Asyl-Urteil ist eine Klatsche für Dobrindt, doch Gericht zeigt Grenz-Ausweg auf

Schlappe für Bundesinnenminister Alexander Dobrindt. In mehreren Eilverfahren hat das Verwaltungsgericht Berlin die Weisung des CSU-Politikers an die Bundespolizei kassiert: Die Beamten dürfen Asylsuchenden nicht die Einreise verweigern. Stattdessen muss Deutschland weiterhin nach dem EU-weit gültigen Dublin-Verfahren den zuständigen Mitgliedsstaat bestimmen.

„Zurückweisungen von Asylsuchenden gehen einfach nicht“

Das Urteil bezieht sich auf drei Somalier, die am 9. Mai mit dem Zug von Polen nach Frankfurt (Oder) gefahren sind. Dort wurden sie von der Bundespolizei kontrolliert und am gleichen Tag nach Polen zurückgewiesen, obwohl sie einen Asylantrag gestellt hatten. Dagegen zogen die drei vor Gericht – und bekamen nun vorläufig Recht.

Das Urteil gilt offensichtlich sowohl für direkt an der Grenze gestoppte Personen als auch solche, die im sogenannten "grenznahen Bereich" aufgegriffen wurden. Denn das Dublin-Verfahren kennt den Unterschied zwischen Zurückweisung (direkt an der Grenze) und Zurückschiebung (von Personen, die schon weiter nach Deutschland gekommen sind) nicht. Also ist es anzuwenden, sobald jemand an der Grenze den Asylantrag stellt

Zwar handelt es sich um ein Eilverfahren und auch die Erwägungsgründe des Gerichts sind noch nicht im Detail bekannt. Rechtsexperten sehen allerdings eine grundsätzliche Bedeutung des Beschlusses. „Zurückweisungen von Asylsuchenden gehen einfach nicht“, fasst Jonas Bornemann, Assistenzprofessor für europäisches Recht an der Universität Groningen zusammen. Das Verwaltungsgericht setze ein Zeichen, das Gerichte eben nicht so einfach den Weg der Bundesregierung mitgehen.

„Die Bringschuld liegt erst einmal bei der Bundesregierung“ 

Aus dem Beschluss lasse sich ableiten, dass der Rückgriff auf Artikel 72 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) für die Zurückweisungen nicht möglich sei. Mit Verweis auf diesen Passus wollte Dobrindt die Dublin-Regeln aussetzen und nationales Recht anwenden. Allerdings könnten die Zurückweisungen selbst dann größtenteils rechtswidrig sein, wie eine Recherche von FOCUS online zeigte.

Um diese Ausnahmeregeln von EU-Recht zu nutzen, muss eine Gefahr für die öffentliche Ordnung vorliegen, erklärt Bornemann: „Die Bringschuld liegt erst einmal bei der Bundesregierung.“ Kanzler Friedrich Merz und Dobrindt hätten diesen Nachweis allerdings bisher nicht erbracht und ihre Argumentation nicht untermauert.

Gericht offenbart Ausweg für Regierung

Interessant sind für Rechtsexperten weitere Aspekte des Urteils. „Man sieht in der Pressemitteilung: Das Gericht ist offen für die Belange der Grenzschützer“, sagt Bornemann. Denn es sind grundsätzlich die Möglichkeiten für ein Grenzverfahren gegeben. Antragsteller könnten nicht verlangen, über den Grenzübertritt hinaus in das Bundesgebiet einzureisen, heißt es in der Mitteilung. 

Das Dublin-Verfahren darf demnach an der Grenze oder im grenznahen Bereich durchgeführt werden. „Das ist ein durchaus ausgewogenes Urteil“, fasst Bornemann zusammen. Nur die unmittelbaren Zurückweisungen, wie von Dobrindt angeordnet, seien nicht möglich: Wer einen Asylantrag stellt, müsse nach dem Dublin-Verfahren behandelt werden. Deshalb dürfte der Beschluss auch Auswirkungen über die Einzelfälle hinaus entfalten.