ländern.

Die dänische Abwehrpolitik ist in Europa inzwischen für mehrere Länder Vorbild geworden. In dieser Woche empfing Dobrindt seinen dänischen Ministerkollegen in Berlin zum migrationspolitischen Austausch.

Merkel sagt, sie wünsche sich europäische Lösungen in der Migrationspolitik. Dieser Gedanke ist grundsätzlich richtig. Nur: Die Europäischen Union hat mehr als zehn Jahre gebraucht, um sich auf ein – zudem löchriges – System Gemeinsamer Europäischer Asylpolitik (Geas) zu einigen. Das ist das eine.

Europa ist auch Teil des Problems

Das andere: Europa kann Teil einer Lösung sein. Europa ist aber auch Teil des Problems. Der Grund: Die Nationalstaaten haben in den vergangenen zehn Jahren immer mehr asylpolitische Kompetenzen an Europa verloren, genauer: Abgegeben. Nun wollen sie sie wieder zurück.

Schon jetzt hält sich Polen nicht mehr an die gemeinschaftlichen Asylregeln. Polen übernimmt mit einem harten Grenzregime Richtung Belarus eine Gatekeeper-Funktion für ganz Europa. Darum wird Polens zumindest zeitlicher Abschied aus diesem – menschenrechtlich grundierten – System von Brüssel geduldet.

Dänemark, wo Sozialdemokraten verantwortlich sind für eine harte Anti-Asylpolitik, hat schon vor Jahren für sich einen europäischen Ausnahmestatus herausverhandelt. Nun aber will eine ganze Reihe europäischer Staaten weitergehen. Und deshalb: Greifen sie das Herzstück europäischer humaner Asylpolitik an. 

Initiative ist ein lauter Warnschuss nach Brüssel

Die Regierungschefs von gleich neun Ländern verlangen – auf Initiative der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni und ihrer dänischen Kollegin Mette Frederiksen – eine Revision der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Die humanitären Europaregeln seien überholt, die Mehrheit der Menschen wolle sie in dieser Laissez-Faire-Form nicht mehr hinnehmen. Die Nationalstaaten müssten wieder mehr Macht bekommen, ihre eigenen Asylregeln festzulegen.

Diese Initiative ist ein lauter Warnschuss nach Brüssel – etwas Vergleichbares hat es in den vergangenen Jahren nicht gegeben. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof ist europäischer wie nationalstaatlicher Kontrolle der Mitgliedstaaten entzogen. Völlig losgelöst spricht er Recht.

Und schafft damit Recht, das die Nationalstaaten nur unter Biegen und Brechen ignorieren oder außer Kraft setzen können – falls überhaupt. Deshalb setzt diese Initiative an einem Kernproblem der asylpolitischen Wirklichkeit in Europa an.

Initiative markiert eine „Zeitenwende“

Unterzeichnet haben diese einmalige  Initiative von Meloni und Frederiksen die Regierungschefs Österreichs, aller drei baltischen Staaten, Polens, Belgiens und Tschechiens.

Ausdrücklich verlangen alle neun Unterzeichner mehr Freiheit von europäischen Menschenrechtsregeln, die verhinderten, dass selbst Straftäter in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden könnten.

Die Initiative markiert eine „Zeitenwende“. Immer mehr Staaten sind offenkundig nicht mehr bereit, den Vorrang von Europarecht in der Migrationspolitik einfach hinzunehmen. Sie begehren dagegen auf. 

Das geht weit hinaus über die Politik von Merz und Dobrindt an den deutschen Grenzen, denn: Die besteht darin, die europäischen Regeln – Dublin – wieder einzusetzen. Meloni, Frederiksen, Tusk und Co. wollen sie hingegen überwinden. Europa als migrationspolitischer Bezugsrahmen gerät damit unter Beschuss – zum allerersten Mal.

Merkel müsste dies als herben Rückschlag ihres Denkens und Handelns empfinden. Die Regierungschefs sehen es anders als die Deutsche: Für sie ist es offenkundig ein Akt der Notwehr, die Merkel-Politik konsequent zu beenden – inklusive deren Brüsseler Wurzeln. In Europa dreht sich der Wind. Merkel war gestern.