Niedrige Löhne, hoher Leistungsdruck: Jugend verlässt massenhaft den Arbeitsmarkt

Südkorea blickt mit wachsender Beunruhigung auf eine Generation, die sich von der Arbeitswelt abwendet. Laut einer offiziellen Statistik, die dem vietnamesischen Fernsehsender "VTV" vorliegt, machen derzeit 736.000 junge Erwachsene das sogenannte "geunyang swim". 

Damit ist laut Angaben des bangladeschischen "Business Insiders" gemeint, dass "nur geruht" wird, also eine Art selbst gewählte Auszeit vom Berufsleben genommen wird. Das Phänomen betrifft vor allem junge Menschen im Alter zwischen 20 und 39 Jahren.

Hunderttausend junge Südkoreaner machen "geunyang swim"

Dabei handele es sich nicht um Arbeitslose, die aktiv nach einem Job suchen, und auch nicht um Angestellte mit Sabbatical. Sie hätten einfach aufgehört zu arbeiten, aufgehört, Bewerbungen zu schreiben und aufgehört, sich eine berufliche Zukunft vorzustellen.

Südkoreas junge Generation am Limit: "Wir haben unser ganzes Leben gelernt"

Die Erwartungen im Bildungssystem Südkoreas sind hoch. Immer wieder berichten Medien, wie der "Spiegel", von einem "enormen Leistungsdruck" in den Schulen. Viele der jungen Erwachsenen haben daher hervorragende Abschlüsse, zahlreiche stammen aus den renommierten Eliteuniversitäten Seouls. 

Doch sie fühlen sich leer und betrogen von einem System, das ihnen jahrzehntelang Disziplin und Höchstleistungen abverlangt hat, ohne ihnen eine angemessene Kompensation zu bieten. "Wir haben unser ganzes Leben gelernt – und wofür?", klagen viele, so die Autoren der Analyse.

In Kindheit und Jugend zur Bestleistung erzogen - doch wozu? Immer mehr junge Südkoreaner protestieren still.
In Kindheit und Jugend zur Bestleistung erzogen - doch wozu? Immer mehr junge Südkoreaner protestieren still. Imago Images (Symbolbild)

Passive Rebellion in Südkorea? Schlechte Löhne und toxische Arbeitskultur

Die Gründe für den Rückzug sind vielfältig, aber eindeutig: miserabel empfundene Einstiegsgehälter, harsche Hierarchien in traditionellen Firmenstrukturen und ein belastendes Arbeitsklima. Viele berichten von einem Burn-out schon vor dem eigentlichen Karrierestart, schreibt der französische Fernsehsender "France Info".

Die jahrelange Schinderei im ultrakompetitiven Schulsystem hat Spuren hinterlassen: tägliches Pauken, Nachhilfe bis spät in die Nacht und auch am Wochenende. Nun, da sie sich eigentlich entfalten müssten, ziehen sie die Reißleine. Soziologen sprechen bereits von einer "passiven Rebellion", die Ausdruck eines tief sitzenden strukturellen Problems sei.

Niedrige Geburtenrate und hohe Zahl der Arbeitsaussteiger: Südkorea in der Krise

Gleichzeitig befindet sich Südkorea mitten in einem dramatischen demografischen Niedergang: Laut der "Berliner Zeitung" gehört hier die Geburtenrate mit 0,75 Kindern pro Frau zu den niedrigsten der Welt. Der Verlust junger Fachkräfte und die schrumpfende Bevölkerung verschärft fehlende Arbeitskräfte in Schlüsselbranchen zusätzlich. Übrigens will das Land diesem Problem mit künstlicher Intelligenz begegnen.

Eine Berechnung der koreanischen Industrieverbände zeigt die Größe des Problems: Zwischen 2019 und 2023 soll das Phänomen der Arbeitsaussteiger die Wirtschaft rund 44.000 Milliarden Won gekostet haben, etwa 27 Milliarden Euro. Eine Summe, die die wirtschaftspolitischen Alarmglocken schrillen lässt.

Südkoreanische Regierung versucht Gegenoffensive

  • Das Arbeitsministerium möchte nun direkten Kontakt zu den Ausgestiegenen aufnehmen.
  • Jede einzelne Person soll angesprochen und nach individuellen Lösungen gefragt werden.
  • Vorgesehen sind unter anderem virtuelle Trainingsprogramme, die einen sanften Wiedereinstieg ermöglichen sollen – Kommunikation ohne Druck, Teamarbeit ohne Stress.