Darum leben in Deutschland mehr Menschen in Armut als angenommen – Rentner besonders betroffen

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Ein bisher unberücksichtigter Faktor verändert die Armutsstatistiken deutlich. Die Ergebnisse sind alarmierend.

Berlin - Im Jahr 2023 war die Armutsgefahr für rund jeden siebten Bürger in Deutschland real - das entspricht mehr als zwölf Millionen Menschen. Diese Zahlen stammen aus einer Untersuchung des Statistischen Bundesamtes. Allerdings scheint dies nur einen Teil der Realität abzubilden.

Eine aktuelle Untersuchung des Paritätischen Gesamtverbandes offenbart, dass die Anzahl der Menschen, die in Deutschland von Armut bedroht sind, tatsächlich deutlich höher ist. Laut dieser Studie leben 5,4 Millionen mehr Menschen in Armut als bisher angenommen, insgesamt sind es 17,5 Millionen. Als armutsgefährdet gelten diejenigen, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. Die Armutsgrenze liegt laut Paritätischem Gesamtverband bei 1016 Euro.

Armutsfalle Miete: Jungen Menschen und Rentner sind besonders betroffen

Die hohe Diskrepanz zwischen den beiden Studien ergibt sich aus der Berücksichtigung von Miet-, Nebenkosten- und Kreditzinsausgaben. „Wer nur Einkommen betrachtet, nicht aber, dass Menschen immer weniger Geld zur Verfügung haben, weil sie hohe Wohnkosten aufbringen müssen, übersieht das Ausmaß von Armut in Deutschland“, so die Studie. Im Jahr 2022 musste bereits ein Drittel der Mieterhaushalte mehr als ein Drittel ihres Einkommens für die Bruttokaltmiete aufbringen. In einigen Fällen kann dieser Anteil sogar bis zu 50 Prozent des Einkommens betragen.

Ein paar Münzen holt eine Frau aus ihrem Portemonnaie. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) stellt ein Gutachten zur pflegebedingten Armut von Frauen vor.
Hohe Mieten treiben die Armutsquote nach oben © Stephanie Pilick/dpa

Die Untersuchung liefert weitere aufschlussreiche Erkenntnisse. Besonders betroffen von Armut sind junge Erwachsene unter 25 Jahren (31,0 Prozent), darunter viele Studierende, und ältere Menschen über 65 Jahre (27,1 Prozent). Hier spielen die niedrigen Renten eine Rolle. Im mittleren Lebensalter ist die Armut, die durch Wohnkosten bereinigt wurde, weniger verbreitet.

Armutsfalle Miete: Wohnarmut ist in Baden-Württemberg und Bayern wenig ausgeprägt

Betrachtet man die Haushaltstypen, so sind vor allem Ein-Personen-Haushalte und Alleinerziehende stark von Armut betroffen. Im Durchschnitt sind es 37,6 Prozent. Bei den Alleinlebenden zeigt sich auch ein Geschlechtereffekt. Alleinstehende Frauen sind häufiger von Armut betroffen als Männer. Vier von zehn alleinlebenden Frauen sind arm (40,4 Prozent) und etwas mehr als ein Drittel der alleinlebenden Männer (34,4 Prozent). Die höchste wohnkostenbereinigte Armutsquote weisen alleinstehende Personen ab 65 Jahren auf (41,7 Prozent). Haushalte von Alleinerziehenden sind zu 36 Prozent arm.

Eine Aufschlüsselung nach Bundesländern zeigt, dass Wohnarmut in Bremen, Sachsen-Anhalt und Hamburg am stärksten und in Baden-Württemberg und Bayern am geringsten verbreitet ist. Der Unterschied zwischen der herkömmlichen und der um die Wohnkosten bereinigten Armutsquote ist in Hamburg und Schleswig-Holstein besonders groß, in Bayern und Sachsen vergleichsweise gering.

Armutsfalle Miete: Verband hat Verbesserungsvorschläge

„Wohnen entwickelt sich mehr und mehr zum Armutstreiber“, erklärt Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird durch die steigenden Wohnkosten immer größer.

Der Verband verbindet das Ergebnis der Studie mit der Forderung an die Bundesregierung, neuen Wohnraum mit dauerhafter Sozialbindung zu schaffen. „Eine zielgerichtete Politik zur Vermeidung von Armut in Deutschland braucht gute Löhne, bessere soziale Absicherung und eine Wohnungspolitik, die Mieten bezahlbar hält“, fasst Rock die Expertise zusammen.

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