Ende mit Putins Gleitbombenterror: Erste Mirage-Kampfjets erreichen Ukraine
Sie kann Distanzwaffen tragen, Distanzwaffen bekämpfen und den eigenen Luftraum auskehren: Frankreichs Mirage gibt der Ukraine wieder neue Hoffnung.
Kiew – „Selbst bei unseren sowjetischen MiG-29 ist die Radarsituation besser als bei den Mirages“, sagte Kostiantyn Kryvolap. Gegenüber dem Nachrichtenportal RBC-Ukraine hat der ehemalige Ingenieur des ukrainischen Flugzeugbauers Antonow gegen den französischen Kampfjet gestänkert, noch bevor er eine Nasenspitze davon am Horizont gesehen hat. Allerdings muss der Oldtimer der französischen Streitkräfte beweisen, dass er im Ukraine-Krieg die Invasionstruppen Wladimir Putins in die Schranken weisen kann. Die erste Charge wird in diesem Monat in der Ukraine erwartet.
Bis zum 20. Januar wahrscheinlich die ersten drei Maschinen. Letztlich würden rund zehn Flugzeuge dieses Typs ukrainische Markierungen tragen, schreibt das französische Flieger-Magazin Avions Legendaires. „Einige Quellen deuten sogar darauf hin, dass sie bereits in der Ukraine präsent sind, derzeit aber nur Trainingsflüge durchführen“, so dessen Autor Arnauld. Allerdings ist Kryvolaps Kritik nicht aus der Luft gegriffen – die Ukraine erhält französische B-Ware.
Frankreich knauserig: Veto gegen Übergabe von Rafale-Kampfflugzeugen an die Ukraine
Grundsätzlich will die Ukraine schon lange ihre Luftwaffe von Ost- auf West-Maschinen umrüsten. Die Rafale-Jets sollten ein Baustein der neuen ukrainischen Streitkräfte werden. Anfang 2020 hatte die Ukraine den Plan der Umstrukturierung gefasst, wie das Blog opex360 unter Bezugnahme auf ukrainische Medien berichtet hat. Nach deren Angaben seien damals vier Modelle von Kampfflugzeugen in Betracht gezogen worden: die schwedische JAS-39 Gripen E/F, die US-amerikanischen F-16 Viper und F/A-18 Super Hornet sowie die französische Rafale, deren Wahl wohl auch von Präsident Emmanuel Macron unterstützt worden war.
„Im Idealfall muss man nicht drei verschiedene Typen von Starrflügelflugzeugen unterstützen. Aber wer bettelt, kann nicht wählerisch sein, und am Ende des Tages ist mehr Leistungsfähigkeit besser als keine Leistungsfähigkeit.“
Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu legte sein Veto ein gegen die Übergabe von Rafale-Kampfflugzeugen an die ukrainischen Streitkräfte, mit der Begründung, dies könne „die Kampffähigkeit der französischen Streitkräfte untergraben“, wie er gegenüber Le Monde geäußert hat. Im Januar dieses Jahres wollte Frankreich sogar von einer Lieferung von Mirage 2000-5-Kampfjets Abstand nehmen – Lecornu hatte das begründet mit der geringen Zahl eigener Jets sowie dem Umstand, dass die „Wartung im betriebsbereiten Zustand furchtbar komplizierte Herausforderungen darstellen würde“, wie er öffentlich geäußert hat.
Neben dem US-Jet F-16 ist die Dassault Aviation Mirage 2000-5F der zweite westliche Kampfjet-Typ in Diensten der Ukraine. Und anders als Kryvolap behauptet, habe die gelieferte Version gegenüber der MIG-29 wohl doch das bessere Radar. Laut dem Magazin Defense Express soll die Ausbildung der Piloten und Techniker seit Sommer vergangenen Jahres laufen, ein halbes Jahr dauern und damit jetzt einsatzfähige Besatzungen hervorgebracht haben. Das Magazin rechnet mit einer Gesamtzahl von eventuell 35 Maschinen: 27 einsitzige Mirage 2000-5 und sieben zweisitzige Mirage 2000B.
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Neues Kampfjet-Fiasko? „Ungeeignet, die russischen taktischen Flugzeuge von der Front zu vertreiben“
Defense Express kategorisiert die Mirage als leichtes Jagdflugzeug. „Dann erhielt die Version Mirage 2000-5 speziell die Fähigkeit, Bodenziele mit präzisionsgelenkten Waffen anzugreifen, das heißt, sie wurde zu einem vollwertigen Vertreter der 4+-Generation von Jagdflugzeugen“, schreibt das Magazin. Maschinen der fünften Generation zeichnen sich aus durch „Stealth“-, also Tarnkappen-Fähigkeiten. Die Mirage war seit den späten 1970er-Jahren das Arbeitspferd der französischen Luftwaffe, die Version 5 fliegt seit Mitte der 1990er-Jahre; deren Nachfolger ist die Dassault Rafale, das Pendant zum deutschen Eurofighter und dem schwedischen Saab JAS-39 Gripen.
Der Defense Express hält gerade die Radar-Ortung für die Königsdisziplin der Maschine: „Objektiv gesehen ist das Wichtigste, dass der Jäger ein neues RDY-Radar von Thales erhalten hat. Das System kann ein typisches Ziel in einer Reichweite von 130 Kilometern erkennen, gleichzeitig acht Ziele verfolgen und vier davon mit Feuer bekämpfen. Eine Besonderheit dieses Radars ist die hochwertige Erkennung von Zielen am Boden.“ Allerdings besteht in den Quellen Dissens, inwieweit die Mirage besser für den Luftkampf oder für die Bekämpfung von Bodenzielen geeignet sei.
Laut dem Defense Express für Letzteres: Sie kann auf jeden Fall die gegen Russland erfolgreich eingesetzten SCALP-EG- und Storm Shadow-Marschflugkörper tragen und abfeuern, ist also prädestiniert für Distanzangriffe. Technisch überholte Leistungen bietet sie mit der an der Mirage kompatiblen Luft-Luft-Rakete MICA von lediglich 80 Kilometern Reichweite. „Das bedeutet, dass die Mirage 2000-5 wahrscheinlich nicht dazu geeignet ist, die russischen taktischen Flugzeuge von der Front zu vertreiben“, wie Defense Express urteilt.
Selenskyj unbescheiden: Probleme der Jets dieselben, die es bei den Abrams-Panzern gegeben habe
Auch taktische Missionen schreibt ihr der Defense Express zu – beispielsweise das Bombardieren feindlicher russischer Stellungen mit Gleitbomben wie den AASM-Hammer (Armement Air-Sol Modulaire / Highly Agile Modular Munition Extended Range) JDAM-ER (Joint Direct Attack Munition; Nachrüstsatz für ungelenkte Bomben) und SDB (Small Diameter Bomb; zu Deutsch: Bombe mit geringem Durchmesser). Gebraucht würde sie allerdings über unbesetztem ukrainischen Territorium vor allem zur Luftabwehr gegen russische Marschflugkörper und Shahed-Drohnen.
„Die Mirage 2000-5 ist wie ihr F-16-Gegenstück ein guter Kampfjet der vierten Generation, der die ukrainische Flotte alternder Kampfflugzeuge aus der Sowjetära um einige zusätzliche Fähigkeiten erweitern wird. Doch angesichts der aktuellen Bedingungen auf dem Gefechtsfeld ist keines der beiden Flugzeuge unbedingt die beste Wahl für Kiew“, schreibt für den Business Insider (BI) Jake Epstein, der sich auf Justin Bronk beruft: Die Wirksamkeit der Mirage 2000-5 werde vor allem begrenzt durch die Luft-Luft-Rakete MICA, die eine viel geringere Reichweite habe als die AIM-120 AMRAAM-Variante, die Kiew mit seinen F-16 einsetzen könnte, sagt der Luftfahrt-Experte des britischen Thinktank Royal Institute for Defensive Studies.
Das heißt, die russischen Maschinen könnten die französischen Maschinen eher auf Distanz halten als umgekehrt. Die Meinungen über den generellen Nutzen dieser Maschine schwanken. Laut dem Business Insider vom November vergangenen Jahres hat sich auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj enttäuscht gezeigt und damit vor allem auf die letztendlich mehr als 80 insgesamt zu liefernden F-16-Jets abgehoben, wie BI-Autorin Sinéad Baker wiedergegeben hat: Ihr zufolge habe Selenskyj geäußert, dass das nicht ausreiche und dass die Probleme dieselben seien, die es bei den Abrams-Panzern gegeben habe.
Neue Hoffnung: Für die Soldaten der Ukraine vor allem die materielle Verstärkung das Wichtigste
Für die Zeit nach Lieferung aller F-16-Jets hat sich Nato-Partner Schweden zur Lieferung von Saab-JAS-39-Gripen-Kampfjets bereit erklärt. Dieser Jet wird unisono als die einzige vernünftige Lösung apostrophiert. Allerdings sei „sehr schwierig, in der Kampagne zu gewinnen und erfolgreich zu sein, wenn man weitgehend auf die Verteidigung beschränkt ist“, sagte Doug Birkey Mitte vergangenen Jahres dem niederländischen Business Insider. Der geschäftsführende Direktor des Thinktanks Mitchell Institute for Aerospace Studies erläuterte gegenüber dem Medium, dass die technisch überholte Mirage genau das biete, was die neu ausgebildeten ukrainischen Piloten aus der technisch leistungsfähigeren F-16 herausholten.
Abgesehen davon und eingedenk des Desasters mit den zu reparierenden westlichen Panzern sieht Michael Bohnert eine gewaltige Herausforderung der Logistik – der Luftfahrtanalyst des US-Thinktanks RAND Corporation hält die Ukraine jetzt schon für beinahe überfordert: Das Problem sei, dass die Ukraine bemüht sei, ihre F-16-Infrastruktur aufrechtzuerhalten, wie er gegenüber dem Business Insider bemerkte. Ein weiteres Flugzeug mit einer eigenen Lieferkette zöge logistische Hürden nach sich. Für die Soldaten der Ukraine sei allerdings vor allem die materielle Verstärkung das Wichtigste:
„Im Idealfall muss man nicht drei verschiedene Typen von Starrflügelflugzeugen unterstützen. Aber wer bettelt, kann nicht wählerisch sein, und am Ende des Tages ist mehr Leistungsfähigkeit besser als keine Leistungsfähigkeit.“